Beiträge vom Oktober, 2008

Bellasos Herausforderung

Samstag, 18. Oktober 2008 20:58

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Hinweise [zur Transkription]:

  1. Der erste Buchstabe ist als Majuskel geschrieben, genau wie im Original
  2. Buchstaben, die von einem Asterisk (*) gefolgt werden, sind mit einer Markierung über dem Zeichen versehen, diese mag absichtsvoll sein oder auch nicht.
  3. Der Apostroph in der dritten Zeile in »omd‹a« entspricht dem Original.
  4. »s« ist im Original ein »f« ohne den horizontalen Strich.

Dies ist ein Code aus dem Jahr 1555, der bis heute nicht gelesen ist. Es stammt aus dem Kryptographie-Handbuch von Giovan Battista Bellaso, das im Jahre 1553 in erster Ausgabe veröffentlicht wurde. Die beiden folgenden Ausgaben aus dem Jahren 1555 und 1564 enthielten einige verschlüsselte Texte als Herausforderung für die Leser des Handbuches. Die drei verschlüsselten Texte des Jahres 1555 kamen ohne weitere Anmerkung, doch in der Ausgabe von 1564 wurde diesen Beispielen für die Kunst der Kryptografie eine Anmerkung vorweg gestellt:

Die sieben angehängten Mitteilungen wurden sorgfältig nach Vorgabe der hier gelehrten Konzepte erstellt. Sie enthalten einige wunderschöne Dinge, die zu wissen interessant ist. Damit soll den erfahrenen und einfallsreichen Kryptographen die Möglichkeit gegeben werden, um eine Lösung dieser Verschlüsselung zu ringen; insbesondere jenen, die versichern, dass sie jede Form einer Verschlüsselung brechen können. Sollte dies stimmen – und viele glauben das ja – dann wird es für sie nicht schwierig sein, diese Kryptogramme zu lösen, zumal sie ja wissen, nach welchen Regeln diese erstellt wurden, wenn man einmal erwägt, dass die verschiedenen Methoden zur Verschlüsselung praktisch zahllos sind.

Alle diese Informationen stammen aus einem Text von Nick Pelling, der in englischer Sprache veröffentlicht wurde, die schnelle Übelsetzung und Übertragung ins Deutsche stammt von mir. (Natürlich ist die transkribierte verschlüsselte Nachricht unverändert übernommen.) Dort gibt es auch die anderen Herausforderungen an Kryptographen, die aus der frühen Neuzeit bis heute auf eine Lösung harren.

Natürlich weist dieses Artefakt der frühen Kryptographie keine Ähnlichkeit zum Voynich-Manuskript auf. Aber es stellt die an sich unglaubliche Tatsache, dass ein händisch erstellter Code aus dem späten Mittelalter trotz einer hoch entwickelten, von der Rechenkraft von Computern unterstützten Kryptanalyse immer noch nicht gelesen ist, in ein etwas anderes Licht – es scheint nicht völlig unmöglich zu sein, dass ein solches Dokument existiert. Wer Kreuzworträtsel zu langweilig findet, kann sich einmal an diesen Rätseln versuchen… 😉

Die Unterschiede zum Voynich-Manuskript sind in der Tat erheblich – jedem dieser kurzen Texte sieht man auf dem ersten Blick an, dass er in einem Code geschrieben ist, während das gesamte Schriftbild des Manuskriptes den deutlichen Eindruck erweckt, eine relativ direkt geschriebene Sprache zu sein. Dieser Eindruck bleibt auch bei einer Transkription (hier Seite 28r in der Transkription von Takeshi Takahashi) erhalten:

pchodar shod chocphy opchol daiin otchol chyqo ldy
otchor otchor cthol cty ctheol dy dchar chakod dly
qotchaiin shor cthol cthol shor chotchy tchodar
choty chtol otol chotchy cthol otol choky qoty
oksho otor chy kchor!or chodaiin sho cthody okoy
qokchol qodaiin otcholchy daiin cho qokol okam
sho otor shockhy shocthy otoldy dshor dol dar
oschotshl daiin okchey kol daiin shol dsho otaiin
ytchol deey yteol deaiin

Im zitierten Code Bellasos sind die »Wortlängen« (die dort gewiss nichts mit Wörtern zu tun haben) starr bei vier oder fünf Zeichen, es lässt sich keine »Grammatik« der Wortbildung beobachten, das Gesamtbild wirkt sprachlich unsinnig. Eine solche Offensichtlichkeit einer Verschlüsselung prägt auch die anderen, von Bellaso gegebenen Beispiele chiffrierter Texte.

