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Der Prozess, der es schwierig macht

Mittwoch, 8. April 2009 16:27

Jedes Mal, wenn ich mich nach einigen Wochen Abstand wieder mit dem »verdammten Manuskript« beschäftige, sehe ich nach allen verworfenen Ideen etwas scheinbar Neues darin; etwas, das mir bedeutsam erscheint; etwas, das ich überprüfen will. Und jeses Mal, wenn ich das Wahrgenommene näher untersuche, muss ich feststellen, dass sich beim Wahrnehmen nicht etwa die Strukturen des Manuskriptes in meinem Bewusstsein abgebildet haben, sondern dass sich stattdessen die Strukturen meines Bewusstseins teilweise in einem für mich immer noch völlig unverständlichen Manuskript abgebildet haben.

Das ist der mentale Prozess, der jede Arbeit am Voynich-Manuskript so schwierig macht. Und es ist der mentale Prozess, der diese Arbeit gleichzeitig so frustrierend, offen für Fehldeutungen und faszinierend macht…

The process that makes it hard

Every time, I start to do some work with the »damned manuscript«, I see after all my formerly rejected ideas something new, something that seems to be meaningful, something that urges me to analyze and verify it. And every time, I do some further research on that new thing I perceived, I have to realize that it was not the structures of the manuscript, which were mirrored in my consciousness, but it was a part of the structure of my consciousness I mirrored in a completly unintelligibly manuscript instead.

This is the process in the human mind, which makes every kind of work in the Voynich manuscript this very hard. And it is the process in the human mind, which makes the work this amount of frustrating, open for improper interpretations and fascinating in the same way…

Warm greetings to Nick Pelling and thank you. My english may be bad, but not as bad as a google translation…

Thema: Spekulation | Kommentare (0) | Autor:

Das »biologische« Paradox

Mittwoch, 11. März 2009 6:01

Mit dem so genannten »biologischen« Teil – der Name spiegelt vor allem wider, dass sich nicht leicht ein trefflicher Name für die Illustrationen auf diesen Seiten finden lässt – verbindet sich eine sehr seltsame und in meinen Augen viel zu wenig gewürdigte Tatsache, auf die ich hier etwas breiter eingehen werde.

Illustrationen aus dem biologischen TeilDas »biologische« Paradox

Die Illustrationen dieses Teiles sind wirklich einmalig. Sie erinnern in ihrer Abstraktheit an nichts, was ich jemals irgendwo anders gesehen hätte. Dieses Befremden befällt nicht nur mich, sondern scheinbar jeden, der das Manuskript zum ersten Male sieht.

Die vielfach verzweigten Ströme blauer und manchmal grüner Flüssigkeit; die untereinander verbundenen Systeme von Röhren und Sitzbadewannen, die in ihrer Formgebung manchmal an tierische oder menschliche Organe erinnern (daher auch der etwas hilflose Name »biologisch« für diesen Teil); die darin herumtollenden Nymphen, die übrigens recht stereotyp gezeichnet sind: Alles das will nicht in das späte Mittelalter passen, es ist beispiellos, wirkt beinahe außerirdisch. So lange wir den Text des Manuskriptes nicht lesen können, werden wir wohl niemals verstehen, was sich der Illustrator bei diesen Zeichnungen gedacht hat.

Als ich vor einigen Jahren auf das Voynich-Manuskript stieß, war es die stark verkleinerte und schwarz-weiße Wiedergabe einer Seite aus dem »biologischen« Teil, die mich fasziniert und auf der Stelle gefesselt hatte. Wenn ich doch nur gewusst hätte, in welches Labyrinth ich dabei geraten würde!

Mein spontaner Gedanke war, dass es sich beim Manuskript um eine moderne Fälschung handeln müsse, so unglaublich erschienen mir diese Illustrationen selbst noch in einer schäbigen Wiedergabe. Und als ich später wesentlich bessere Reproduktionen sah, fand ich das alles nur umso unglaublicher.

Diese Formensprache ist eine Wucht! Selbst, wenn sich der Text einmal als mittelalterliche Fälschung eines Quacksalbers entpuppen sollte – ich glaube das übrigens nicht, aber halte es für durchaus möglich, dass sich kein »Inhalt« im üblichen Sinne in diesem Text finden lässt – bleibt das Manuskript allein wegen dieser Handvoll manchmal ungelenkt illustrierter Seiten im »biologischen« Teil ein beeindruckendes Werk, eine beispiellose, künstlerische Leistung.

Die vielen, rätselhaften Pflanzen, die auch gern einmal als Beispiele für die Illustrationen abgebildet werden, sie sehen nicht anders aus als die typischen Darstellungen in jedem anderen Herbarium des 15. und 16. Jahrhunderts. Sie erwecken zunächst keinen Verdacht, dass sich in ihnen ein Problem verbergen könne, dieser Verdacht kommt erst auf, wenn Fachleute daran scheitern, diese Pflanzen zu identifizieren. (Schade, denn das hätte vielleicht einen Hinweis auf den Inhalt des Textes gegeben.)

Die »kosmologischen« Diagramme entsprechen im Großen und Ganzen anderen mittelalterlichen Konzepten, die in graphischer Gestalt aufbereitet wurden. Dass diese Konzepte in ihrer abstrakten Darstellung unverständlich bleiben, ist gar nicht so verwunderlich. Der »Tierkreis« ist ebenfalls recht rätselhaft und will gar nicht in die mittelalterliche Astrologie mit ihrer starken Betonung des Mondes passen, aber er erweckt nicht einen Moment lang beim arglosen Betrachten den Eindruck, dass hier etwas vollkommen Fremdes vorliegen könnte. Eine Bekannte, die sich lange mit mittelalterlicher Astrologie beschäftigt hat, sah allerdings auch darin etwas völlig Unerwartetes, für sie nicht mehr Verständliches.

Ganz anders der »biologische« Teil. Hier wird beinahe jedem Menschen durch bloßes Hinschauen klar, dass etwas daran »nicht stimmt«. Es ist aber gar nicht so leicht, in Worten auszudrücken, was genau dieses Unstimmige ist. An keiner anderen Stelle wirkt das Manuskript so phantastisch.

Wenn man die Illustrationen betrachtet.

Der Text im »biologischen« Teil ist nämlich das genaue Gegenteil. Genau in jener Sektion des Manuskriptes, in der sich eine einmalige, sehr schwer deutbare und facettenreiche Formensprache entfaltet, wird der Text beinahe monoton. Das ist das Paradoxe am »biologischen« Teil des Voynich-Manuskriptes, und es verdient meiner Meinung nach eine viel größere Beachtung.

An keiner anderen Stelle des Manuskriptes ist der Text so redundant wie im »biologischen« Teil. Hier gibt es monotone Wortwiederholungen oder aufeinander folgende Wörter mit nur geringen Abweichungen mit ermüdender Regelmäßigkeit; hier sind die Wörter auch besonders einfach gebildet, so dass fast das gesamte Endungssystem in »-dy« zusammen fällt. Die schon einfach gebildeten Wörter der Currier-Sprache B sind im »biologischen« Teil in ihren möglichen Formenraum noch weiter eingeschränkt.

Die Redundanz des Textes ist so beachtenswert hoch, dass sie sogar schon beim Betrachten der graphischen Reproduktion einer Seite ins Auge fällt. Auf eine Worttrennung folgt sehr häufig ein »q«, an das sich meist ein »o« anschließt. Nach diesem sehr häufigen »qo« kommt recht häufig ein »k«, und die Glyphenfolge »ok« wird beinahe immer von einem »e« gefolgt. Wenn ein Wort nicht mit »qo« beginnt, beginnt es zumeist mit »ch« oder »sh« (oft auch mit eingebettetem Gallow), worauf auch recht regelmäßig ein »e« folgt. Der Eindruck, den der dabei entstehende Text hinterlässt…

qokeey dar shedy qokedy qokeedy qokedy chedy okai n chey qokedy dar olar dy tor shedy tedy rol ol cheol shedy shckhy qokal olkedy pchol cphol sol teol tedy qotedy qokeedy qokeey ol keedy tey qokedy qopor oly

…ist, obwohl man den Glyphen keine Lautwerte zuordnen möchte, der Eindruck eines monotonen, hypnotischen Singsangs, der nur gelegentlich von eingesprenkelten »dar«, »tor« oder »kal« unterbrochen wird. (Als typisches Beispiel sind hier die Zeilen drei bis fünf der Seite f84r gewählt worden.)

Die Nymphe otchdy an einer seltsamen Vorrichtung, die aus vielen Rohren Wasser fließen lässtAusgerechnet in jenem Passus des Manuskriptes, in dem die Illustrationen wirklich erschreckend, fremd und formenreich geworden sind, verkommt der Text scheinbar zu einer Wüste der weit gehenden Bedeutungsleere, zu einem Gemurmel von Zaubersprüchen, die alle sehr ähnlich zu klingen scheinen. Tatsächlich ist dabei der Erwartungswert eines Zeichens in der EVA-Transkription dermaßen hoch geworden, dass ein solches Zeichen nur noch einen Informationsgehalt von ungefähr einem Bit zu haben scheint.

