Die Karten auf den Tisch
Freitag, 12. Oktober 2007 23:03
Eine »weitere Lösung« des Voynich-Rätsels, aber dieses Mal eine, die mit einer ausführlichen Beschreibung der Methodik veröffentlicht wird: Voynich Manuscipt Decrypted.
Die Beschreibung des Verfahrens kommt zwar nach einer etwas reißerischen Website (»Das Spiel ist vorbei, die Karten auf den Tisch!«), aber immerhin wird hier ja auch die Lösung eines sehr großen Rätsels angeboten. Wer jetzt aber glaubt, dass hier ein lesbarer Text in lateinischen Buchstaben veröffentlicht wurde, der täuscht sich. Vielmehr wird in großer Ausführlichkeit ein Verfahren beschrieben, das Zeichenfolgen im Stile des Voynich-Manuskriptes mit Hilfe einer relativ einfachen Methode erstellt. Dabei entstehen viele der bekannten Besonderheiten der Glyphenfolge von allein, und auch die Existenz der beiden Currier-Sprachen erklärt sich von allein daraus, dass bei der Anwendung des Verfahrens große Freiheiten bleiben.
Ein sinnvoller Text konnte dem Manuskript nicht entrissen werden. Vielmehr kommt Claude Martin zu einem sehr ernüchternden Schluss (die Übel-Setzung aus dem Englischen ist von mir):
Wie wir festgestellt haben, enthält der Voynich-Text nur unsortierte Zahlenfolgen, die immer wieder in ihre nummerische Ordnung gebracht werden können.
Diese Analyse wurde an verschiedenen Stellen des Manuskriptes durchgeführt, ohne dass dabei eine Spur eines bedeutungstragenden Textes entdeckt wurde.
Wir wissen auch, dass vorrübergehende Notizen angefertigt werden mussten, die zu einem späteren Zeitpunkt in anderer Reihenfolge transkribiert wurden, um eine verschlüsselte Folge zu mischen. Allein dieser Vorgang erfordert moderne Werkzeuge der Abschrift, die billiger und einfacher zu verwenden sind als die Tinten, Federn und Pergamente, die im Mittelalter in Gebrauch waren.
Darüber hinaus scheint die hier analyiserte Methode der Verschlüsselung nicht in Übereinstimmung mit den Methoden zu stehen, die im Mittelalter angewendet wurden, also in der Zeit, in der Trithème, Vigenère, Cadan oder Roger Bacon lebten. […]
Das Voynich-Manuskript ist eine vergleichsweise moderne Erfindung. Es enthält einen gefälschten Text, hergestellt mit Hilfe eines nummerischen Systemes zur Inhaltserstellung.
Diese Feststellungen finden einen gewissen Abschluss in der mutmaßenden Frage, ob man Wilfrid Voynich der Fälschung des Manuskriptes verdächtigen könne.
So, nach dieser Mitteilung muss ich aber wieder in Ruhe lesen, ob ich das Verfahren nachvollziehen kann und mit seiner Hilfe Texte produzieren kann, die signifikante Ähnlichkeiten zur Glyphenfolge des Manuskriptes haben. (Das ist der Vorteil, wenn jemand seine Verfahren genau beschreibt: Man kann sie überprüfen.) Ich wünsche mir allerdings, dass ich doch noch Spuren bedeutungsvollen Textes finde…
Erster Nachtrag: Nach kurzen Nachdenken halte ich es durchaus für möglich, dass hier ein Zirkelschluss vorliegt. Natürlich kann man sich eine Methode ausdenken, die Glyphenfolge in Zahlen zu übertragen, daraufhin die Lösung ankündigen und feststellen, dass es sich um einen inhaltslosen Text handelt, der ja nur aus Zahlen besteht. Was hier allerdings aufmerksam macht, ist die Verteilung der Zahlen: Es waren in den untersuchten Textfragmenten stets aufeinanderfolgende Zahlen auf einer Seite, die in verwürfelter Reihenfolge notiert wurden.
Zweiter Nachtrag: Ich wollte es eigentlich glatt formulieren, aber jetzt ist aus meinen Nachbetrachtungen ein Kommentar zu diesem Beitrag geworden.
Thema: Kommunikation | Kommentare (7) | Autor: elias