Was das Voynich-Manuskript zum großen Rätsel macht, ist nicht nur die Tatsache eines ungebrochenen Codes, sondern die Gesamtwirkung dieses Werkes, der Eindruck eines Buches, das eine sinnvolle, scheinbar gar nicht stark verschlüsselte Botschaft transportiert – und doch nicht verstanden werden kann. Alle Eigenschaften des »Textes« im Manuskript, die in jüngeren Analysen klar geworden sind, scheinen zu zeigen, dass es sich eben nicht um einen starken Code handelt. Und doch ist der große Frust da, dass niemand auch nur einen kleinen Ausschnitt des Manuskriptes lesen kann.

[via Voynich News]

Thema: Andere Rätsel | Kommentare (0) | Autor:

Wie sich eine Theorie bildet

Freitag, 3. Oktober 2008 21:08

Ich habe vor einigen Tagen eine Mail mit einer in meinen Augen sehr berechtigten Anfrage erhalten. Ein Leser dieses Blogs fragte mich, wie ich auf die von mir postulierten »harmonischen« Gesetze gekommen wäre. Das ist eine völlig berechtigte Frage, bei der mir sofort aufgefallen ist, dass ich diesen wichtigen Teil meiner Theoriebildung vollständig unterschlagen habe. Es ist gewiss hilfreicher, wenn nicht nur Erkenntnisse publiziert werden, sondern auch der oft sehr steinige Weg, der zu diesen Erkenntnissen geführt hat.

Das erste Mal kam ich auf eine derartige Idee, als ich mich im Jahre 2005 von der Arbeit an den Transkriptionen abwandte und mir die verfügbaren Bilder des Manuskriptes sehr genau anschaute. Ich empfand das »Glyphenzählen« immer mehr als eine Sackgasse, auf der zwar viele Eigenschaften des »Textes« deutlich werden, sich aber nicht zu einem Muster fügen, das Licht auf den Inhalt des »Textes« werfen könnte. Weder gelang es mir, Wortarten zu identifizieren (was nicht verwunderlich wäre, wenn der »Text« in chinesischer Sprache geschrieben sein sollte), noch gelang mir die sichere Identifikation von Vokalen und Konsonanten (aber sehr wohl ein paar Anhaltspunkte, die jedoch zu viele unaussprechliche »Wörter« entstehen ließen), noch fand ich einen möglichen Grund für die merkwürdig geringe Redundanz der Glyphenfolge. Es gibt nicht einmal häufige »Wörter«, die auf bestimmte sprachliche Muster oder Phrasen der Sprache des »Textes« hingedeutet hätten; also keine Fragephrasen wie »Qu‹est-ce que« oder allgemeine Bestandteile der Sprache wie »Ce sont des«.

(Französisch dient mir hier nur deshalb als Beispiel, weil es sehr reich an solchen sprachlichen Mustern ist, während Deutsch sehr viel variabler in der Wortstellung und in den typischen Ausdrucksformen ist. Ich glaube nicht daran, dass die Sprache des möglichen Klartextes Französisch ist, kann es aber natürlich auch nicht ausschließen.)

Dies alles stellte ich fest, als ich mich mit einer Zeichenfolge beschäftigte, die ganz offenbar nicht stark verschlüsselt sein kann, die sogar viele Merkmale einer Sprache aufweist, die bei einer starken Verschlüsselung verschwänden. Es war wie verhext, und ich fand mich bei meiner Beschäftigung mit dem Manuskript in zunehmender Frustration wieder. Der »Text« des Manuskriptes ergab keinen Sinn, und immer mehr empfand ich das ganze Buch als etwas, was gar nicht existieren dürfte.

Deshalb wandte ich mich dem zu, was unzweifelhaft vorhanden ist und in der Beinecke-Bibliothek der Universität zu Yale herumliegt und immer noch auf einen wartet, der es lesen könnte: Dem Manuskript in seiner gebieterischen Existenz und seiner unmittelbaren Erscheinung. Ich fing immer mehr damit an, mich mit dem hervorragenden Bildmaterial des Manuskriptes zu beschäftigen und dieses von Neuem auf mich wirken zu lassen.

Dabei fiel mir eine Eigenschaft des Schriftsystemes auf, die so offensichtlich ist, dass man sie leicht übersehen kann. Hier als Beispiel ein kontrastverstärkter Ausschnitt der Seite 85r1, der so weit verkleinert ist, dass sich der Blick von den vielen, verwirrenden Details abwendet und so das Gesamtbild des Schriftsystemes besser aufnimmt:

Ein Ausschnitt der Seite 85r

Was hier (und auf jeder anderen Seite des Manuskriptes) deutlich wird, das sind zwei Erscheinungen, die in dieser Kombination unerwartet sind. Zum Einen wurde beim Schreiben des Manuskriptes sehr schnell und deshalb auch unsauber vorgegangen; der Schreiber hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, mit einem Lineal ein paar Linien vorzuzeichnen. Zum Anderen aber wirkt die Glyphenfolge selbst in der Schlampigkeit dieses Schreibens noch sehr geschwungen, ausgewogen, ästhetisch ansprechend.

Das verwendete Schriftsystem erzeugt also ein »schönes« Schriftbild, so mein Fehlschluss.

Es war ein Fehlschluss. Es ist völlig ausreichend, einen beliebigen Text in einer beliebigen Sprache mit dem Zeichensatz EVA Hand 1 zu setzen, um zu sehen, dass der ästhetisch ansprechende Eindruck seine Ursache nicht nur im verwendeten Schriftsystem hat:

Dieser Text ist ein Beispiel dafür, dass das Schriftsystem an sich nicht zum harmonischen Eindruck des Manuskriptes führt

Die gesamte, im Manuskript sehr ausgewogene Wirkung des Schriftsystemes wird also zerstört, wenn im gleichen Schriftsystem andere Zeichenfolgen gesetzt werden. Tatsächlich ist das Ergebnis sogar ausgesprochen hässlich, wenn man es mit typischem Voynich-Text vergleicht:

Ein Auszug aus dem Text der Seite 10r, die Zeilenumbrüche stimmen nicht

Der Beispieltext wurde (recht willkürlich) der Seite 10r gemäß der Transkription von Takeshi Takahashi entnommen, die Zeilenumbrüche spiegeln nicht den Stand des Manuskriptes wider. Der ästhetische Unterschied zwischen den beiden Beispielen sollte jedem Menschen unmittelbar auffallen, der auch nur flüchtig hinschaut.

Es gibt also eine Verbindung zwischen dem verwendeten System von Schriftzeichen und dem verwendeten System der Verschlüsselung oder der zugrunde liegenden Sprache. Die Glyphen sind so entworfen, dass der notierte »Text« ästhetisch ansprechend wird, und dies ist gewiss kein Zufall, sondern eine Absicht des Autors. Bei einem Schreiber, der in seinen Niederschriften sonst so wenig Wert auf das Erscheinungsbild legt, überrascht so eine Einsicht. Und sie reizt dazu, dass man diese Eigenschaft des Manusskriptes etwas genauer untersucht, um sie besser zu verstehen.

Auf diesem Weg kam ich zu meinen »harmonischen« Gesetzen für die Glyphenfolge, und diese Gesetze werden von 92 Prozent der »Wörter« im Manuskript erfüllt. Es ist eine weitere Eigenschaft des Textes, die einer Erklärung bedarf – und sei es einfach nur die Erklärung, dass der Wechsel zwischen den i-Glypen und den o-Glyphen eine Bedeutung trägt und dass es sich um zwei alternative, in ihrem Kern gleichermaßen für den Text geeignete Systeme der Niederschrift handele. Der effektive Glyphenvorrat würde sich so nochmals halbieren, ein Großteil des »Textes« bildete sich aus lediglich 10 unterschiedlichen Zeichen. Das einzelne EVA-Zeichen könnte dann nur noch ungefähr 3 Bit Information enthalten; und da viele EVA-Glyphen wohl nur als Bestandteile komplexer aufgebauter Symbole zu betrachten sind, müsste die Redundanz gar noch etwas größer werden. In der Tat deckt sich diese Vermutung gut mit der tatsächlich beobachtbaren Redundanz der Glyphenfolge.

An den harmonischen Gesetzen ist also noch vieles zu erkunden. Bislang habe ich noch keinen Erfolg versprechenden Ansatz gefunden, aber das Verlassen einer Sackgasse durch die Betrachtung des richtigen Manuskriptes war für mich sehr fühlbar.

Thema: Kommunikation, Spekulation | Kommentare (0) | Autor: