Des Fernsehens Wirkung

Vor einigen Tagen gab es eine Sendung zum Thema »Voynich-Manuskript« in der Reihe »Welt der Wunder« auf RTL 2.

Ich konnte diese Sendung leider nicht sehen. (Das liegt daran, dass ich keinen Fernseher habe.) Von daher kann ich mich auch noch nicht zur Qualität der darin dargebotenen Informationen äußern und möchte vorerst das Beste hoffen — leider tendieren solche Produktionen oft dazu, ein Thema auf eine eher reißerische Weise zu behandeln. Allerdings habe ich einen Freund darum gebeten, diese Sendung für mich aufzuzeichnen, und wenn dabei keine Panne passiert ist, werde ich etwas verspätet in den Genuss dieser Sendung kommen. Dann werde ich hier vielleicht auch eine etwas längere Stellungnahme geben, wenn mir dies nötig erscheint.

Ein Gutes hat diese Sendung allerdings gehabt. Die Zugriffe auf diesen Blog sind seitdem deutlich angestiegen, und auch der Voynich Information Browser wird seitdem viel häufiger verwendet. Für viele Interessierte im deutschsprachigen Raum wird diese Fernsehproduktion der erste Kontakt mit diesem Rätsel gewesen sein, und bei gar nicht wenigen wurde offenbar Appetit auf weitere Informationen geweckt. Tatsächlich ist das Voynich-Manuskript bisher in Deutschland kaum bekannt gewesen, und ich würde mich darüber freuen, wenn sich das ändert.

Dieses plötzlich erwachende Interesse erinnert mich an meine erste Begegnung mit dem Manuskript, an ein kleines Foto einer Seite des biologischen Teiles in einer alten Ausgabe der Spektrum der Wissenschaft — auch ich suchte schnell nach weiter führenden Informationen und ich wurde im Internet auch fündig. Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, wie viel Mühe, Konfusion und Irrsal ich mir damit aufbürde, denn wäre mein erster Eifer gewiss etwas gebremst worden… 😉

Wer jetzt ein erstes Interesse spürt, sei also gewarnt: Schnell wird daraus eine Beschäftigung, die einem bis in die Träume verfolgen kann; und angesichts des bisherigen Scheiterns aller Versuche, einem Text in einer mittelalterlichen Geheimschrift seine Botschaft zu entnehmen, ist der Erfolg der ganzen Mühe sehr ungewiss. Von diesem Manuskript ausgehend findet man sich beim Versuch einer Deutung schnell in Bereichen der Mediävistik, Magie, Alchimie, Astrologie, Esoterik und Religionskunde wieder, in denen man sich auch regelrecht verlaufen kann — und zwar ohne dass man damit einer Lösung näher kommt. Und wenn man sich mit Hilfe des Computers mit den Transkriptionen auseinander setzt, kann dies leicht dazu führen, dass man zwei bis drei für diesen Zweck praktische Programmiersprachen erlernt, obwohl man eigentlich nicht das Programmieren lernen wollte, sondern das Lesen, nämlich das Lesen eines auf Pergament geschriebenen Manuskriptes. Die Beschäftigung kennt Phasen unglaublichen Enthuisamus mit einem Reichtums an Ideen, die bei näherer Analyse allesamt wie Seifenblasen platzen; die Beschäftigung kennt Phasen der völligen Entmutigung. Manchmal findet man monatelang keinen weiteren Ansatz, um sich dann wie aus heiterem Himmel an das Manuskript zu erinnern und plötzlich eine neue Idee zu haben, die zunächst plausibel erscheint — und doch bringt sie keine neue Einsicht hervor.

Nun ja, das stimmt nicht ganz. Neue Einsichten kommen schon, manchmal sogar recht verblüffende, die deutlich machen, dass die Glyphenfolge des Manuskriptes nicht bedeutungslos sein kann. Aber die eine, große Einsicht, auf die jeder hinarbeitet — die Möglichkeit, den Text des Manuskriptes lesen zu können — die bleibt regelmäßig aus. Dabei scheint eine Lösung oft zum Greifen nahe. Manchmal fängt man schon an, zu glauben, dass das ein Bestandteil der Botschaft des Manuskriptes ist.

Wer sich von solchen, kurz dargelegten Erfahrungen nicht völlig entmutigen lässt, wer sich vielleicht sogar nach solchen Worten erst richtig angespornt fühlt, der ist hier richtig.

Was in erster Linie benötigt wird, um an der Lösung dieses Rätsels mitzuwirken, ist ein offener Geist auch für zunächst scheinbar fern liegende Ideen — die meisten nahe liegenden Ideen sind schon längst in Theorie gefasst, überprüft und widerlegt. Ein guter erster Schritt ist die Teilnahme an der deutschsprachigen Mailingliste, die sich dem offenen Austausch sowohl über hochgradig spekulative und esoterische Themen als auch über eher nüchterndes und analytisches Herangehen an die Lösung widmet. Keine Idee ist uns so fernliegend, dass wir sie völlig ausschließen werden. Im Moment ist das Mailaufkommen über diese Liste eher gering, so dass das Verfolgen der wichtigsten Stränge keine Überforderung des Lesers darstellt.

Wer die englische Sprache beherrscht, sollte unbedingt auch an der englischsprachigen Mailingliste teilnehmen, die eine überwiegend wissenschaftliche Ausrichtung hat. Das Archiv dieser Mailingliste gibt auch einen guten ersten Einblick in die bisher beschrittenen Wege in der Deutung des Manuskriptes — und in die deprimierende Geschichte des Scheiterns, die uns so offengeistig für weniger »harte« Vorgehensweisen macht. Allerdings ist das Mailaufkommen der englischen Liste zuweilen sehr hoch, und viele angeschnittene Themen erfordern weitere Kenntnisse zur bekannten Geschichte des Manuskriptes, zur Kryptologie und zur Mediävistik. Auch ist die dort zuweilen ausgiebig gepflegte Ironie im wissenschaftlichen Disput für manche Menschen schwer verdaulich. Dennoch kann ich eine Teilhabe dort nur empfehlen.

Vieles weitere findet sich unter den hier angegebenen Links, die sowohl auf deutsche als auch auf englische Seiten führen. Ich hoffe, mit dieser kleinen Darlegung bei einigen Menschen unwiderstehlichen Appetit erzeugt zu haben. 😉

Tags »

Autor:
Datum: Freitag, 18. August 2006 1:59
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Diverses

Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Diesen Artikel kommentieren

Kommentar abgeben