Was das zu bedeuten hat, kann ich auch nicht sagen. Ich werde allerdings im Folgenden noch eröffnen, was ich langsam zu glauben beginne… 😉

Selbst, wenn man sich keinen Reim darauf machen kann: Es ist eine wichtige Eigenschaft des Manuskriptes, die viel zu selten beachtet wird. Auch wenn sich der Text als »bedeutungslos« im Sinne eines »Inhaltes« in modernen Begrifflichkeiten erweisen sollte – ich weiß übrigens nicht, wie sich so etwas nachweisen ließe – bleibt diese Eigenschaft bedeutsam und wichtig.

Was ich glaube (jetzt wird spekuliert!)

Nach dieser sehr wortreichen Darlegung ein bisschen Spekulation zum Thema – ich will versuchen, diese Spekulationen so darzulegen, dass sie einer Untersuchung (und damit vielleicht einer Widerlegung) zugänglich sind, obwohl ich selbst diese Untersuchung nicht durchführen kann. Ich hoffe, dass einer meiner Leser irgendwann die Möglichkeit hierzu findet.

(Wenn jemand diese Gedanken kurz in Englisch formulieren und der englischsprachigen Mailingliste mitteilen könnte, wäre ich dafür auch sehr dankbar, denn ich habe im Moment wegen außerordentlicher, persönlicher Schwierigkeiten einfach nicht die Zeit dazu. Ich bringe diesen Text mit der Brechstange ins Internet, weil es mich einfach drängt. Es wird mindestens einige Monate dauern, bis ich die Muße finde, die wesentlichen Punkte dieses Textes in die englische Sprache zu übersetzen; und ich befürchte, dass es aus meiner Feder keine besonders gute und schon gar nicht eine unmissverständliche Übersetzung wird. Aber besser als die automatische Übersetzung von Google oder vom Babelfish wird es in jedem Fall…)

Die Tatsache, dass das Manuskript nun schon hundert Jahre lang von teilweise sehr begabten Kryptanalytikern erforscht wurde, ohne dass das darin verborgene Rätsel auch nur ansatzweise einer Lösung näher gebracht wurde, ist in meinen Augen ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Annahmen dieser Herangehensweise wenigstens teilweise falsch gewesen sein könnten. Es empfiehlt sich also, einen offenen Geist für andere Hypothesen zu behalten, ohne das große und mühsame Werk der Pioniere gering zu schätzen. Ohne diese Vorarbeit wüssten wir nichts über die Eigenschaften des Textes.

Die bisherigen Hypothesen lauteten sinngemäß: Der Text des Manuskriptes ist entweder eine verschlüsselte Mitteilung in einer europäischen Sprache, der Klartext dieser Mitteilung ist wiederherzustellen und zu verstehen; oder aber es handelt sich um eine relativ direkte Niederschrift in einer noch unidentifizierten Sprache, die zu identifizieren, zu lesen und zu übersetzen ist (was durchaus eine Sisyphosarbeit werden kann). Der uns unbekannte Autor des Manuskriptes hat den Text geschrieben, um eine Mitteilung für andere Menschen zu erstellen oder um Notizen für sich selbst anzufertigen. Der gesamte Vorgang entspricht heutigen Maßstäben wissenschaftlicher Vernunft und Ökonomie, ein kryptologischer oder sprachwissenschaftlicher Angriff auf das Rätsel verspricht also Erfolg.

Nun, diese bisherige Hypothese langweilt seit hundert Jahren durch das Scheitern jedes Ansatzes, und wenn man einen Blick in das Manuskript wirft, findet man das auch gar nicht mehr so verwunderlich… 😉

Denn es gibt vieles, was diesen Hypothesen widerspricht.

Zunächst fällt auf, dass die Illustrationen des Manuskriptes nicht ökonomisch und vernünftig sind. Schon der pflanzenkundliche Teil stellt Gewächse dar, die anhand der Zeichnungen selbst für Fachleute nicht identifizierbar sind, dabei gibt es einen besonderen Hang des Zeichners zu obskuren und biologisch sinnlosen Gestaltmerkmalen. Doch auch der Text fügt sich nicht in diese Hypothesen, da er zwei ineinander widersprüchliche Annahmen in gleicher Weise stützt. Zum einen stützt er die Annahme einer komplexen Verschlüsselung, da keine einfache Abbildung von lateinischen oder griechischen Buchstaben auf die Glyphen zu einem lesbaren Klartext führt. Zum anderen stützt der Text aber auch die Annahme einer direkt auf Pergament gebrachten, aber unbekannten Sprache, da die Glyphenfolge des Manuskriptes viele Eigenschaften einer »richtigen« Sprache aufweist und sogar sinnvoll in mögliche Konsonanten und Vokale eingeteilt werden kann, allerdings ohne, dass diese »Sprache« identifiziert werden könnte. Jede komplexe Verschlüsselung würde solche Eigenschaften – deren Existenz erst im Computerzeitalter sicher belegt wurde – zerstören.

Eine weitere Hypothese, die unter »Voynichologen« aus verständlichen Gründen etwas unbeliebt ist, ist die Annahme einer Fälschung. Eine solche Fälschung enthält keinen sinnvollen Text, soll aber den Eindruck eines sinnvollen Textes erwecken, um für das gefälschte Werk einen Preis zu erzielen oder um mit dem gefälschten Werk Menschen zu beeindrucken – in jedem Fall sollen andere Menschen mit einer Fälschung in die Irre geführt werden. Dabei ist zwischen der Annahme einer modernen Fälschung und der Annahme einer mittelalterlichen Fälschung zu unterscheiden.

Die Annahme einer modernen Fälschung lässt sich leicht behandeln. Diese Fälschung wäre mit riesigem finanziellem und zeitlichem Aufwand erstellt worden, es wären Spuren von drei historischen Restaurationen des Manuskriptes in die Fälschung eingearbeitet worden. Zudem wäre der gefälschte Text in einer Weise erstellt worden, die auch noch mindestens 100 Jahre später eine computergestützte Kryptanalyse und eine Schar sachkundiger Forscher zum Narren hält – das erfordert doch sehr viel Sachkenntnis und vorausschauendes Arbeiten beim Anfertigen der Fälschung. Um vor mindestens 100 Jahren einem Käufer gegenüber einen hohen Preis für den Betrug zu erzielen, wäre ein viel geringerer Aufwand hinreichend gewesen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, dann eine Fälschung mit hohem Aufwand anzufertigen. Da hätte der Betrüger auch gleich arbeiten gehen können… 😉

Das letztere Argument eines übertrieben hohen Aufwandes begegnet auch der Annahme einer historischen Fälschung, hier sogar noch zwingender. Niemand hätte in der frühen Neuzeit oder im Mittelalter auf Eigenschaften der Glyphenfolge geachtet, die sich erst in der Gegenwart erkennen lassen. Um als Quacksalber zu blenden oder einem Sammler des späten Mittelalters das Geld aus der Tasche zu ziehen, wäre auch ein wesentlich einfacheres »Gekrakel« ausreichend gewesen – und einem solchen »Gekrakel« gegenüber hätte Gordon Rugg auch nicht mit so harten Geschützen auffahren müssen, um Indizien für eine Fälschung zu erhalten. Im Gegensatz zur Vorgehensweise bei einer relativ aufwändigen Fälschung wirkt jedoch das gesamte Schriftbild sehr flüssig und liefert nicht das geringste Indiz dafür, dass nebenbei Operationen mit vorbereiteten Hilfsmitteln durchgeführt wurden.

Ich habe den Eindruck, dass die meisten »Voynichologen« nur die beiden Möglichkeiten »Fälschung« oder »herkömmliche Hypothesen« in Betracht ziehen – und natürlich geneigt sind, die Annahme einer Fälschung zu verwerfen.

Es könnte aber noch eine dritte Möglichkeit geben, und diese hätte zur Folge, dass niemals jemand eine Chance hätte, das Manuskript zu lesen, obwohl es sich nicht zwangsläufig um eine vorsätzliche Fälschung handeln muss. Diese Möglichkeit will ich kurz vorstellen, gefolgt von ersten (und wohl eher stümperhaften) Ansätzen, wie man diese Möglichkeit untersuchen könnte.

Entstehung in psychologischer Rückkopplung

Eine unter parapsychologisch Gläubigen manchmal angewendete Technik ist das automatische Schreiben, also das Anfertigen von Schriftstücken unter Umgehung des Bewusstseins, das im Alltag Sprache und Schrift formt. Auch das Voynich-Manuskript könnte auf diese Weise entstanden sein. Angesichts des Erscheinungsbildes würde ich die folgende Hypothese wagen:

  1. Bevor die erste Seite Text entstanden ist, war der verwendete Glyphenvorrat beim Autor schon »fertig«. Ein Großteil dieses Glyphenvorrates fügt sich zwanglos in die damals üblichen Handschriften und in die gängigen Abkürzungen jener Zeit, selbst die ungefähre Form der Gallows ist nicht so ungewöhnlich. Die Autoren waren gewiss mit der Erscheinungsform von Schrift vertraut, bevor sie anfingen.
  2. Die Erstellung einer Seite beginnt damit, dass der Zeichner (es muss nicht der Autor sein) die Illustration einer Seite wenigstens in Umrissen erstellt.
  3. Der Autor des Textes lässt diese Illustration auf sich wirken, und zwar in einer Form, in der er den bewussten sprachlichen Ausdruck des Gesehenen vermeidet. Seine unbewussten Eindrücke führen im automatischen Schreiben zu teilbewussten Bewegungen der Hand, die den Text des Manuskriptes formen. Der Autor »sieht sich dabei zu«, nimmt das Geschriebene wahr und erlebt sich durchaus als einen Schreibenden, obwohl er nicht zu sagen weiß, was er schreibt. Dabei kommt es zu einer psychologischen Rückkopplung, die auch Muster im Text hervorbringt. Insbesondere halte ich es für möglich, dass die auffälligen Verteilungen der Wörter in einer Zeile und über die Seiten in einem solchen Prozess unwillkürlich entstehen können.
  4. Der Schreiber reagiert auf sein eigenes Schreiben, hat die Tendenz, zum Ende oder zu einer Unterbrechung der Zeile durch eine Illustration kurze und besondere Wörter zu benutzen und die Glyphen zu drängen. So sieht zumindest so manche Seite im Manuskript aus.
  5. Abschließend wird die Colorierung vorgenommen. Da manchmal die Farbe Text überdeckt, scheint mir dies erst nach dem Schreiben des Textes wahrscheinlich. Es kann aber auch sein, dass das Werk ursprünglich uncoloriert war und die Farbe bei einer späteren Restauration hinzugefügt wurde.
  6. Der Zeichner und der Autor müssen keinen verschiedenen Personen gewesen sein. Ich gehe aber angesichts der beiden Currier-Sprachen davon aus, dass in jedem Fall zwei Personen beteiligt waren, in deren Unbewusstem sich bei der Anfertigung des Manuskriptes ein überpersonaler Prozess entfaltet haben könnte.

Übrigens ist die Annahme, dass das Manuskript frei von psychischer Krankheit, religiöser Voreingenommenheit, blinder Wundergläubigkeit oder gar langjährigem Drogenabusus entstanden sein soll, nur eine völlig unbelegte Annahme. Als sicher sollte hingegen wegen der gebieterischen Einmaligkeit des Voynich-Manuskriptes gelten, dass der Autor oder die Autoren gesellschaftliche Außenseiter, Sonderlinge ihrer Zeit waren. (Und damit meine Brüder und Schwestern über den trüben Fluss der Jahrhunderte hinweg, denn auch ich bin ein gesellschaftlicher Außenseiter, ein Sonderling meiner Zeit – und leide darunter.)

Wie plausibel ist das?

Ein unbewusster oder teilbewusster psychologischer Prozess, der den Text des Manuskriptes hervorbringt, scheint mir inzwischen wahrscheinlicher als alle ins Nichts führenden Ideen einer genialen mittelalterlichen Verschlüsselung oder einer fernöstlichen Sprache. (Letztere passt überhaupt nicht zu den Illustrationen, die keinen Hauch Fernost enthalten.) Angesichts der Erscheinung des Manuskriptes bin ich mir sicher, dass bei der Niederschrift keine Hilfsmittel außer der Feder und der Tinte verwendet wurden.

Übrigens muss eine solche Entstehung nicht unbedingt mit der Absicht eines Betruges verbunden sein. Der Schreiber kann dabei durchaus im ehrlichen Glauben sein, eine Botschaft offenbart zu kriegen, obwohl sich nur Teile seines Unbewussten in diesem Vorgang äußern. Wenn man gewisse – aus einer Vielzahl von Gründen scharf umstrittene – Annahmen der Parapsychologie nicht vollends verwerfen will, kann man sogar davon sprechen, dass der Autor seinen Text als Offenbarung empfangen hat. Subjektiv, aus der Sicht des Autors, könnte dies der erlebten Wirklichkeit entsprechen. Dieser Vorgang kann sogar eine erhebliche persönliche Bedeutung für den Autor gehabt haben. Wie so manche andere »Botschaft« aus parapsychologischem Kontext hat aber auch dieses psychische Material unserem Bewusstsein nur wenig zu sagen – 100 Jahre Scheitern beim Versuch des Verstehens legen Zeugnis davon ab.

Was hat das mit dem »biologischen« Paradox zu tun?

Auslöser und wahrnehmbarer Anker für die unbewusste, psychische Rückkopplung des von mir postulierten »automatischen Schreibens« ist die anfangs erstellte Illustration. Dort, wo die Illustrationen noch Ähnlichkeiten zu den Erscheinungen des Alltags, etwa zu den Pflanzen oder zu verbreiteten fliegenden Blättern mit astrologischen und kosmologischen Themenkreis hatten, entstand zwangsläufig ein Strom von Assoziationen, der die beobachtete »sprachliche« Formenvielfalt des größten Teiles des Manuskriptes hervorbrachte. Ich vermute, dass im abschließenden Teil ursprünglich 365 Punkte geschrieben wurden, für jeden Tag des Jahres einer – und dass auch so ein sinnlicher Anker für den Prozess gegeben war. Die abstrakten und beispiellosen Illustrationen des »biologischen« Teiles lösten jedoch nur noch ein ungezieltes Rauschen aus, sie produzierten in der Folge eine offensichtlich stümmelige und redundante »Sprache«.

(Ja, ich weiß, auf wie dünnem Boden ich mich mit diesen Annahmen bewege. Ich formuliere und veröffentliche diese in voller Absicht in einem eher unreifen Stadium und hoffe, dass Widerspruch und vielleicht auch Bestätigungen aus der experimentellen Psychologie nicht ausbleiben.)

Ist das beweisbar?

Nur eine Zeitmaschine würde es möglich machen, diese Hypothese zu beweisen. Und auch das nur, wenn wir den Autor ausfindig machen könnten, was vielleicht ein hoffnungsloses Unterfangen ist.

Allerdings kann man versuchen, stützende und widersprechende Belege für die Möglichkeit dieser Hypothese zu finden – diese beweisen gar nichts, sondern lassen »nur« einen Bereich der Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Hypothese zutreffen könnte. Die gleiche Möglichkeit einer abgeschätzten Wahrscheinlichkeit steht für die anderen Hypothesen offen, die damit vergleichbar werden.

Natürlich ist mir bewusst, dass jeder die Wahrscheinlichkeiten anders vergeben wird. In meinen Augen ist zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einzelner des Mittelalters einen leicht anwendbaren, aber unentzifferbaren Code entwickelt hat, der allen Angriffen heutigen technischen Standes widersteht und dass zudem diese Großtat des menschlichen Geistes nicht sofort eine militärische (und historische Spuren hinterlassene) Nutzung gefunden hat, nahe Null. Etwas wahrscheinlicher erscheint es mir da schon, dass wir es mit einer Aufzeichnung in einer heute ausgestorbenen Sprache Europas zu tun haben. Verwunderlich ist es aber schon, dass diese Sprache so ungewöhnliche Eigenschaften hatte (das könnte man aber auch noch über die unzweifelhaft existierende baskische Sprache sagen) und sich nicht des allgegenwärtigen lateinischen, des verbreiteten kyrillischen oder des ebenfalls möglichen arabischen oder griechischen Alphabetes für ihr Schriftsystem bediente, sondern ein eigenes entwickelte, das nirgends eine historische Erwähnung fand oder eine deutliche Spur hinterließ. Diese Wahrscheinlichkeit ist zwar größer als Null, aber nicht viel…

Aber womit stützt man die Wahrscheinlichkeit für die Annahme eines skurillen, vielen Menschen geradezu absurd erscheinenden psychologischen Mechanismus?

Am besten mit Beispielen.

Eine Botschaft in der Sprache der MarsbewohnerIm Jahre 1891 wurde das Medium Hélène Smith von Theodore Flournoy, einem Psychologen, untersucht. Grund für die Untersuchung waren ihre postulierten Fähigkeiten, die Zukunft vorherzusagen und Botschaften aus anderen Welten zu »channeln«. Sie hatte dramatisch geführte Gespräche mit Personen, die außer ihr niemand sah und konnte nach eigenen Angaben Objekte durch reine Geisteskraft bewegen.

Der Psychologe sah diese Fähigkeiten berufsbedingt etwas anders und sprach davon, dass sie unter Tagträumen an der Grenze zur Halluzination litt, aber er musste auch einräumen, dass einige ihrer Fähigkeiten recht beachtlich waren.

Eine ihrer Fähigkeiten war zum Beispiel die telepathische Kommunikation mit den Bewohnern des Planeten Mars. Sie lernte dabei die Sprache und Schrift der Marsianer, letztere brachte sie auch durch automatisches Schreiben hervor. Das Schriftbild war für unsere Augen nicht so zum Schreiben geeignet, aber die Sprache, die in diesem psychischen Prozess völlig an ihrem Bewusstsein vorbei entstand – wir wissen ja heute, dass der Mars bestenfalls Wesen auf dem Entwicklungsstand von Einzellern beherbergt – hatte eine echte Grammatik, einen konsistenten Wortschatz und eine beachtliche Ausdruckskraft. Wenn die bei der Untersuchung teilweise analysierte Sprache nicht eine starke grammatikalische Ähnlichkeit mit Hélène Smiths französischer Muttersprache gehabt hätte, denn hätten die Untersucher gewiss vor einem noch größeren Rätsel gestanden.

Kurz: Niemand unterschätze die Fähigkeit des Unbewussten zu schöpferischer Leistung! Geschichten über den bewohnten Mars (man konnte ja die Jahreszeiten im Teleskop sehen) und seine Lebensbedingungen waren damals populär, und die Parapsychologie stand in wildester Blüte. Der Rest entstand in einem psychologischen Prozess. Dass Frau Smith von ihren Séancen gut leben konnte, belegt in meinen Augen nicht, dass es sich um eine bewusste Betrügerin handelt – schon gar nicht angesichts der Ergebnisse der psychologischen Untersuchung. Es hatte auch durchaus noch nicht den Ruch des Betruges, wenn jemand von seinen Séancen lebte.

Ein anderes Beispiel ist der wohl über jeden Betrugsverdacht erhabene und im Alltag völlig unauffällige James Hampton mit seinem visionären (oder irrsinnigen) Werk und seinen bis heute ungelesenen »Offenbarungen«, die auch eine gewisse innere Konsistenz zu haben scheinen. Dieses Beispiel hat einen derart aufdringlichen Voynich-Geschmack, dass es mir schon ein paar Worte in diesem Blog wert war.

Die Wahrscheinlichkeit für einen rein psychologischen Prozess ist also um einiges höher als die Wahrscheinlichkeit der üblichen Hypothesen, und der Misserfolg von 100 Jahren Forschung zeigt leider die Schwächen jener Hypothesen, die zur Grundlage der Forschung geworden sind.

Ein Beweis ist es nicht, nur eine Wahrscheinlichkeit.

Ist eine Forschung möglich?

Ja, es ist immer eine Forschung möglich. Hierbei sollte untersucht werden, ob das Unbewusste eines Menschen Voynich-artige Artefakte erzeugen kann, wenn es geeignet stimuliert wird.

Allerdings kann kein Voynich-Manuskript-Forscher diese Forschungen durchführen. Wir sind alle zu belastet und würden das hervorbringen, was wir uns längst verinnerlicht haben. Eine solche Untersuchung müsste von unbelasteten Menschen an unbelasteten Menschen durchgeführt werden. Ich schlage ungefähr das folgende, auf eine etwas langfristigere Untersuchung angelegte Programm vor:

  1. Man nehme sich eine Gruppe von freiwilligen Versuchspersonen und täusche sie über den wirklichen Forschungsgegenstand, indem man ihnen erzählt, dass es um Symbolverarbeitung nach dem allsinnlichen Prinzip geht.
  2. Diese Versuchspersonen werden zu Anfang mit verschiedenen Schriftsystemen aus normalen Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts (nicht Voynich!) konfrontiert. Sie sehen, wie diese Schriften aussehen, erfahren dabei nebenbei etwas über den Symbolvorrat und sie werden angeleitet, diese Schriften mit einer Feder zu reproduzieren. Wenn in den vorgelegten Dokumenten eine Sprache verwendet wird, die sie nicht verstehen, kann das hilfreich sein – schließlich sollen sie keine neue Schrift für ihre gewöhnliche Sprache lernen.
  3. Im nächsten Schritt werden die Versuchspersonen dazu aufgefordert, mit dem Schreibgerät, dass sie jetzt schon kennen, eigene Schriftzeichen zu entwerfen, die sie persönlich leicht und gut schreiben können. Dabei können sie natürlich auch die Schriftzeichen verwenden, die sie zuvor kennengelernt haben, sie können diese aber auch abwandeln und an ihre Vorlieben anpassen. Dabei entsteht hoffentlich ein Zeichenvorrat, der unabhängig von üblichen Alphabeten ist. Schon dieser ist interessant…
  4. Schließlich sollen die Versuchspersonen mit ihrem eigenen Zeichenvorrat vertraut werden, Zeichen aneinander hängen, die nach ihrem Gefühl gut zueinander passen, ein wenig damit herumspielen, ohne sich über den Sinn ihres »Kritzelns« viele Gedanken zu machen. Sie sollen einfach nur das Gefühl flüssigen Schreibens bekommen.
  5. Zu guter Letzt bekommen die Versuchspersonen eine Aufgabe. Sie bekommen einige Blätter vorgelegt, auf denen Zeichnungen sind. Einige dieser Zeichnungen sind abstrakt, aber viele erinnern an Erscheinungen der natürlichen Umwelt wie Bäume, Blumen, Tiere. In diese Zeichnungen sollen sie ihre »Texte« hineinschreiben – es wird wohl ein bisschen Vorbereitung brauchen, bis das problemlos geht.
  6. Diese Texte sind das erzeugte »harte« Datenmaterial. An ihnen wird der verwendete Zeichenvorrat, der Aufbau der entstandenen »Sprache« und ihrer »Wörter« (ich bin mir sicher, dass Leerräume entstehen, die den Eindruck von Wörtern erwecken) analysiert. Ferner wird überprüft, ob innerhalb der Zeilen und innerhalb der Seiten gewisse Verteilungsmuster auftreten. Kurz: Es wird alles darauf »losgelassen«, was wir schon auf das Voynich-Manuskript losgelassen haben.

Wenn dabei etwas entstünde, was auch nur eine messbare Ähnlichkeit zum Text des Voynich-Manuskriptes hat, denn wäre das ein sehr starker Beleg für die Entstehung des Textes aus einem psychologischen Mechanismus heraus. Wenn sich ferner zeigt, dass der »Text« bei völlig abstrakten Darstellungen »verarmt« und eine hohe Redundanz bekommt, würde ich mich völlig bestätigt fühlen.

Natürlich müsste man ein solches Experiment, um es »wasserdicht« zu machen, sehr genau planen und durchführen, um jede Beeinflussung der Versuchspersonen im Experiment zu vermeiden. Ich kann es nicht durchführen, aber vielleicht ist ja da draußen jemand, der sich meinem verhassten Lieblingsbuch einmal auf wirklich ungewöhnlichen Pfaden nähern will… 😉

Es gibt ganz gewiss keinen Ruhm zu ernten.

(Schon gar nicht von »Voynichologen«…)

Thema: Esoterik, Kunst, Spekulation, Zeichnungen | Kommentare (3) | Autor:

Wenn es im Texte blüht

Dienstag, 10. März 2009 17:17

Nur, um einmal so eine kleine Sackgasse aufzuzeigen, in die man immer wieder rennt, wenn man sich mit dem Voynich-Manuskript beschäftigt…

Es kommt vor allem im pflanzenkundlichen Teil des Voynich-Manuskriptes immer wieder vor, dass der Text durch die Zeichnung einer Pflanze unterbrochen wird, wie zum Beispiel hier auf der Seite f17r:

Eine Unterbrechung des Textflusses durch eine Pflanze

Und jedes Mal, wenn ich versuche, mein unlesbares Lieblingsbuch zu »lesen«, kommt es vor, dass ich darin Dinge sehe, die sich bei einer genaueren Untersuchung in Nichts auflösen.

So auch heute.

Als ich die Seite f17r betrachtete, war ich eher am (mutmaßlich lateinischen) Text am oberen Rand dieser Seite interessiert, der mit den Worten »mallior allor« zu beginnen scheint und sich dann in die zunehmende Unlesbarkeit auflöst. Genau genommen, wollte ich nachschauen, ob dieser Text vom gleichen Schreiber geschrieben sein könnte, der auch den Text auf Seite f116v verfasste und ferner, ob es Ähnlichkeiten zwischen dieser Handschrift und der Handschrift der Monatsnamen im Tierkreis gäbe. Wie so oft, hat sich diese kleine Untersuchung in der Beliebigkeit solcher Interpretationen aufgelöst und kein »hartes« Ergebnis zutage gefördert.

Die Augen in den Wurzeln der Pflanze auf Seite f17rDoch ich schaute mir die relativ gewöhnlich aussehende Pflanze mit ihren enigmatischen, in roter Farbe gezeichneten »Wurzelaugen« noch einmal in aller Ruhe an. Dabei fiel mein Blick ganz unwillkürlich auch auf den Text, dessen Fluss im zweiten und dritten Absatz von den Blüten und Blütenstängeln unterbrochen wird.

Und plötzlich glaubte ich, etwas Auffälliges zu sehen. Ausgerechnet auf einer Seite, auf der sogar die Wurzeln Augen bekommen haben, fiel mir ein eigentümlicher »Weirdo« auf, eine Mischung aus »d« und »g« in EVA, der in der vierten Zeile des Textes unmittelbar vor der Blüte auftaucht.

Der Weirdo in der vierten Zeile, im Wort opydgUnd dann fand ich es weiter etwas auffällig, dass eine »g«-artige Form mitten in einer Zeile auftritt. Ich bin es gewohnt, dass die besonderen Glyphen »m« und das viel seltenere »g« gehäuft am Ende einer Zeile auftreten, und ich habe mich schon oft gefragt, warum das so ist. Es ist ja für mich völlig klar, dass es eine Stuktur innerhalb der Zeilen gibt, die gewissermaßen die Wörter innerhalb einer Zeile »sortiert«, und ich weiß auch, dass jeder Versuch einer Entschlüsselung diese Erscheinung in Betracht ziehen sollte, aber ich kann mir immer noch keinen Reim darauf machen. (Vielleicht ist es auch eine formale Eigenart einer mir unbekannten Form der Lyrik…)

Ich schaute mir daraufhin die anderen Wörter an, die dort stehen, wo der Textfluss durch die Pflanze unterbrochen wird. Es handelt sich um die Wörter »okchom«, »opdyg«, »cphaldy«, »chetey«, »zepchy«, »ykchy«, »chypcham«, »mdol« oder »ymdol« und »daiin«. Mit Ausnahme des recht gewöhnlichen »daiin« und des auch manchmal auftretenden »ykchy« sind dies in ihrer Überzahl sehr ungewöhnliche Wörter im Manuskripte.

Und deshalb war ich auf einmal »alarmiert«.

(Für jene, die sich jetzt wundern: Nach einigen Jahren Beschäftigung mit diesem »verdammten Manuskript« bekommt man ein sehr genaues Gefühl dafür, welche Wörter darin »ungewöhnlich« sind und muss kaum noch nachschlagen. Aber die Regeln, die man unbewusst wahrnimmt und die sich in diesem Gefühl verdichtet haben, lassen sich nur sehr schwierig in einer Weise formulieren, aus der sich ein Algorithmus für einen Computer machen lässt. Ich arbeite aber immer noch daran.)

Es erschien mir so, als würde der Umbruch des Textes durch eine Pflanze auf den Text rückwirken, als würde er »ungewöhnliche« Wörter »erzeugen«. Das war nun eine Erscheinung, die ich so noch nie wahrgenommen hatte und die einer kurzen Untersuchung würdig war.

Als erstes schrieb ich mir ein kleines Skript, das Wörter extrahiert und zählt, die vor dem Umbruch durch eine Pflanze auftauchen. Dieses Skript setzt die eingebetteten Kommentare voraus, wie sie in Jorge Stolfis interlinearem Archiv üblich sind. Mit Hilfe dieses Skriptes und meines Tools viat erzeugte ich dann eine Liste von Wörtern aus der vollständigen Transkription von Takeshi Takahashi, die im pflanzenkundlichen Teil vor einer Pflanzenzeichnung im Textfluss auftauchen. Die Kommandozeile dafür ist recht einfach:

viat -t H -i H | perl plantbreak.pl

Als Ergebnis der Ausführung des Skriptes entstehen zwei Dateien.

  • allstat.txt
    In dieser Datei finden sich alle Wörter nach Häufigkeit sortiert, die im gesamten untersuchten Text erscheinen.
  • bplant.txt
    In dieser Datei finden sich die Wörter nach Häufigkeit sortiert, die vor einer gezeichneten Pflanze erscheinen.

Leider sind die ersten zwanzig Zeilen der »Wörter vor den Pflanzen« denn doch nicht mehr so alarmierend, sie sehen so aus:

62    daiin
50    dy
43    s
20    cthy
19    dal
17    dain
15    dam
14    oky
14    dar
13    ol
13    sy
13    aiin
12    d
10    y
9     dan
9     qoty
9     chy
8     chdy
8     or
8     chckhy

Das allgegenwärtige »daiin« ist auch hier an der Spitze. Aber immerhin zeigt sich hier doch eine etwas andere Verteilung von Wörtern als im normalen Textfluss:

474   daiin
234   chol
159   chor
159   s
141   dy
128   or
115   dar
112   shol
107   aiin
105   chy
98    cthy
96    sho
92    ol
85    dain
75    y
73    chey
70    shy
69    ar
67    chedy
67    shor

Die zunächst offenbare, andere Verteilung der Wörter relativiert sich aber schnell, wenn man einen Blick in das Manuskript wirft. Sehr häufig sind die Wörter vor einer Pflanze nämlich auch die letzten Wörter einer Zeile, und diese sind oft ungewöhnlich. (Vor allem häufen sich hier die auf »m« endenden Wörter, ganz so, als sei dieses »m« eine Abkürzung, die verwendet wird, wenn der Raum auf dem Pergament eng wird.)

Dennoch habe ich ein weiteres Experiment angehängt, da ich einmal wissen wollte, wie sich die Endglyphen auf die Wortlisten verteilen. Auch hierfür verwende ich wieder ein sehr einfach gestricktes Skript.

Bei der Wortliste mit allen Wörtern des pflanzenkundlichen Teiles sieht die Verteilung auf die Endglyphen so aus:

a    30       0.26%
c    2        0.02%             
d    234      2.06%
e    45       0.40%
f    11       0.10%     
g    40       0.35%
h    39       0.34%
i    2        0.02%
k    26       0.23%
l    1666    14.66%
m    370      3.26%
n    1840    16.19%
o    491      4.32%
p    11       0.10%
r    1894    16.67%
s    497      4.37%
t    28       0.25%
x    1        0.01%
y    4138    36.41%

Die gleiche Liste für die Wörter vor den Pflanzen zeigt einige charakteristische Abweichungen:

a    5        0.44%
d    55       4.85%
e    1        0.09%
f    1        0.09%
g    4        0.35%
h    9        0.79%
i    1        0.09%
k    1        0.09%
l    140     12.35%
m    72       6.35%
n    202     17.81%
o    19       1.68%
r    76       6.70%
s    87       7.67%
t    2        0.18%
y    459     40.48%

Am augenfälligsten ist dabei vielleicht die doppelt so hohe Häufigkeit der Glyphen »m« und »d«, die im ähnlichen Umfang erhöhte Häufigkeit der Glyphe »s« und das etwas häufigere »y«. Es ist also etwas »anders« vor den Pflanzen, und dies lässt sich schon mit sehr einfachen Mitteln aufzeigen.

Aber so lange sich dieser Effekt mit den Effekten am Zeilenende überlagert, ist er für sich zu wenig aussagekräftig. Ich werde allerdings noch weitere Experimente in dieser Richtung machen und mir einmal anschauen, ob sie irgendwohin führen…

Thema: Hacking | Kommentare (2) | Autor:

Das Voynich-Manuskript bei der GWUP

Montag, 2. März 2009 5:17

Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass ich mich schon ein bisschen erschrocken habe, als ich eben wegen einer ganz anderen Sache die Seiten der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften (GWUP) aufsuchte und dort einen Artikel über mein verhasstes Lieblingsbuch unter den Themen fand. Ja, ich fühlte mich einen Moment lang wie ein angehender Parawissenschaftler… 😉

Aber der Text ist alles andere als schlecht und jede Beschäftigung mit dem Thema verdammend – im Gegensatz zur Astrologie oder Homöopathie hat die Beschäftigung mit dem Voynich-Manuskript doch immerhin noch eine reale Substanz, die in Yale herumliegt. Der Artikel auf den Seiten der GWUP ist eine kurze und für die meisten Menschen ausreichende Einführung in das Manuskript und die damit verbundene Geschichte des Scheiterns aller bisherigen Ansätze in der Entschlüsselung – und zwar mit einem Abschluss, dem ich nur zustimmen kann:

Nach fast 100 Jahren Voynich-Manuskript-Forschung bleibt also nur die Erkenntnis, dass fast alle zentralen Fragen zu diesem Thema ungelöst sind. Das Voynich-Manuskript gilt daher als das bedeutendste Verschlüsselungsrätsel überhaupt. […] Ein (mutmaßlich) 500 Jahre altes, in Gänze verschlüsseltes und unentziffertes Buch ist daher absolut einzigartig.

In der Tat, das macht es ja auch so hoffnungslos und faszinierend zugleich

Bei einem Blick auf die zahlreichen Veröffentlichungen zum Voynich-Manuskript fällt auf, dass sich bisher vor allem Hobby-Forscher und Laien mit dem rätselhaften Dokument beschäftigt haben. Sachkundige Wissenschaftler sind dagegen eher spärlich vertreten. Es gibt daher durchaus noch Raum für weitere Untersuchungen. Dabei ist eines klar: Auch ohne pseudowissenschaftliche Theorien und abenteuerliche Spekulationen ist das Thema Voynich-Manuskript spannend genug.

Ganz so schlimm ist es aber auch wieder nicht. Sicher, ich bin der typische Hobby-Forscher und Laie, aber darin auch eine gewisse Ausnahme. Dass sich so wenig »richtige« Wissenschaftler mit dem Manuskript beschäftigen, liegt sicher auch daran, dass dort wahrscheinlich nicht viel Ruhm zu ernten ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass der »Text« nennenswerte neue Einblicke in seine Zeit gibt, kommt mir eher gering vor – im besten Fall handelt es sich um einen interessanten »Eso-Schinken«. Von den Schwierigkeiten, die für diese eher geringen Einsichten überwunden werden müssen, legt die bisherige Geschichte des Scheiterns beredtes Zeugnis ab. Von der riesigen Gefahr, sich in der Sackgasse einer Selbsttäuschung zu verrennen, überzeugt einem schnell die Verranntheit Newbolds oder Brumbaughs, die beide in Verfahren endeten, mit deren Hilfe sich wohl alles im Text lesen lässt – und dann eifrig ihre eigenen Wünsche und Gedanken als Ergebnisse der Forschung präsentierten. Wer sich davon wirklich nicht abschrecken lässt, der hat wohl keinen wissenschaftlichen Ruf mehr zu verlieren… 😉

Und ich fühle mich doch nicht mehr wie ein Parawissenschaftler, sondern doch wieder mehr wie ein »Freak«, der bei seinem Vorhaben vor der Aufgabe steht, gleichzeitig einen offenen Geist und einen klaren Verstand zu bewahren, und der dabei doch vor gewissen psychologischen Abgründen auf der Hut sein muss.

Aber dass so viele Wissenschaftler immer wieder der Arbeit Gordon Ruggs so viel Glaubwürdigkeit zubilligen, obwohl sein (vielleicht ausbaufähiges) Verfahren etliche belegte Strukturen (vor allem die rätselhafte Glyphenverteilung innerhalb der Zeilen und der Seiten) des richtigen Manuskriptes gar nicht reproduzieren konnte, das fällt schon wieder einmal auf. Ob es wohl daran liegt, dass die »Nonsens-Hypothese« die Anomalie dieses Manuskriptes auf elegantem Wege zur Unbeachtlichkeit erklärt?

Thema: Kommunikation | Kommentare (0) | Autor:

Der große Frust

Sonntag, 1. März 2009 0:51

Es ist nicht leicht möglich, sich rationell dem Anomalen zu nähern. Wenn sich ein Mensch einer Erscheinung gedanklich annähert, denn tut er dies in der Regel, indem er Muster darin sucht, um aus diesen Mustern eine Einsicht in die Beschaffenheit des Gegenstandes zu erhalten. Im Idealfall bekommt ein Mensch während dieses Unterfangens nach und nach aus seinen Irrtümern und weiter führenden Hypothesen das Gefühl, einen »festen Boden« unter den Füßen zu bekommen, und von dort ausgehend geht es dann voran, bis im Idealfall eine Einsicht zustande kommt.

Nehmen wir einmal ein Beispiel aus meinem Leben.

In der Mitte des Jahres 2000 stellte ich auf digitalen Fotografien im Internet und später auch auf solchen eines Freundes gelegentlich etwas fest, was wie schwach glimmende Kügelchen mit einer undeutlichen, inneren Struktur aussah. Natürlich durchsuchte ich daraufhin erst einmal das Internet, um eine Aufklärung zu finden. Dort fand ich nach kurzer Zeit Einiges zum Thema. Ich »lernte«, dass diese Leuchterscheinungen »Orbs« genannt wurden, und ich »lernte«, dass viele Menschen der Meinung waren, es handele sich hier um ein paranormales Phänomen. Angesichts der großen Anzahl solcher Bilder konnte ich die paranormale Hypothese nicht glauben, zumal die »Orbs« neben ihrer Fähigkeit, auf Fotos aufzuscheinen, keinerlei reproduzierbare Wechselwirkung mit der Umwelt zeigten. (Die immer wieder behauptete »Wahrnehmung« der »Orbs« durch Haustiere erwies sich bei erster Durchsicht des Bildmateriales als Haufen interpretierter Zufälligkeiten, es gab außerordentlich viele Bilder, auf denen die Hunde und Katzen mit offensichtlicher Gleichgültigkeit auf die »Orbs« reagierten.)

Aber es hatte mich gepackt, und so wollte ich erfahren, was es mit den »Orbs« wirklich auf sich hat. Sie tauchten ja auch auf Fotos eines Freundes auf, und ich setzte mich mit einer Mail mit diesem Freund in Kontakt, verwies auf ein im Internet veröffentlichtes Bild von ihm und fragte ihn, welchen Reim er sich auf die fahle Leuchterscheinung machen könnte. Er war zunächst genau so ratlos wie ich, hatte so etwas öfter einmal gesehen, aber deshalb die Fotos eher als »unbrauchbar« aussortiert. Zum Glück hatte er seine Fotos archiviert, und ich bat ihn, einmal einen flüchtigen Blick in sein Archiv zu tun, damit wir vielleicht Genaueres über diese »Erscheinungen« erfahren – dabei habe ich die »paranormale Hypothese«, die ich auf englischsprachigen Websites kennen lernte, bewusst nicht erwähnt.

Mein Freund nahm sich tatsächlich zwei Stunden Zeit für diese kleine Frage, und am Ende standen folgende Einsichten:

  • Er fotografierte damals sowohl digital (für das Internet) als auch auf klassischem Filmmaterial, aber alle »Orbs« sah er nur auf digitalen Fotos.
  • Die meisten »Orbs« wurden dann sichtbar, wenn Fotos aus Kneipen, Distotheken oder ähnlichen Etablissments im Betrieb geschossen wurden – dies machte er vor allem für die Internet-Arbeit.

Das war ja schon einmal ein Muster. Im nachfolgenden Mailverkehr kamen wir auf die Idee, einmal die EXIF-Daten in den Digitalfotos mit »Orbs« zu betrachten, um vielleicht einen weiteren Hinweis auf die Natur dieser Erscheinung zu bekommen.

Dabei stellte er fest, dass alle »Orbs« in seinen Fotos auf Blitzlichtaufnahmen erschienen, und zwar vor allem unter ungünstigen Lichtbedingungen.

Wir bildeten die Hypothese, dass es sich um defokussierte Staubteilchen handeln könnte, die vom Blitzlicht angeschienen werden. Die scheinbare Ausdehnung dieser »Orbs« wäre dann ein Effekt der Unschärfe. Mit dieser Hypothese war es meinem Freund sofort möglich, ein paar typische »Orb«-Fotos zu reproduzieren, indem er seine Kamera im Halbdunkel vor einer staubigen Matratze platzierte, auf die er vorm Auslösen einige Male mit seiner Hand schlug. Jetzt erst machte ich meinen Freund auf die teils recht esoterischen Deutungen des Phänomens aufmerksam, und wir lernten beide eine Menge darüber, wie sich Menschen eine unverstandene Erscheinung zurechtinterpretieren konnten.

So eine schnelle Einsicht ist ein Idealfall. Es war nicht viel »Forschung« erforderlich, um die Muster in der Erscheinung zu erkennen und um auf diesem Wege eine befriedigende Erklärung zu bekommen. Viel mehr fanden wir es beide erstaunlich, mit wie großem Ernst Menschen teilweise absurde Thesen vertreten, ohne auch nur einen Moment lang über mögliche andere Erklärungen nachzudenken. Die schiere Menge der »Orb«-Fotos hätte jeden darauf bringen können, dass es sich um etwas sehr alltägliches handeln musste.

(Später machte mein Freund auch »Orb«-Fotos bei Nieselregen, hier sind es allerdings feine Wassertröpfchen, die als »Orbs« erscheinen. Das Resultat ist sehr ähnlich. Wenn wir das wollten, könnten wir die Leichtgläubigkeit vieler Menschen ausnutzen, indem wir auf Bestellung »paranormale« Fotos anfertigen, aber diese Art »Geschäft« verachten wir.)

So weit eine kleine Erfolgsgeschichte.

Beim Voynich-Manuskript kann ich nicht einmal eine kleine Erfolgsgeschichte berichten. Der große Erfolg, ein endlich gelesenes und verstandenes Manuskript, liegt in noch größerer Ferne.

Denn das Voynich-Manuskript ist anomal. Es bleibt anomal, gleich, auf welcher Ebene es betrachtet wird. Das erschwert jede Beschäftigung mit dem »verdammten Manuskript«.

Das verwendete Schriftsystem ist einzigartig und nirgends anders belegt. Es hat dabei aber Ähnlichkeiten zu üblichen lateinischen Schriften und gängigen Abkürzungen des spätmittelalterlichen Europas.

Der »Text« weist zwar verheißungsvolle und sehr deutliche Regelmäßigkeiten in der Wortbildung auf, aber ein großer Anteil des Textkörpers weicht von diesen Regeln ab. Diese Abweichungen verteilen sich völlig unregelmäßig im Manuskript, nur das erste Wort einer pflanzenkundlichen Seite ist beinahe immer unregelmäßig gebildet.

Die innere Struktur der regelmäßig gebildeten »Wörter« erinnert an natürliche Sprachen, passt aber zu keiner Sprache, die im europäischen Raum Spuren hinterlassen hat.

Die Illustrationen scheinen reine Fantasiegebilde zu sein, sie lassen sich nicht biologischen, astronomischen, astrologischen oder esoterischen Erscheinungen außerhalb des Manuskriptes zuordnen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht gelegentlich starke Ähnlichkeiten zu wirklichen Erscheinungen hätten.

Nach einigen Jahren mit dem »verdammten Manuskript« habe ich zumindest eines gelernt: Wann immer ich nach einem erkannten Muster greife – wie etwa den »harmonischen Regeln« für die Glyphenfolge – führt dieser Weg in eine Sackgasse. Die Regelmäßigkeit des Manuskriptes ist vorhanden, und sie deutet an, dass sich Bedeutung in ihr verbirgt, dass es sich nicht um eine zufällige Folge von Glyphen handelt. Aber die Ausnahmen von diesen Regeln verteilen sich völlig willkürlich über das Manuskript und machen jeden Versuch zunichte, weitere Einsichten zu gewinnen.

Es ist frustrierend.

Und dieser Frust greift nicht nur nach mir, sondern nach jedem Menschen, der sich mit dem Voynich-Manuskript beschäftigt. Seit etlichen Jahrzehnten beschäftigen sich Menschen von hohem akademischen Bildungsgrad, Spezialisten aller Art sowie diverse wissenschaftliche Laien wie ich mit diesem Buch, ohne dass auch nur die Spur einer Einsicht in die Bedeutung des Textes entstanden ist. Was uns allen bleibt, ist der begründete Glaube, dass der Text wohl wenigstens für seinen Schreiber eine Bedeutung gehabt haben wird – und auch der begründetste Glaube kann nicht eine rationelle, belegbare, zu Ergebnissen führende Einsicht ersetzen.

Anfangs, als ich das Problem unterschätzte, war ich noch etwas motivierter. Die flüchtige Schrift, die nicht nach einem schweren Rätsel aussah, hatte mich in den Bann gezogen, hatte mir durch die Jahrhunderte zugeflüstert, dass sie leicht zu schreiben gewesen sei, gar nicht nach einem Code aussieht und dass sie deshalb wohl auch leicht zu lesen sein würde.

Selbst darin widerspricht sich dieses Manuskript selbst.

Und manchmal halte ich das für die eigentliche Botschaft. Manchmal glaube ich, dass ich ein großartiges Kunstwerk vor mir sehe – nicht das »sinnlose Geschwafel«, das einige Forscher gern im Voynich-Manuskript sehen würden, sondern ein aufwändig und sehr genau und überlegt geschaffenes Werk, das mit allen Aspekten der menschlichen Wahrnehmung spielt, um ihr die Grenzen aufzuzeigen. Denn das erklärt für mich noch am besten, was im Voynich-Manuskript vor mir liegt.

Und dann verfolge ich doch wieder eine neue Idee, um mich schon nach kurzer Zeit in der inzwischen sehr vertrauten Sackgasse wiederzufinden…

So gut ist dieses Kunstwerk. 😉

Thema: Interpretation, Kunst | Kommentare (1) | Autor:

Thoughts about the VMs

Donnerstag, 15. Januar 2009 15:44

Frisch in den Links angekommen ist das ebenfalls noch recht frische, aber doch schon viel versprechende Blog »Thoughts about the Voynich Manuscript« von Elmar Vogt in englischer Sprache. Wer gern und mühelos Englisch liest, sollte doch regelmäßig vorbeischauen – oder sich gleich den RSS-Feed abonnieren.

Thema: Kommunikation | Kommentare (0) | Autor:

Süddeutschland

Dienstag, 18. November 2008 23:47

Es mag eine völlig willkürliche Interpretation sein, die ja so leicht dort entsteht, wo das Bewusstsein im Unverstandenen nach Sinn und Ordnung sucht, aber mich erinnern die sechs Türme der Stadt im Zentrum der großen sechsseitigen Ausfalt-Illustatrion…

Welche Stadt mag da wohl im Zentrum liegen?

…gerade sehr aufdringlich an die Form der Kirchtürme in Süddeutschland. Dass mir das noch nicht vorher aufgefallen ist!

Schade nur für den schnellen Gedanken, dass die Kirchen nicht um die Städte herum gebaut werden, sondern meist im Zentrum einer Stadt stehen. Dennoch könnte ein solcher Anblick das Vorbild für diesen zeichnerischen Stil gewesen sein.

Thema: Zeichnungen | Kommentare (3) | Autor:

Alte vietnamesische Handschriften?

Dienstag, 4. November 2008 2:10

Zu den sonderbaren Tatsachen der scheinbaren »Sprache« des Voynich-Manuskriptes gehört es (unter anderem), dass die statistischen Eigenschaften dieser »Sprache« mit keiner europäischen Sprache vergleichbar sind, aber sehr wohl mit einigen fernöstlichen Sprachen, zum Beispiel der chinesischen. Die Theorie, dass es sich beim »Text« des Manuskriptes um eine phonetische Notation einer fernöstlichen Sprache handeln könnte, ist schon recht alt, aber bis heute diejenige Erklärung unter der Annahme einer natürlichen Sprache, die mit dem Textkörper am besten in Übereinstimmung steht.

Zwei Punkte widersprechen der »chinesischen Theorie« aber recht deutlich.

Zum ersten sind die Illustationen im Manuskripte völlig sicher europäisch und fügen sich recht zwanglos in ähnliche europäische Kompendien des astrologischen, kosmologischen, biologischen und medizinischen Wissens, dies aber nicht, ohne dabei einen Satz völlig einmaliger Besonderheiten aufzuweisen. (Insbesondere die Nymphen in den Röhrensystemen sind eine völlig einmalige und damit schwer deutbare Formensprache, für die sich bislang kein vergleichbares Beispiel gefunden hat.) Wie es nicht anders bei diesem Manuskript zu erwarten wäre, hat dieser Teil der Formensprache auch keine fernöstliche Tradition.

Zum zweiten verfügen die fernöstlichen Sprachen schon seit vielen Jahrhunderten über ein Schriftsystem, das völlig anderen Prinzipien folgt als das im Manuskripte anzutreffende System. Im Falle der chniesischen Sprache hat sich die bronzezeitliche, logografische Schrift vor allem deshalb erhalten, weil sie als exquisit nicht-phonetische Notation eine gemeinsame Schriftsprache über eine Vielheit gegenseitig unverständlicher Dialekte des Chinesischen geschaffen hat – wenn auch um den hohen Preis eines breiten Analphabetismus, da das Erlernen dieser Schrift ausgesprochen schwierig ist. Es würde doch ein wenig verwundern, wenn aus diesem Kulturraum ein Zeugnis eines alternativen Schriftsystemes entstanden wäre, dessen einziger Überrest von so deutlich europäischer Prügung ist.

Nun, das mit dem einzigen Überrest muss nicht unbedingt stimmen. Jorge Stofi hat der englischsprachigen Mailingliste vor kurzem ein bemerkenswertes Fundstück mitgeteilt, ein Foto einer alten Handschrift der vietnamesischen Sprache. (Diese Sprache teilt viele Gemeinsamkeiten mit der chinesischen.) Und das sieht doch recht »vertraut« aus, wenn man den Maßstab europäischer, phonetischer Schriftsysteme daran anlegt.

(Es sieht aber leider nicht so vertraut aus, dass man sofort einen Verwandten des Schriftsystemes im Voynich-Manuskript darin zu erblicken wähnt. Aber es zeigt, dass die »chinesische Theorie« gar nicht so abwegig sein muss.)

Thema: Spekulation | Kommentare (0) | Autor:

Bellasos Herausforderung

Samstag, 18. Oktober 2008 20:58

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qylp hqfq dimtu ibgs xelc hgsh zumh qbxa xcqt pilb ocud slgl
hgdh uhpd hbxe fltq yayg bdcle gmtn umni utpl tufq bdzo sfzb
yezd xnqc opcy pyhq efso zsbm ornd hudc nulr ryrn pxlnu tgdaz

Hinweise [zur Transkription]:

  1. Der erste Buchstabe ist als Majuskel geschrieben, genau wie im Original
  2. Buchstaben, die von einem Asterisk (*) gefolgt werden, sind mit einer Markierung über dem Zeichen versehen, diese mag absichtsvoll sein oder auch nicht.
  3. Der Apostroph in der dritten Zeile in »omd‹a« entspricht dem Original.
  4. »s« ist im Original ein »f« ohne den horizontalen Strich.

Dies ist ein Code aus dem Jahr 1555, der bis heute nicht gelesen ist. Es stammt aus dem Kryptographie-Handbuch von Giovan Battista Bellaso, das im Jahre 1553 in erster Ausgabe veröffentlicht wurde. Die beiden folgenden Ausgaben aus dem Jahren 1555 und 1564 enthielten einige verschlüsselte Texte als Herausforderung für die Leser des Handbuches. Die drei verschlüsselten Texte des Jahres 1555 kamen ohne weitere Anmerkung, doch in der Ausgabe von 1564 wurde diesen Beispielen für die Kunst der Kryptografie eine Anmerkung vorweg gestellt:

Die sieben angehängten Mitteilungen wurden sorgfältig nach Vorgabe der hier gelehrten Konzepte erstellt. Sie enthalten einige wunderschöne Dinge, die zu wissen interessant ist. Damit soll den erfahrenen und einfallsreichen Kryptographen die Möglichkeit gegeben werden, um eine Lösung dieser Verschlüsselung zu ringen; insbesondere jenen, die versichern, dass sie jede Form einer Verschlüsselung brechen können. Sollte dies stimmen – und viele glauben das ja – dann wird es für sie nicht schwierig sein, diese Kryptogramme zu lösen, zumal sie ja wissen, nach welchen Regeln diese erstellt wurden, wenn man einmal erwägt, dass die verschiedenen Methoden zur Verschlüsselung praktisch zahllos sind.

Alle diese Informationen stammen aus einem Text von Nick Pelling, der in englischer Sprache veröffentlicht wurde, die schnelle Übelsetzung und Übertragung ins Deutsche stammt von mir. (Natürlich ist die transkribierte verschlüsselte Nachricht unverändert übernommen.) Dort gibt es auch die anderen Herausforderungen an Kryptographen, die aus der frühen Neuzeit bis heute auf eine Lösung harren.

Natürlich weist dieses Artefakt der frühen Kryptographie keine Ähnlichkeit zum Voynich-Manuskript auf. Aber es stellt die an sich unglaubliche Tatsache, dass ein händisch erstellter Code aus dem späten Mittelalter trotz einer hoch entwickelten, von der Rechenkraft von Computern unterstützten Kryptanalyse immer noch nicht gelesen ist, in ein etwas anderes Licht – es scheint nicht völlig unmöglich zu sein, dass ein solches Dokument existiert. Wer Kreuzworträtsel zu langweilig findet, kann sich einmal an diesen Rätseln versuchen… 😉

Die Unterschiede zum Voynich-Manuskript sind in der Tat erheblich – jedem dieser kurzen Texte sieht man auf dem ersten Blick an, dass er in einem Code geschrieben ist, während das gesamte Schriftbild des Manuskriptes den deutlichen Eindruck erweckt, eine relativ direkt geschriebene Sprache zu sein. Dieser Eindruck bleibt auch bei einer Transkription (hier Seite 28r in der Transkription von Takeshi Takahashi) erhalten:

pchodar shod chocphy opchol daiin otchol chyqo ldy
otchor otchor cthol cty ctheol dy dchar chakod dly
qotchaiin shor cthol cthol shor chotchy tchodar
choty chtol otol chotchy cthol otol choky qoty
oksho otor chy kchor!or chodaiin sho cthody okoy
qokchol qodaiin otcholchy daiin cho qokol okam
sho otor shockhy shocthy otoldy dshor dol dar
oschotshl daiin okchey kol daiin shol dsho otaiin
ytchol deey yteol deaiin

Im zitierten Code Bellasos sind die »Wortlängen« (die dort gewiss nichts mit Wörtern zu tun haben) starr bei vier oder fünf Zeichen, es lässt sich keine »Grammatik« der Wortbildung beobachten, das Gesamtbild wirkt sprachlich unsinnig. Eine solche Offensichtlichkeit einer Verschlüsselung prägt auch die anderen, von Bellaso gegebenen Beispiele chiffrierter Texte.

Was das Voynich-Manuskript zum großen Rätsel macht, ist nicht nur die Tatsache eines ungebrochenen Codes, sondern die Gesamtwirkung dieses Werkes, der Eindruck eines Buches, das eine sinnvolle, scheinbar gar nicht stark verschlüsselte Botschaft transportiert – und doch nicht verstanden werden kann. Alle Eigenschaften des »Textes« im Manuskript, die in jüngeren Analysen klar geworden sind, scheinen zu zeigen, dass es sich eben nicht um einen starken Code handelt. Und doch ist der große Frust da, dass niemand auch nur einen kleinen Ausschnitt des Manuskriptes lesen kann.

[via Voynich News]

Thema: Andere Rätsel | Kommentare (0) | Autor:

Wie sich eine Theorie bildet

Freitag, 3. Oktober 2008 21:08

Ich habe vor einigen Tagen eine Mail mit einer in meinen Augen sehr berechtigten Anfrage erhalten. Ein Leser dieses Blogs fragte mich, wie ich auf die von mir postulierten »harmonischen« Gesetze gekommen wäre. Das ist eine völlig berechtigte Frage, bei der mir sofort aufgefallen ist, dass ich diesen wichtigen Teil meiner Theoriebildung vollständig unterschlagen habe. Es ist gewiss hilfreicher, wenn nicht nur Erkenntnisse publiziert werden, sondern auch der oft sehr steinige Weg, der zu diesen Erkenntnissen geführt hat.

Das erste Mal kam ich auf eine derartige Idee, als ich mich im Jahre 2005 von der Arbeit an den Transkriptionen abwandte und mir die verfügbaren Bilder des Manuskriptes sehr genau anschaute. Ich empfand das »Glyphenzählen« immer mehr als eine Sackgasse, auf der zwar viele Eigenschaften des »Textes« deutlich werden, sich aber nicht zu einem Muster fügen, das Licht auf den Inhalt des »Textes« werfen könnte. Weder gelang es mir, Wortarten zu identifizieren (was nicht verwunderlich wäre, wenn der »Text« in chinesischer Sprache geschrieben sein sollte), noch gelang mir die sichere Identifikation von Vokalen und Konsonanten (aber sehr wohl ein paar Anhaltspunkte, die jedoch zu viele unaussprechliche »Wörter« entstehen ließen), noch fand ich einen möglichen Grund für die merkwürdig geringe Redundanz der Glyphenfolge. Es gibt nicht einmal häufige »Wörter«, die auf bestimmte sprachliche Muster oder Phrasen der Sprache des »Textes« hingedeutet hätten; also keine Fragephrasen wie »Qu‹est-ce que« oder allgemeine Bestandteile der Sprache wie »Ce sont des«.

(Französisch dient mir hier nur deshalb als Beispiel, weil es sehr reich an solchen sprachlichen Mustern ist, während Deutsch sehr viel variabler in der Wortstellung und in den typischen Ausdrucksformen ist. Ich glaube nicht daran, dass die Sprache des möglichen Klartextes Französisch ist, kann es aber natürlich auch nicht ausschließen.)

Dies alles stellte ich fest, als ich mich mit einer Zeichenfolge beschäftigte, die ganz offenbar nicht stark verschlüsselt sein kann, die sogar viele Merkmale einer Sprache aufweist, die bei einer starken Verschlüsselung verschwänden. Es war wie verhext, und ich fand mich bei meiner Beschäftigung mit dem Manuskript in zunehmender Frustration wieder. Der »Text« des Manuskriptes ergab keinen Sinn, und immer mehr empfand ich das ganze Buch als etwas, was gar nicht existieren dürfte.

Deshalb wandte ich mich dem zu, was unzweifelhaft vorhanden ist und in der Beinecke-Bibliothek der Universität zu Yale herumliegt und immer noch auf einen wartet, der es lesen könnte: Dem Manuskript in seiner gebieterischen Existenz und seiner unmittelbaren Erscheinung. Ich fing immer mehr damit an, mich mit dem hervorragenden Bildmaterial des Manuskriptes zu beschäftigen und dieses von Neuem auf mich wirken zu lassen.

Dabei fiel mir eine Eigenschaft des Schriftsystemes auf, die so offensichtlich ist, dass man sie leicht übersehen kann. Hier als Beispiel ein kontrastverstärkter Ausschnitt der Seite 85r1, der so weit verkleinert ist, dass sich der Blick von den vielen, verwirrenden Details abwendet und so das Gesamtbild des Schriftsystemes besser aufnimmt:

Ein Ausschnitt der Seite 85r

Was hier (und auf jeder anderen Seite des Manuskriptes) deutlich wird, das sind zwei Erscheinungen, die in dieser Kombination unerwartet sind. Zum Einen wurde beim Schreiben des Manuskriptes sehr schnell und deshalb auch unsauber vorgegangen; der Schreiber hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, mit einem Lineal ein paar Linien vorzuzeichnen. Zum Anderen aber wirkt die Glyphenfolge selbst in der Schlampigkeit dieses Schreibens noch sehr geschwungen, ausgewogen, ästhetisch ansprechend.

Das verwendete Schriftsystem erzeugt also ein »schönes« Schriftbild, so mein Fehlschluss.

Es war ein Fehlschluss. Es ist völlig ausreichend, einen beliebigen Text in einer beliebigen Sprache mit dem Zeichensatz EVA Hand 1 zu setzen, um zu sehen, dass der ästhetisch ansprechende Eindruck seine Ursache nicht nur im verwendeten Schriftsystem hat:

Dieser Text ist ein Beispiel dafür, dass das Schriftsystem an sich nicht zum harmonischen Eindruck des Manuskriptes führt

Die gesamte, im Manuskript sehr ausgewogene Wirkung des Schriftsystemes wird also zerstört, wenn im gleichen Schriftsystem andere Zeichenfolgen gesetzt werden. Tatsächlich ist das Ergebnis sogar ausgesprochen hässlich, wenn man es mit typischem Voynich-Text vergleicht:

Ein Auszug aus dem Text der Seite 10r, die Zeilenumbrüche stimmen nicht

Der Beispieltext wurde (recht willkürlich) der Seite 10r gemäß der Transkription von Takeshi Takahashi entnommen, die Zeilenumbrüche spiegeln nicht den Stand des Manuskriptes wider. Der ästhetische Unterschied zwischen den beiden Beispielen sollte jedem Menschen unmittelbar auffallen, der auch nur flüchtig hinschaut.

Es gibt also eine Verbindung zwischen dem verwendeten System von Schriftzeichen und dem verwendeten System der Verschlüsselung oder der zugrunde liegenden Sprache. Die Glyphen sind so entworfen, dass der notierte »Text« ästhetisch ansprechend wird, und dies ist gewiss kein Zufall, sondern eine Absicht des Autors. Bei einem Schreiber, der in seinen Niederschriften sonst so wenig Wert auf das Erscheinungsbild legt, überrascht so eine Einsicht. Und sie reizt dazu, dass man diese Eigenschaft des Manusskriptes etwas genauer untersucht, um sie besser zu verstehen.

Auf diesem Weg kam ich zu meinen »harmonischen« Gesetzen für die Glyphenfolge, und diese Gesetze werden von 92 Prozent der »Wörter« im Manuskript erfüllt. Es ist eine weitere Eigenschaft des Textes, die einer Erklärung bedarf – und sei es einfach nur die Erklärung, dass der Wechsel zwischen den i-Glypen und den o-Glyphen eine Bedeutung trägt und dass es sich um zwei alternative, in ihrem Kern gleichermaßen für den Text geeignete Systeme der Niederschrift handele. Der effektive Glyphenvorrat würde sich so nochmals halbieren, ein Großteil des »Textes« bildete sich aus lediglich 10 unterschiedlichen Zeichen. Das einzelne EVA-Zeichen könnte dann nur noch ungefähr 3 Bit Information enthalten; und da viele EVA-Glyphen wohl nur als Bestandteile komplexer aufgebauter Symbole zu betrachten sind, müsste die Redundanz gar noch etwas größer werden. In der Tat deckt sich diese Vermutung gut mit der tatsächlich beobachtbaren Redundanz der Glyphenfolge.

An den harmonischen Gesetzen ist also noch vieles zu erkunden. Bislang habe ich noch keinen Erfolg versprechenden Ansatz gefunden, aber das Verlassen einer Sackgasse durch die Betrachtung des richtigen Manuskriptes war für mich sehr fühlbar.

Thema: Kommunikation, Spekulation | Kommentare (0) | Autor: