Wortzählungen nach Zeilenposition

Sonntag, 6. April 2008 18:38

Im Manuskript sind nicht alle »Wörter« an allen Positionen in der Zeile mit gleicher Häufigkeit auf. Es gibt »Wörter«, die bevorzugt am Ende einer Zeile auftreten, und es gibt »Wörter«, die bevorzugt am Anfang einer Zeile auftreten. Ich ziehe daraus den Schluss, dass jede Zeile eines Manuskriptes eine Informationseinheit ist, aber was bedeutet bei diesem Manuskript schon ein solcher Schluss…

Die Untersuchung dieser Erscheinung ist relativ einfach mit meiner Datenbank der Transkriptionen möglich. Ich habe heute ein kleines Python-Skript geschrieben, das solche Zählungen durchführt. Unsichere Leerzeichen werden dabei nicht berücksichtigt, sondern als vollwertige Worttrenner gezählt, um die Verarbeitung einfach und effizient zu gestalten.

Mein Skript steht hier zum freien Download, aber vor der Verwendung müssen die Zugangsdaten für die Datenbank im Quelltext angepasst werden. (Wenn dies nicht getan wird, steigt das Skript während der Verbindung zum Datenbankserver mit einer Fehlermeldung aus.)

Download-Link: Skript zur Zählung der Worthäufigkeiten an Positionen in der Zeile

Technische Anmerkung: Dieses Skript verwendet eine spezielle Funktion des MySQL RDBMS, so dass weitere Anpassungen nötig sein könnten, wenn ein anderes RDBMS verwendet werden soll. Von der Benutzung des CREATE TEMPORARY TABLE abgesehen, ist das SQL ANSI-konform, so dass eine solche Anpassung einfach sein sollte. Die einfachste Vorgehensweise ist die Löschung oder Kommentierung des Schlüsselwortes TEMPORARY im Quelltext.

Format der Ausgabe

Das Skript gibt eine Zeile für jedes »Wort« aus, das mehr als einmal in der gewählten Transkription auftritt und das vollständig lesbar ist. Nicht vollständig lesbare »Wörter« werden nicht berücksichtigt.

Jede Zeile besteht aus mehreren Feldern, die durch Tabulatoren getrennt sind.

Das erste Feld ist immer das »Wort« in EVA. (Wer ein anderes Alphabet für die Transkription verwendet, kann dies relativ leicht im Quelltext ändern. Die Datenbank ist dafür vorbereitet.) Darauf folgt in Klammern die Häufigkeit dieses Wortes.

Die folgenden Felder enthalten die Position, an der dieses »Wort« auftritt. Darauf folgen in Klammern die Häufigkeit, mit der dieses »Wort« gezählt wurde, ein Leerzeichen und eine Angabe der Häufigkeit in Prozent.

Wenn man den pflanzenkundlichen Teil der Transkription von Takeshi Takahashi extrahiert, sieht die Ausgabe für das »Wort« aim etwa folgendermaßen aus:

aim (2)    4 (1 50%)    8 (1 50%)

Um einen besseren Eindruck von der Ausgabe des Skriptes zu vermitteln, stelle ich hier eine derartige Aufbereitung zum Download. Diese beiden Analysen haben auf meinem recht langsamen Arbeitsrechner jeweils einige Sekunden gedauert. Ein zeitgemäßer Rechner wird die Ergebnisse beinahe unmittelbar ausgeben. Die meiste Arbeit wird übrigens innerhalb der Datenbank verrichtet, so dass es sich lohnen kann, einen schnellen Datenbankserver zu verwenden.

Download-Link: Analyse der Häufigkeiten von Wörtern an bestimmten Positionen im pflanzenkundlichen Teil in der Transkription von Takeshi Takahashi

Benutzung des Skriptes

Das Skript kann mit Optionen aufgerufen werden, die in Unix-üblicher Weise mit einem Minuszeichen eingeleitet werden. Die folgenden Optionen können verwendet werden:

  • -h
    Anzeige eines Hilfetextes für die möglichen Optionen
  • -t<code>
    Auswahl einer Transkription mit dem jeweiligen Code
  • -l<lang>
    Auswahl der Currier-Sprachen. Wenn hier AB angegeben wird, denn werden nur Seiten mit einer bekannten Currier-Sprache extrahiert, so dass auch diese Angabe sinnvoll ist
  • -i<illu>
    Auswahl von Seiten mit einem bestimmten Illustrationstyp. Es ist zum Beispiel möglich, aber wenig sinnvoll, wenn man Seiten des kosmologischen oder astrologischen Teils einbezieht, da hier kreisförmige Diagramme auftreten, in denen die Leseposition für den Zeilenanfang willkürlich gewählt ist.
  • -r
    Die Analyse ermittelt die Position vom Zeilenende aus, nicht vom Anfang der Zeile. Dies gibt einen besseren Blick auf »Wörter«, die sich am Zeilenende zu häufen scheinen; ansonsten geht diese Erscheinung wegen der unterschiedlichen Zeilenlängen etwas unter.

Erste Anmerkungen

Diese Analyse hat bislang vor allem das bestätigt, was ich vorher schon wusste. Die »Wörter« treten nicht an allen Positionen in der Zeile gleich verteilt auf. Allerdings ist mir (und anderen) jetzt eine Möglichkeit gegeben, diese Erscheinung genauer zu untersuchen. Der Blick richtet sich jetzt auch auf bislang unverdächtige »Wörter«.

Zum Beispiel tritt das »Wort« chodaly im pflanzenkundlichen Teil drei Mal auf, und zwar immer an der vorletzten Stelle einer Zeile.  Das gleiche gilt für das »Wort« chokal, dass ebenfalls dreifach und immer an der vorletzten Stelle auftritt. Die Feinstruktur dieser ungleichmäßigen Verteilung der »Wörter« auf die Zeilenpositionen ist meines Erachtens noch nicht genügend untersucht, was auch daran liegen mag, dass es bislang keine geeigneten Werkzeuge für solche Untersuchungen gab. Deshalb fielen nur die auffällig oft am Ende auftretenden »Wörter« wie daiin ins Auge, das in 55 Prozent der Fälle die letzten drei Positionen innerhalb einer Zeile einnimmt.

Interessanterweise widersprechen einige Erscheinungen meinen Erwartungen. Zum Beispiel sind generell »Wörter« mit einem Gallow zum Beginn der Zeile gehäuft, aber es gibt auch spezielle Ausnahmen. Das 18fach auftretende »Wort« okain findet sich zum Beispiel in über 50 Prozent der Fälle auf den letzten beiden Positionen einer Zeile. Das 4fach auftretende »Wort« okary findet sich ausschließlich am Zeilenende.

Ausblick und Pläne

In weiteren Untersuchungen sollte überprüft werden, ob es relativ häufige »Wörter« gibt, die sich gleichmäßig über alle Zeilenpositionen verteilen. Wenn es solche »Wörter« gibt, müssen sie eine besondere Bedeutung haben. Wenn es solche »Wörter« nicht gibt, verrät das eine weitere, überraschende Eigenschaft des verwendeten Schrift- oder Codiersystemes.

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Stille in der Mailingliste

Dienstag, 1. April 2008 3:18

Zur Information: Momentan scheint die internationale Voynich-Mailingliste nicht mehr zu funktionieren. Seit der letzten Mail von Berj N. Ensanian vom Samstag, den 28. März von 2:11 Uhr MEZ kommt keine Mail mehr an. Diese Unterbrechung trat inmitten recht interessanter Diskussionen auf. Die Domains voynich.ms und voynich.net sind zurzeit nicht mehr erreichbar. Jemand sollte sich um diese Angelegenheit kümmern.

Am 1. April um 20:55 Uhr schrieb Dana: Das Problem ist gelöst. Es handelte sich um einen vorübergehenden Effekt, da die Nameserver noch auf die alten Server verwiesen, so dass die Namensauflösung nicht funktionierte. Ab sofort kann die Liste wieder benutzt werden.

Mailing list silence

It seems that the international Voynich Mailing List does not work anymore. Since 3/28, 2:11 AM CET, the timestamp of the last mail written by Berj N. Ensanian, there is no mail. This occured as an interruption in very interesting discussions. The internet domains voynich.ms and voynich.net are not available at the moment. Someone should take care for this issue.

At 04/01,  8:55 PM, Dana wrote: The VMs mail interruption problem has been corrected.  It turns out that voynich.net was on Global name servers and needed to be updated to new servers.

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Eine Transkriptions-Datenbank

Sonntag, 9. März 2008 16:15

Ich habe mir in den letzten Tagen das »Vergnügen« gegönnt, die Transkriptionen aus Jorge Stolfis Interlinear-Archiv in ein etwas anderes Format zu bringen. Das Ergebnis ist eine weit gehend normalisierte SQL-Datenbank, die des Wortzählers Herz erfreuen kann. Einen SQL-Dump dieser Datenbank stelle ich hier zum Download zur Verfügung.

Download-Link: SQL-Dump der Transkriptionsdatenbank

Wer sich die Datenbank anschaut, wird bemerken, dass sie nicht in der dritten Normalform steht. Einige Denormalisierungen habe ich eingefügt, um gewisse Analysen mit größerer Leichtigkeit und Performance ausführen zu können – zum Beispiel enthält jede Zeile die an sich überflüssige Angabe, aus wie vielen Wörtern sie besteht, damit ich Zeilen gleicher Wortlänge untersuchen kann, ohne einen Subselect verwenden zu müssen.

Um eine Verwendung dieser Datenbank mit »kleinen« Systemen wie mSQL zu vereinfachen, wurde auf explizite referenzielle Integrität verzichtet. Da sich dieser Datenbestand nicht verändert (im besten Fall kommt einmal eine neue Transkription hinzu), sollte dies kein Problem darstellen. Erstellt habe ich die Datenbank in MySQL, der Dump ist kompatibel zu ANSI-SQL und sollte so in jedem RDBMS verwendbar sein. Wer ebenfalls eine MySQL verwendet, wird wohl eher einen speziellen Dump für MySQL bevorzugen, auch dieser steht hier zum Download zur Verfügung.

Download-Link: SQL-Dump der Transkriptionsdatenbank für MySQL

Die gesamte Datenbank ist in englischer Sprache kommentiert. Die einzelnen »Wörter« sind in allen gängigen Transkriptionssystemen abgelegt, damit eine Anwendung nach jedem beliebigen System arbeiten kann. Natürlich wurden die anderen Systeme von einem Programm erzeugt, und ich kann nicht ausschließen, dass mir dabei ein Fehler unterlaufen ist, da ich selbst vorwiegend in EVA »lese« und analysiere, wenn ich mich nicht direkt mit Bildern des Manuskriptes beschäftige.

Die Datenbank enthält nur fünf Tabellen, die hier kurz in deutscher Sprache erläutert werden.

Tabelle voy_page

Informationen zu einer Seite.

  • page_id INTEGER
    Primärschlüssel für die Seite
  • fnumber VARCHAR(8)
    Alternativer Schlüssel, die »F-Number« der Seite ohne führendes »f«
  • illustration_type CHAR(1)
    Angabe des Typs der Illustration, entweder »T«, »H«, »A«, »Z«, »B«, »C«, »P« oder »S«
    Dieses Feld ist für MySQL als ENUM definiert
  • quire CHAR(1)
    Das Bündel, in dem die Seite liegt
  • page_in_quire CHAR(1)
    Die Position, welche die Seite im Bündel einnimmt
  • currier_lang CHAR(1)
    Angabe der Currier-Sprache, entweder »A« oder »B«
    Dieses Feld ist für MySQL als ENUM definiert
  • currier_hand CHAR(1)
    Angabe der Handschrift nach Currier, entweder »1″, »2″, »3″, »4″, »5″, »X« oder »Y«
    Dieses Feld ist für MySQL als ENUM definiert
  • has_non_voynich CHAR(1)
    Angabe, ob die Seite Text enthält, der nicht im Schriftsystem des Manuskriptes verfasst wurde, entweder »Y« oder »N«
    Dieses Feld ist für MySQL als ENUM definiert
  • has_key_like CHAR(1)
    Angabe, ob schlüsselartige Texte auf der Seite stehen, entweder »Y« oder »N«
    Dieses Feld ist für MySQL als ENUM definiert
  • has_extraneous CHAR(1)
    Angabe, ob die Seite zusätzliche Schrift enthält, entweder »Y« oder »N«
    Dieses Feld ist für MySQL als ENUM definiert
  • description TEXT
    Aus den Kommentaren extrahierte Seitenbeschreibung

Tabelle voy_trans

Informationen zu einer Transkription.

  • trans_code CHAR(1)
    Transkriptionscode aus dem Interlinear-Archiv
  • second_code CHAR(1)
    Code für die zweite Lesart einer Transkription aus dem Interlinear-Archiv
  • sortkey CHAR(2)
    Ein Sortierungsschlüssel, um die verschiedenen Transkriptionen in Anwendungen in nicht-alphabetischer Reihenfolge präsentieren zu können. (Bei mir stehen Currier und Takeshi Takahashi an den ersten Stellen, und das hat einen guten Grund. Takahashi ist vollständig, und Currier war recht gründlich.)
  • name VARCHAR(64)
    Ein Anzeigename für die Transkription
  • description TEXT
    Weitere Angaben zur Transkription

Tabelle voy_line

Eine Transkription besteht aus transkribierten Zeilen aus Seiten, diese werden hier zugeordnet.

  • line_id INTEGER
    Primärschlüssel, wird aufsteigend vergeben und kann somit als Ordnungselement für die Reihenfolge der Zeilen dienen.
  • line_trans INTEGER
    (Halber) Fremdschlüssel. Verweist auf voy_trans, entweder Feld trans_code oder Feld second_code
  • line_page INTEGER
    Fremdschlüssel. Verweist auf voy_page, Feld page_id
  • locator VARCHAR(20)
    Roh übernommener Angabe zur Zeile, enthält schwach dokumentierte Angaben zur scheinbaren textuellen Einheit, in der diese Zeile auftritt. In dieser ersten Version habe ich das noch nicht in eine sinnvolle Struktur übertragen.
  • wordcount INTEGER
    Anzahl der Wörter in der transkribierten Zeile (wobei schwache Leerzeichen als Leerzeichen gezählt werden)

Tabelle voy_word

Die Wörter aus den Transkriptionen. Jedes eindeutig auftretende Wort ist in dieser Tabelle enthalten. Um die Verarbeitung zu vereinfachen, wurde jedes Wort in allen gängigen Transkriptionsalphabeten aufgenommen.

Darüber hinaus ist ein experimentelles Feature in diese Tabelle aufgenommen. Es existiert ein Feld fuzzy, das leicht verwechselbare oder ähnliche Glypen und Glyphenfolgen auf gleiche Zeichen abbildet, um eine bequeme Suche nach ähnlichen »Wörtern« zu ermöglichen. Dieses Verfahren habe ich mir innerhalb einer halben Stunde und nach eher flüchtigem Blick auf einige Bilder des Manuskriptes ausgedacht, es ist weit von einer brauchbaren Metrik für die Ähnlichkeit von Glyphen entfernt. Vielleicht findet es aber doch jemand anders von Nutzen, deshalb habe ich es in diese Veröffentlichung aufgenommen.

  • word_id INTEGER
    Generischer Primärschlüssel für das Wort
  • readable CHAR(1)
    Angabe, ob das Wort vollständig lesbar ist oder ein unlesbares Zeichen enthält, »Y« oder »N«
    Für die MySQL ist dieses Feld als ENUM definiert
  • eva VARCHAR (40)
    Transkription in EVA
  • frogguy VARCHAR(60)
    Transkription in Frogguy
  • currier VARCHAR(40)
    Transkription im Verfahren von Currier
  • fsg VARCHAR(40)
    Transkription im Verfahren der First Study Group
  • bennett VARCHAR(40)
    Transkription in Verfahren von Bennett
  • fuzzy VARCHAR(40)
    Experimentelle Bearbeitung, um »ähnliche Wörter« auf gleiche Zeichenfolgen abzubilden
  • count INTEGER
    Insgesamte Häufigkeit dieses »Wortes« in allen Transkriptionen, dies kann nützlich sein, wenn seltene »Wörter« in einer Analyse besonders hervorgehoben werden sollen.

Tabelle voy_lineword

Die Wörter werden in einer Reihenfolge zu einer Zeile zugeordnet.

  • lword_id INTEGER
    Generischer Primärschlüssel
  • lword_line INTEGER
    Fremdschlüssel, verweist auf voy_line, Feld line_id
  • lword_word INTEGER
    Fremdschlüssel, verweist auf voy_word, Feld word_id
  • position INTEGER
    Position des Wortes in der Zeile
  • spacing VARCHAR(6)
    Angabe, wie das Leerzeichen zum vorhergehenden Wort zu bewerten ist. Entweder »first«, wenn es das erste Wort in einer Einheit ist, oder »normal«, wenn es sich um eine sichere Leerstelle handelt, oder »weak«, wenn es eine schwache Leerstelle ist oder »big«, wenn das Wort durch eine Illustration oder einen anderen großen Zwischenraum vom vorhergehenden Wort getrennt ist.
    Dieses Feld ist in MySQL als ENUM definiert

Zur Motivation meines Hacks

Die Verwendung einer relationalen Datenbank ermöglicht es, Analysen in SQL durchzuführen und sogar darüber hinaus, die Ergebnisse mit Hilfe eines Reporting-Tools darzustellen – letzteres ist zwar nicht meine Welt, aber es ist eine Möglichkeit, schnell eine übersichtliche Darstellung eines Ergebnisses zu erzeugen. Vielen heutigen Programmierern geht SQL wesentlich leichter von der Hand als awk und sed aus dem Weg der tausend Tools (damit ist Unix gemeint). Ich hoffe, dass ich mit dieser Veröffentlichung auch solche Menschen zu eigenen Untersuchungen und Experimenten anrege, die bislang von den Formaten der Transkriptionen abgeschreckt wurden.

Natürlich ist es nun auch recht bequem, sich sinnvolle Views zu erzeugen, mit denen die Analyse dieser vielleicht nun etwas überstrukturierten Daten vereinfacht werden kann. Ich habe bewusst keine Views aufgenommen, da doch sehr vom Kontext einer Untersuchung abhängt, was man für sinnvoll erachtet.

Ein Beispiel für die Anwendung

Bei einer flüchtigen Unterschung stellt sich heraus, dass die durchschnittliche Länge des zweiten Wortes einer Zeile auffällig ist. Diese durchschnittliche Länge kann man zum Beispiel mit folgendem Statement aus der Transkription von Takeshi Takahashi ermitteln:

SELECT AVG(LENGTH(eva))
FROM voy_lineword
JOIN voy_word ON word_id = lword_word
JOIN voy_line ON line_id = lword_line
WHERE line_trans = 'H'
AND position =2

Mein hier verwendeter Pentium III mit 450 MHz brauchte zur Verarbeitung dieser Abfrage 1,4 Sekunden und lieferte eine durchschnittliche Wortlänge von 5,0011. (Es ist ein wirklich lahmer Computer, den ich hier benutze. Auf einer zeitgemäßen Maschine sollte so ein Ergebnis wesentlich schneller erscheinen.)

Diese Abfrage lässt sich nun sehr einfach so umformulieren, dass eine andere Transkription verwendet wird, ohne dass hierzu ein besonderes Programm in einer Unix-Pipe verwendet werden muss.

Und das ist keineswegs alles, denn es ist auch mit einer kleinen Änderung möglich, alle durchschnittlichen Wortlängen für alle Position zu ermitteln, ich nehme hier aber nur die ersten 19 Positionen auf, um diese Beschreibung nicht mit unnötigen, rohen Daten zu fluten:

SELECT position, AVG(LENGTH(eva))
FROM voy_lineword
JOIN voy_word ON word_id = lword_word
JOIN voy_line ON line_id = lword_line
WHERE line_trans = 'H'
GROUP BY position
HAVING position < 20

Nachdem sich mein armer Computer 4,15 Sekunden von dieser Eingabe erholen musste, erfreute er mich mit dem folgenden Ergebnis (hier als rohe Ausgabe des MySQL-Monitors wiedergegeben):

+----------+------------------+
| position | avg(length(eva)) |
+----------+------------------+
|        1 |           5.4888 |
|        2 |           5.0011 |
|        3 |           5.1632 |
|        4 |           5.1163 |
|        5 |           5.0970 |
|        6 |           5.0959 |
|        7 |           5.0594 |
|        8 |           5.0211 |
|        9 |           4.8615 |
|       10 |           4.6762 |
|       11 |           4.4971 |
|       12 |           4.2664 |
|       13 |           4.2667 |
|       14 |           4.5282 |
|       15 |           5.0309 |
|       16 |           5.1548 |
|       17 |           5.0959 |
|       18 |           5.0286 |
|       19 |           4.9851 |
+----------+------------------+

Eine geplante Beispielanwendung

Ich werde wohl in den nächsten Wochen eine Beispielanwendung für diese Datenbank veröffentlichen. Es handelt sich um ein in Python geschriebenes CGI-Skript, das neben der bequemen Durchsicht der Transkription auch mit erweiterten Möglichkeiten wie einer Konkordanz und einer guten Suchfunktion dienen kann. Natürlich wird es auch über weit gehende Möglichkeiten zum Export von Transkriptionen oder Teilen daraus verfügen. Dass man so etwas nicht eben in einer Viertelstunde »runterhackt«, sollte einleuchten.

Wenn sich das etwas länger als ein »paar« Wochen hinzieht, bitte ich schon einmal um Entschuldigung.

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Wie klingt das Manuskript?

Samstag, 23. Februar 2008 19:03

Ich vertrete ja schon länger die These, dass einer der Gründe, weshalb das Voynich-Manuskript jedem Versuch trotzt, ihm einen ursprünglichen Text zu entreißen, darin liegt, dass es gar keinen »Text« im gewöhnlichen Sinne des Wortes geben könnte. Eine meiner frühen Ideen, die ich niemals weiter verfogte, war, dass es sich um eine Form der musikalischen Notation handeln könne; diese könnte durchaus starke Muster und Regelmäßigkeiten aufweisen. Auch könnten sich auf durch diese These die momentan noch rätselhaften zwei »Sprachen« im Manuskript erklären, sie wären schlicht die beiden Tongeschlechter Dur und Moll.

Nun hat Berj Ensanian ein erstes Experiment angestellt, das Manuskript als Musik zu interpretieren und seine Ergebnisse der englischen Mailingliste und auf seiner Website mitgeteilt. Die folgende, auszugsweise Übelsetzung seiner Mitteilung in der Mailingliste ist von mir, die Links auf erläuterndes Material habe ebenfalls ich hinzugefügt:

Ich zwei  Audiodateien im MP3-Format zum Download und Anhören zur Verfügung gestellt. Du kannst diesen Audiodateien lauschen und sie mit den ersten Absätzen der Seite f20r des Manuskriptes (ein pflanzenkundlicher Text in Currier-Sprache A) und der Seite f95r2 (pflanzenkundlich in Currier-Sprache B) vergleichen. Es handelt sich um eine experimentelle Transkription in Musik. Jedes Stück dauert ungefähr eine Minute. Eine vollständige, in die Einzelheiten gehende Beschreibung dieser Übertragung und der Einschränkungen dieses Experimentes sind verfügbar.  […]

Der präzise Bericht erläutert die Vorgehensweise recht ausführlich. Interessant ist des abschließende Urteil über den Höreindruck (die Übelsetzung ist wieder von mir, die direkten Links auf die MP3-Dateien sind meine Ergänzung):

[…] Und schließlich ein paar Eindrücke von der Gegenüberstellung von f20r mit f95r2: Die Umsetzung von f20r hört sich für meine Ohren erstaunlich gut an. Ich wäre nicht überrascht, so etwas zu hören, wenn jemand entspannt auf seinem Klavier improvisiert. Allerdings klingt die Umsetzung von f95r2 für mich sehr anders. Im Gegensatz zu f20r scheinen sich dort die Zeilen stärker voneinander zu unterscheiden. Vielleicht sind die Zeilen in f95r2 in alternierenden Schreibrichtungen [engl. Wort hier: »boustrophedon«, meine Anmerkung] geschrieben, so dass ihre Musik besser klingt, wenn man das berücksichtigt – ich werde das noch untersuchen. So wie ich es transkribiert habe, ist der Höreindruck zwar nicht schrecklich, aber die musikalische Umsetzung der Seite f95r2 erinnert mich an zufällige Einsprengsel von Daten in einen digitalen Datenstrom, was zuweilen eine Kakophonie ergibt. Verglichen mit f20r, klingt in f95r2 weniger ein musikalisches Thema, weniger innere Ordnung, es klingt ein bisschen, als würde ein unerfahrener Musiker versuchen, ein Stück zu komponieren, dessen Komplexität seine Fähigkeiten übersteigt. Im Gegensatz dazu klingt die Currier-Sprache A der Seite f20r so, als wäre sie von einem verbindenden musikalischen Thema getragen. Vielleicht ist es dieses Muster, das zu der Erwägung führt, dass die Currier-Sprache A näher bei den Mustern einer natürlichen Sprache liegt als die Currier-Sprache B.

Ein wirklich hochinteressantes Experiment.

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Déjà vu

Mittwoch, 23. Januar 2008 21:56

Manchmal kann man als aktiver Internet-Nutzer ganz seltsame Dinge erleben. Dies gilt vor allem, wenn man mehrere Projekte im Internet betreibt und plötzlich auf eine »gefühlte« Querverbindung stöÃ?t.

Dieses Blog wird mithilfe von WordPress betrieben. Es ist nicht das einzige Blog, das ich mehr oder weniger regelmäÃ?ig mit Inhalten fülle, und alle meine Blogs sind WordPress-Blogs. Zu WordPress empfinde ich eine solide Hassliebe; einerseits ist es eine sehr nützliche und einfach zu verwendende Software, andererseits gehen einige Entscheidungen im Software-Design momentan in eine – meiner Meinung nach – völlig falsche Richtung, was ein wichtiger Grund dafür geworden ist, dass man beim Bloggen immer wieder auf ärgerliche Programmierfehler stöÃ?t, die sich in WordPress zurzeit sehr häufen. Vor allem wer, wie ich, verschiedene Blogs auf unterschiedlichen Servern laufen lässt, muss zurzeit geradezu auf den einen oder anderen Fehler stoÃ?en. (Trotz dieser kritischen Phase im WordPress-Projekt könnte ich momentan niemandem eine bessere Software zum Bloggen empfehlen. Diese Phase wird entweder in einigen Monaten überwunden sein, oder es werden sich Menschen finden, die WordPress in besserer Weise weiterführen – freie Software lässt Menschen frei sein.)

Wegen dieser gegenwärtigen Bedingungen wird man schnell zum häufigen Besucher der diversen Support-Foren. Da mir der rohe, unhöfliche Umgangston im grö�ten deutschen Support-Forum persönlich nicht behagt und da das alternative deutsche Support-Forum momentan keine gro�e Nutzerbasis hat, finde ich mich vor allem im englischsprachigen Forum wieder. Dort habe ich schon manchen wertvollen Hinweis erhalten, wie ich bestimmte Probleme angehen kann; und natürlich habe ich aus meinen eigenen Erfahrungen und Einsichten heraus auch schon anderen weiterhelfen können. Wenn doch das wirkliche Leben genau so ein problemloses Geben und Nehmen wäre.

Natürlich wird das englische Support-Forum von vielen Menschen auf der ganzen Welt als erste Anlaufstelle durchsucht und gelesen, wenn ein Problem mit WordPress zu bewältigen ist. Und natürlich bedanken sich immer wieder Menschen in ihren Blogs für die wertvollen Tipps, die sie an dieser Stelle erhalten haben; häufig geht ein solcher Dank mit einen Link einher. Weil ich sehen kann, wer meine Blogs verlinkt, erfahre ich auf diese Weise, dass meine Mühe mit dem auch für mich nicht immer ganz einfachen Formulieren in englischer Sprache nicht umsonst war.

Manchmal sto�e ich dabei auf Blogs in ganz seltsamen Sprachen; in Sprachen, die ich vorher noch nie in schriftlicher Form gesehen habe und die ich gar nicht einordnen kann. Und das ist eines der ganz seltsamen Dinge, die mir heute begegnet sind, ein regelrechtes déjà vu. Es ist ein Text, den ich nicht lesen und verstehen kann (obwohl ich aus dem englischen Zitat heraus wei�, um welches technische Problem es sich handelt), und der mit den folgenden Worten beginnt:

Sial banget hari ini, gâ?? ada hujan dan gâ?? ada angin tiba-tiba saja toolbar wordpressku hilang entah kemana. Tanya ke mas Hendra kenapa toolbarku bisa hilang and beliau menjawab â??emangnya mas makai wordpress engine yang berapa? soalnya banyak teman-teman saya menanyakan hal yang sama seperti yang mas tanyakanâ??.

Ich fühlte mich unwillkürlich an einen anderen Text erinnert, der an einer Stelle »mittendrin« so lautet:

kreba kaya okaha hokaye lake reba hotaye leba bai-ul-ea mase leome homreba rebakaye rekaba yoy hokai-ur-amoyrea hea kai-ul-akame tai-womka yoy bakir-ame kango akahame lea kame bal-ea oye lea hokaba lea kaye rea kir-eay ai-wo-mome laba hokaha hoka perea kao yomka bayokea hokai-ur-itira hokaba hoka pereba hokliba atai-ur-eba hokaye ramome reba hoka soye rea hotaybabe lekira hokai-ur-ikir-ame leba okaba […]

Nun, jetzt sehe ich diese beiden Texte untereinander, und ich kann gar nicht mehr so eine groÃ?e Ã?hnlichkeit erkennen. Aber ein bisschen Ã?hnlichkeit glaube ich auch jetzt noch zu fühlen, vor allem wegen der Häufigkeit kurzer Wörter. Der erste Text ist, wie schon gesagt, aus einer natürlichen Sprache, in der wenigstens noch gebloggt wird und die gewiss ihre Sprecher und Hörer hat. Der zweite »Text« hingegen ist eine meiner frühen Sackgassen im Voynich-Manuskript. Er entstand, als ich nach Möglichkeiten suchte, die Glyphenfolge in einer sprechbaren Form darzustellen. Ich versuchte damals auch, mich musikalisch-lyrisch an das Problem heranzupirschen, und halte das auch heute noch für eine gute Idee. Wenn man von der Idee ausgeht, dass der »Text« des Voynich-Manuskriptes eine reale Sprache ist, denn sollte man durchaus den Versuch wagen, nicht nur die Grammatik, sondern auch die Rhythmik dieser Sprache aufzufinden – vielleicht lässt sich auf diese Weise ein guter Kandidat für die Sprache des »Textes« finden. Natürlich sind solche Vorgehensweisen zwangsläufig zunächst spekulativ und müssen fruchtbar sein, um überhaupt ernst genommen werden zu können.

Natürlich ist der zweite »Text« ein völlig willkürliches Produkt meiner Vorstellung davon, was ich für »aussprechbar« halte. (Es ist noch willkürlicher, als die Entscheidungen, die im Rahmen einer Transkription getroffen werden müssen.) Er wurde mit einer Reihe einfacher Regeln aus der EVA-Transkription von Takeshi Takahashi erzeugt, Grundlage des »Textes« ist der biologische Teil des Manuskriptes. Die hier angewendeten Regeln verursachen darüber hinaus einen Informationsverlust, sie sind also schlechte Regeln. Insbesondere verschieben sich die Endungen der »Wörter« und die »Gallows« führen in bestimmten Konstellationen zu eingeschobenen Vokalen. Das ist aber noch nicht alles. »Wörter« aus zwei Zeichen, die auf einen Vokal enden, werden zum Bestandteil des nächsten »Wortes« gemacht, genau so wird mit »Wörtern« verfahren, die nur aus einem Vokal bestehen. Wo »Wörter« auf drei Vokalen enden, wird der letzte Vokal in das nächste Wort herübergezogen. Gruppen von drei Konsonaten bekommen ein willkürliches »e« zwischen dem ersten und dem zweiten Zeichen eingeschoben. Wenn sich eine solche Gruppe jedoch am Anfang eines »Wortes« befindet, werden zwei Konsonanten in das vorhergehende Wort gezogen. Als Ergebnis dieser Regeln scheint vieles von der repetitiven Struktur der Glyphenfolge aufgelöst worden zu sein, es findet sich aber dennoch in etwas subtilerer Form wieder.

Die vielen Bindestriche spiegeln eine rhythmische Struktur wider, die ich anfangs zu erkennen glaubte. (Sie schien sich mit den Gallows, der ch-Ligatur und der Folge eeee zu decken.) Leider musste ich diese Idee schon nach einer oberflächlichen Prüfung wieder aufgeben, aber die Bindestriche sind geblieben. Später habe ich diese Regeln in den Extractor meines Voynich Information Browsers aufgenommen, um die Schnittstelle für die Module zur Bearbeitung einer Transkription zu testen. Und obwohl es eine Spielerei ist, ist dieses sinnlose Modul doch geblieben. Vielleicht auch deshalb, weil es immer noch die einzige Aufbereitung des »Textes« ist, die mir eine sinnliche Erfahrung bereiten kann, indem ich sie spreche.

Und das alles ist mir wieder eingefallen, als ich einen Text in einer natürlichen Sprache sah, der mich auf dem ersten Blick oberflächlich an diesen »Text« erinnerte. Natürlich war auch das eine Sackgasse…

Thema: Diverses | Kommentare (1)

Ein neues Design

Freitag, 18. Januar 2008 1:15

Es ist ja nicht so, dass das alte Design des Voynich-Blogs schlecht gewesen wäre. Es war schlicht und erfüllte seinen Zweck ganz ausgezeichnet. Allerdings empfand ich es als zunehmend nachteilhaft für die hier doch regelmäßig erscheinenden, überlangen Texte, die damit sehr anstrengend zu lesen waren. Das empfand ich als unbefriedigend. Deshalb habe ich mich nach einer neuen Gestaltung für dieses Blog umgeschaut, die für die speziellen Inhalte besser geeignet ist.

Des weiteren wurde mir in den letzten Wochen mehrfach mitgeteilt, dass einige Navigations-Links mit der aktuellen Version des Opera-Browsers nicht funktionieren. Der Grund dafür ist ein seltsamer Fehler im Browser, der gelegentlich auftritt, wenn Elemente rechts oder links fließend formatiert werden, was für diese Links der Fall war. Solche Elemente werden unter Umständen, die ich mit einer mehrstündigen Suche nicht völlig verstanden habe, vom vorhergehenden Element überdeckt, so dass Links nicht mehr zugänglich sind. Da ich persönlich Opera für einen hervorragenden Browser halte, den ich keineswegs von der Benutzung dieses Blogs ausschließen möchte, hätte ich sowieso eine Bearbeitung des alten Designs vornehmen müssen – und das hat mich letztlich dazu motivert, die Gestaltung des Blogs gegen eine andere auszutauschen.

Nach dem Durchschauen einiger WordPress-Themes fiel meine Wahl auf das deutsche Theme »Avenue«, das so gut ist, dass ich es beinahe unverändert übernehmen konnte. Meine einzigen Modifikationen betrafen den Austausch des Bildes im Titelbereich und einige minimale Anpassungen der Formatierung von eingefügten Bildern, damit meine an die vorherige Gestaltung angepassten Bildbearbeitungen hier besser aussehen.

Es kann durchaus sein, dass es hier im Moment noch ein paar Fehler gibt, die mir beim Testen entgangen sind. Diese werden in den nächsten Tagen verschwinden.

Thema: Kommunikation | Kommentare (0)

Die Glyphen und die Weirdos

Sonntag, 6. Januar 2008 12:55

An sich ist das Schriftsystem des Voynich-Manuskriptes einfach aufgebaut. Es gibt, wenn man die Glyphen nach ihrem ersten Strich kategorisiert, vier große Gruppen von Glyphen sowie einige besonders geformte Zeichen.

Die vier Gruppen der Glyphen

Die erste Gruppe von Glyphen beginnt mit einem kurzen, diagonal von oben links nach unten rechts geführten Strich, der mit weiteren Elementen versehen werden kann. Ich nenne diese Gruppe nach ihrer einfachsten Glyphe die I-Glyphen. (Dies ist meine Benennung und kein allgemein üblicher Name.) Diese sind etwa i, r, n, l, m.

Die zweite Gruppe von Glyphen beginnt mit einem kleinen Bogen, der mit weiteren Elementen versehen werden kann, aber auch häufig für Ligaturen verwendet wird (EVA ch). Ich nenne diese Gruppe nach ihrer einfachsten Glyphe die E-Glyphen. (Auch dieser Name ist nicht allgemein üblich.) Diese sind etwa e, s, ch, g, sh, o; aber auch d, y und a sind wegen ihres ersten Striches zu dieser Gruppe zu zählen.

Die dritte Gruppe sind die Gallows, die mit einem langen, senkrechten Abwärtsstrich beginnen. Ich nenne diese Gruppe von Glyphen der allgemeinen Konvention folgend Gallows. Diese sind t, k, p, f. An einigen Stellen treten fantasievoll ausgeführte Formen der Gallows auf, die aber immer noch klar als Gallows zu erkennen sind.

In einer vierten Gruppe fasse ich Glyphen zusammen, die aus dem gewohnten Schema herausfallen. Der häufigste Vertreter dieser Gruppe ist das beinahe nur am »Wortanfang« auftretende q. Nach diesem auffälligsten Vertreter der ganzen Gruppe spreche ich von den Q-Glyphen. (Was wiederum kein allgemein üblicher Name ist.) Zu dieser Gruppe zähle ich auch das x, das im »Text« des Manuskriptes nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Es tritt entweder am Ende eines »Wortes« auf, oder es steht vor den Glyphen a, o oder y. Hier drängt sich der Gedanke auf, dass diese ungewöhnliche Glyphe – ähnlich wie q – eine besondere, noch nicht verstandene technische Funktion erfüllt. In den Ringen der kreisförmigen Diagramme erscheint x allerdings gleichberechtigt neben anderen Glyphen, was bei q nicht der Fall ist.

Die Glyphen der ersten und zweiten Gruppe folgen häufig wiederholt aufeinander und scheinen in diesen Kombinationen eigene Zeichen (also Bedeutungseinheiten) zu bilden, wie es sich in den typischen Endungen ir, iir, in, iin, iim am erkennbarsten zeigt. Wenn man sich längere Zeit mit dem Manuskript beschäftigt hat, bekommt man ein Gefühl dafür, dass in den meisten »Wörtern« des »Textes« die Abfolge der Glyphengruppen nicht willkürlich ist, sondern gewissen Regeln folgt, die nur am Ende eines »Wortes« häufiger durchbrochen werden. (Ich werde später einmal mehr darüber schreiben.) Tatsächlich hilft mir diese Einsicht manchmal, fragwürdige Stellen einer Transkription zu erkennen – aber das »verdammte Manuskript« enthält auch wirklich Abfolgen von Glyphen, die diesen Regeln widersprechen.

Es ist also ein praktisches, schnörkelloses und elegantes Schriftsystem, das einem begegnet, wenn man sich mit dem Manuskript beschäftigt. Der größte Teil des »Textes« wird aus sehr einfachen Elementen gebildet, die sich gut mit einer Feder schreiben lassen. Es entsteht fast schon der Eindruck einer gewissen Phantasielosigkeit.

Die Weirdos

Umso verwunderlicher erscheint es da, dass es immer wieder einzelne Glyphen gibt, die sehr selten sind und die sich nicht in das einfache System einzufügen scheinen. So lange die Bedeutung des Schriftsystems nicht bekannt ist, kann niemand eine Aussage darüber treffen, ob diese Zeichen lediglich Nachlässigkeiten (oder Spielereien) des Schreibers sind, oder ob sie eine besondere Bedeutung tragen. Jede Transkription hat mit diesen seltsamen Glyphen zu kämpfen, die meisten einfachen Auswertungen mithilfe eines Computers scheinen dieses Problem zu ignorieren. Im englischen Sprachraum spricht man von den Weirdos, ein Wort, das ich mangels besserer Bezeichnungen gern übernehme…

Die Weirdos sind gar nicht selten. Auf beinahe jeder Seite lässt sich mindestens ein Beispiel finden, und auf einigen Seiten treten sie stark gehäuft auf. Einige Weirdos sind nur leichte Abwandlungen des Zeichenvorrates, einige andere scheinen auf einen unverständigen Versuch der Restauration zurück zu gehen, und wieder andere sind von großer Besonderheit. Die hier vorgestellten Weirdos sind nur eine kleine Auswahl der bösen Überraschungen, die einem das Voynich-Manuskript in den Weg legt, wenn man es zu lesen versucht. Beispiele, die ganz offenbar auf fehlerhafte Restauration zurückgehen, wurden bewusst ausgeklammert; ferner werden solche Weirdos nicht erwähnt, die – wie die beiden seltsamen Gebilde auf dem linken Rand der Seite f1r – nicht sicher als Glyphen im »Text« erkennbar sind. Ich hoffe, das diese kleine und völlig unvollständige Sammlung das Misstrauen gegenüber den gängigen Transkriptionen verstärkt und die Neigung erhöht, sich mit dem richtigen Manuskript zu befassen.

Einige (sehr wenige) Beispiele

q'oViele Weirdos sind gar nicht so ungewöhnlich, wie der Name Weirdos vermuten lässt. Er leitet sich vom englischen Adjektiv »weird« ab, das zu Deutsch so viel wie »sonderbar« oder »unheimlich« bedeutet. Auch an einem »Wort«, das mit qo beginnt, ist zunächst nichts Sonderbares, es handelt sich um ein sehr häufiges Präfix. Auch ist es im Manuskript gar nicht unheimlich, dass ein häufiges Präfix als einzelnes Wort auftritt. Was diesen Weirdo auf Seite f1v auszeichnet, ist der deutlich sichtbare, horizontale Strich über der o-Glyphe, der den Eindruck eines diakritischen Zeichens erweckt. (In lateinischen Handschrift wurde mit einem solchen Strich über einem Vokal ein »m« notiert.) Ein solcher Strich taucht an keiner anderen Stelle des Manuskriptes auf.

polEbenfalls auf Seite f1v findet sich in der letzten Zeile diese Besonderheit, die auf dem ersten Blick kaum ins Auge fällt. Das Wort wird einfach als pol »gelesen«. Dabei ist die p-Glyphe ungewöhnlich geformt. Ihr senkrechter Strich geht nicht bis auf die Grundlinie herunter, sondern ist auf einen e-Strich aufgesetzt, was sehr außergewöhnlich ist. Natürlich kann es sich hier um eine Korrektur des Schreibers handeln, aber es ist schon erstaunlich, dass dieser ausgerechnet ein Gallow vergessen haben sollte, um gleich mit dem ersten Bogen der folgenden o-Glyphe zu beginnen. Selbst, wenn dies sein Fehler gewesen sein sollte, es ist genügend Abstand zum vorhergehenden Wort vorhanden, um das eventuell vergessene p nachträglich einzufügen. Diese Schreibweise erweckt den Eindruck einer Absicht des Schreibers, und zwar einer im Manuskript sehr ungewöhnlichen und damit rätselhaften Absicht.

sa'iinDie Seite f2r erfreut nicht nur durch ihre gute »Lesbarkeit«, sondern auch durch ein besonders seltsames Wort, das sich am zutreffendsten als sa‹iin transkribiert. Doch schon die Gestalt der s-Glyphe entspricht nicht dem Regelfall, da der obere Bogen eine Schleife formt und offenbar vom Autor vorsichtig mit der Federspitze gezogen wurde, um diese Form auch wirklich sicher auf Pergament zu bringen. Sehr ungewöhnlich ist aber auch der – sonst vor allem in der Komposition des sh gebräuchliche – Bogen zwischen a und i.

OsEin in den gewöhnlichen Konzepten gar nicht richtig transkribierbarer Weirdo findet sich auf Seite f4r. Die erste Glyphe passt nicht in die normalen Gestaltmerkmale des Zeichenvorrates. Sie sieht aus, als wäre sie eine um 180 Grad gedrehte e-Glyphe oder der abschließende Bogen einer o-Glyphe ohne den ersten Strich eines o. Um das hier abgebildete »Wort« in eine Transkription zu übernehmen, muss eigens für diese seltsame Glyphe eine Notation eingeführt werden. Tatsächlich haben hier fast alle Transkriptoren eine unlesbare Glyphe notiert oder das deutlich erkennbare Artefakt überhaupt nicht in die Transkription aufgenommen, als sei es ein Tintenklecks. In jedem Fall ist der Bogen zu weit von der Pflanzenzeichnung entfernt, um ein möglicher Bestandteil des grafischen Entwurfes zu sein. Es handelt sich um einen Bestandteil des »Textes«

qoSeite f4v zeigt in der vierten Zeile eine wirklich ungewöhnliche q-Glyphe. Der senkrechte Strich reißt sehr weit nach oben aus und erweckt so fast den Anschein, als hätte der Autor an dieser Stelle beinahe versehentlich einen Gallow schreiben wollen, diesen aber noch zu einem qo »gerettet«. Weil das nächste Wort jedoch nicht direkt mit einem Gallow beginnt, ist diese schnelle Erklärung eher fragwürdig. Da das nächste Wort jedoch mit der Ligatur cth beginnt, könnte sich hier jedoch ein kleiner, sehr unsicherer Hinweis darauf finden, dass der Autor beim Schreiben der ch-Ligaturen mit einem Gallow in der Mitte so vorgegangen ist, dass er mit dem Gallow begann. Aber das ist natürlich eine Spekulation auf sehr dünner Grundlage…

ckyEin recht häufiger Weirdo ist die unvollständig ausgeführte ch-Ligatur mit einem integrierten Gallow. Das abgebildete Beispiel ist der Seite f8r entnommen. Im Regelfall tritt die c-Glyphe nicht alleinstehend auf, sondern nur in der Kombination ch. Aber es gibt im Manuskript immer wieder Beispiele dafür, dass das c an einem Gallow endet und nicht wie erwartet in einem h (oder, was seltener auftritt, in einem o oder y) fortgesetzt wird.

rotchy rodaiinImmer wieder begegnet man auch Ausführungen der vertrauten Glyphen, deren Abweichungen von der normalen Form so stark und auffällig sind, dass man nicht an eine Beiläufigkeit glauben mag. Dies gilt etwa für die beiden einleitenden r-Glyphen der Zeilen 11 und 12 auf Seite f10r, deren Anfangsstrich eine deutlich vom Schema der i-Glyphen abweichende Form hat und aus dem normalen Duktus der Schrift klar herausfällt. Obwohl dies ein sehr auffälliger Weirdo ist, eine Glyphe, deren Gestalt eher an eine arabische Ziffer »3″ als an ein r erinnert, wird hier meistens ein r gelesen.

rDie seltsame Form einer i-Glyphe mit »anderem«, nach hinten gebogenem Anfangsstrich taucht gar nicht so selten im Manuskript auf, ein anderes Beispiel ist dieses n auf Seite f14v in der sechsten Zeile. Trotz des deutlich geformten Bogens und der Tatsache, dass diese Glyphe höher als die anderen Glyphen der Zeile steht und allein dadurch wirklich auffällt, liest hier jede Transkription ein n.

qTain?Die Seite f15v zeigt in der zweiten Zeile eine seltsame Mischbildung aus einer q-Glyphe und einem Gallow. Obwohl diese Seite starke Anzeichen der Restauration zeigt, tritt diese Seltsamkeit gerade an einer eher unverdächtigen Stelle auf. Diese Glyphe ist für einen Gallow zu niedrig, dennoch wurde der Anfangsstrich ungefähr auf der richtigen Höhe begonnen, aber viel zu weit nach unten gezogen.

choyEine seltsame und einmalige Glyphe, die entfernt an die y-Glyphe erinnert, findet sich auf Seite f19r. Auffällig ist hier, dass die Glyphe über einer o-Glyphe begonnen wurde. Da das so geformte Symbol keine erkennbare Ähnlichkeit zu einer anderen Glyphe hat, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hier um eine Korrektur eines Schreibfehlers handelt – oder aber, der Autor hat nur sehr selten Schreibfehler gemacht. Die Tatsache, dass auch f19r stark von Restauration geprägt ist, macht die Beurteilung nicht einfacher.

r?Recht unverdächtig in Hinblick auf Restaurationen sieht hingegen Seite f20r aus, und dennoch findet sich hier ein rätselhafter Weirdo. Was einige Transkriptoren als ein r »gelesen« haben, ist in Wirklichkeit ein etwas zu klein geratenes s mit einem Bogen, der mit dem oberen, rückwärts geschwungenen Bogen des s zusammenfließt. Der Gesamteindruck ist ein schwer deutbares Zeichen, das allerdings mit Gewissheit nicht als r zu »lesen« ist.

okokamViele Weirdos sind ungewöhnlich geformte Gallows, so wie dieses Beispiel aus der ersten Zeile der Seite f24v. Natürlich bleiben diese Gallows noch als Gallows erkennbar, aber es wird schwierig, sie vernünftig zu deuten. So ein k mit einem deutlichen Knick kann einfach nur auf ungewöhnliche Weise verziert sein, es kann aber auch eine Mischform zwischen k und f andeuten oder es kann sich auch um ein völlig anderes Zeichen handeln. Das Transkriptionsalphabet EVA hat eigens für diese eine Glyphe den speziellen Code 146 eingeführt, so dass hier wenigstens die »richtige« Lesart klar ist.

ho?Aber es ist kaum möglich, für jede Seltsamkeit im Schriftfluss einen eigenen Code einzuführen. Diese Glyphe auf Seite f25v erweckt den Eindruck, als sei sie die rechte Hälfte eines Gallows, der ohne den senkrechten Strich geschrieben worden wäre. Um eine Notlösung des Schreibers wegen Platzmangels kann es sich kaum handeln, da genügend Raum zur vorhergehenden o-Glyphe vorhanden ist. Die Glyphe ist genau so rätselhaft wie das kleine Schildkröt-Drachen-Pferd, das in der unteren linken Ecke an der Pflanze nascht. (Vorschläge für einen besseren Namen für dieses »Tier« sind willkommen.)

Abschließendes

Ich habe hier nur Beispiele von Weirdos erwähnt, die auffällig sind und wahrscheinlich nicht auf das Werk einer unverständigen Restauration zurückgehen. Es ist leicht, auf beinahe jeder Seite mindestens ein Beispiel für eine nicht genau bestimmbare Glyphe zu finden. Die recht bekannten Seiten, auf denen sich Weirdos stark häufen, habe ich hierfür gar nicht betrachtet, obwohl diese Seiten in vielfacher Hinsicht sehr interessant sind.

So unsicher die Bedeutung der Weirdos ist – wir wissen ja gar nichts über die Bedeutung des Schriftsystemes – so wichtig ist dieses Thema. Handelt es sich in einigen Fällen um Verschreiber des Autors, die von ihm selbst korrigiert wurden, indem sie zu Weirdos geformt wurden, so können diese Artefakte etwas neues über die Vorgehensweise des Autors bei der Niederschrift verraten. Damit könnten sie auch einen Fingerzeig auf das zur Verschlüsselung angewendete Verfahren geben, wenn hier überhaupt eine Verschlüsselung vorliegt. Angesichts der Tatsache, dass wir alle nach Jahrzehnten der Forschung immer noch nichts wissen, könnten solche kleinen Indizien ein neuer Ansatzpunkt werden, das Manuskript zu verstehen – oder doch wenigstens mit einem neuen Ansatz zu scheitern… 😉

Es lohnt sich also, ein offenes Auge für die Weirdos zu haben. Vor allem, weil wir aus den regelmäßigeren Glyphen auch noch nicht schlau geworden sind. Dennoch verwenden wir alle immer wieder Transkriptionen, die eine Regelmäßigkeit vortäuschen, die sich im wirklichen Manuskript nicht in diesem Maße finden lässt.

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Die Texte von James Hampton

Samstag, 5. Januar 2008 4:42

Eine Seite aus dem Notizbuch von James Hampton. Für eine Anzeige in voller Größe bitte auf dieses Bild klicken

Ich habe bei meinem Text zum visionären Werk eines James Hampton einen wirklich wichtigen Link vergessen. Natürlich sind eingescannte Versionen der Hampton-«Texte« im Internet verfügbar. Wer Lust dazu verspürt, kann sich ja über eine Transkription Gedanken machen und vielleicht aufschlußreiche Vergleiche mit dem Voynich-Manuskript anstellen – ich werde in absehbarer Zeit wohl nicht dazu kommen.

Das heißt aber nicht, dass es ein unwichtiges Thema wäre. Jedes Dokument, das bei hinreichend großer »Textmenge« genügend Eigenschaften mit dem Voynich-Manuskript teilt, hilft, unser liebstes Rätsel aus seiner geschichtlichen Isolation herauszuholen und kann somit Licht auf die möglichen Umstände seiner Entstehung werfen. Wenn sich herausstellt, dass Hamptons »Text« in seinen Eigenschaften stark vom Voynich-Manuskript abweicht, ist allerdings selbst dieses kleine Hoffnung dahin.

Link: Die Hampton-«Texte« zum freien Download

Thema: Andere Rätsel, Kommunikation | Kommentare (0)

f3r: Spekulation zu den »Pflanzen«

Sonntag, 30. Dezember 2007 0:55

Seite f3r in Miniatur-DarstellungDie Seite f3r ist eine Seite des »pflanzenkundlichen« Teiles. Die dort seitenfüllend dargestellte »Pflanze« weist keine erkennbare Ähnlichkeit zu einer in der botanischen Wirklichkeit dieses Planeten wachsenden Pflanze auf. Dieser Schluss scheint zumindest berechtigt, wenn man das Scheitern aller fachkundigen Bemühung vor Augen hat, die Pflanzen des Voynich-Manuskriptes zu identifizieren.

Ist dies ein voreiliger Schluss? Könnte man etwa einen ähnlichen Schluss aus allen bislang gescheiterten Versuchen ziehen, den »Inhalt« des Manuskriptes zu »lesen«, nämlich den Schluss, dass das kollektive Scheitern vieler Geister ein überdeutliches Indiz dafür ist, dass es gar keinen »Inhalt« gibt? Und kann auf dem Hintergrund eines solchen Schlusses Gordon Rugg mit seiner Annahme, dass es sich beim »Text« um einen mit Hilfe von Matrizen und Schablonen angefertigten »Fake« handeln könnte, doch noch recht bekommen? Trotz aller Erscheinungen, die er mit seiner Methode nicht reproduzieren konnte?

Nun, die Lage ist bei den »Pflanzen« ist etwas anders. Während die Schrift beispiellos bleibt und keine leicht widerlegbaren Annahmen über Beschaffenheit und Inhalt zulässt, lassen sich die »Pflanzen« leicht mit ähnlichen Pflanzen in der Natur vergleichen. Denn was in den Zeichnungen dargestellt wird, das sollen unzweifelhaft Pflanzen sein. Die Annahme, dass es sich um wirkliche botanische Erscheinungen handelt, wird dabei in den meisten Fällen recht klar widerlegt. Das hier vielleicht im Text vorgestellte Kraut namens »tsheos« weist zwar eine Kombination vertrauter Merkmale auf, ist aber dennoch nicht identifizierbar.

Detailansicht der BlätterZunächst sollte man sich nicht von der Farbgebung irritieren lassen. Die insgesamt sehr nachlässige Ausführung der Kolorierung steht im Gegensatz zu den zwar schnellen, aber doch alles in allem sorgfältigen Zeichnungen, die der Autor mit einer Feder anfertigte. Diese Farben wurden vermutlich erst nachträglich, vielleicht im Zuge einer Restauration, hinzugefügt, sie gehören eher nicht zum Entwurf des Autors. (Aber selbst das ist nicht völlig sicher.) Damit gehört auch eine typische und sehr verwirrende Eigenschaft vieler »Pflanzen« und auch dieses besonderen »Pflanze« des Manuskriptes nicht zum ursprünglichen Entwurf, und das sind die alternierenden Farben der Blätter.

Der Stängel dieser PlfanzeWas hingegen zum Entwurf gehören dürfte, dass sind die Punkte in Tintenfarbe auf den Unterseiten der stark überlappenden Blätter. Sie sind das einzige Merkmal, das auf diesen Blättern neben der Blattform angedeutet ist, sie scheinen also im Gegensatz zu einer Äderung oder Behaarung wichtig und »auffällig« zu sein. Beim Betrachten drängt sich der Gedanke an Sporen auf, die dargestellte »Pflanze« ist also ein Nacktsamer. Diese Interpretation deckt sich gut mit der Tatsache, dass diese »Pflanze« ohne eine Blüte dargestellt wurde, während die Mehrzahl der »Pflanzen« im Manuskript blühend gezeichnet sind. Auch der mit einer Schraffur auf dem Stängel angedeutete Schatten mit der klaren, explizit nachgezogenen Begrenzungslinie gehört wohl zur ursprünglichen Absicht des Zeichners, er soll vielleicht einen kantigen Stängel andeuten, wie man ihn ja bei vielen Pflanzen finden kann.

Mit diesen Informationen sollte es doch durchaus möglich sein, Kandidaten für die Identifikation der Pflanze aufzufinden. Aber es gibt offenbar keinen Nacktsamer von solcher Gestalt. Denn jeder Versuch, diese enigmatischen »Pflanzen«-Zeichnungen zu identifizieren, ist gescheitert, obwohl ein großes Interesse an einer solchen Identifikation besteht. Es ist ja anzunehmen, dass diese »Pflanzen« einen Bezug zum »Text« der jeweiligen Seite haben könnten. Aber die »Pflanzen« erweisen sich als genau so fantastisch wie der »Text«, vielfach erwecken sie sogar den Eindruck, sie seien wie eine Kollage aus verschiedenen Elementen wirklicher Pflanzen zusammengesetzt.

Genau diese Beobachtung könnte aber auch eine Lösung des »Pflanzen«-Problemes sein. Hierzu nur eine erste, naheliegende Spekulation. Was wäre, wenn es im »Text« gar nicht um eine einzelne »Pflanze« geht, sondern um eine Zubereitung aus verschiedenen Pflanzen, sei es eine Rauschdroge, sei es eine Arznei? Könnte der Autor dann, um die Wirkung einer solchen Rezeptur aus verschiedenen Pflanzen zu illustrieren, eine synthetische »Pflanze« mit Merkmalen aller darin verwendeten Pflanzen ersonnen haben? Könnte der zugehörige »Text« so etwas besagen wie: Eine »Pflanze« (das meint in solchem Fall: eine Zubereitung aus pflanzlichen Bestandteilen), die aus der Wurzel von Kraut A, dem Stängel von Kraut B und den Blättern von Kraut C besteht, hat die folgenden Anwendungsfälle?

In diesem Fall wären auch die Zeichnungen »verschlüsselt«, und zwar auf eine recht wirkungsvolle Weise. Das Geheimwissen, das durch die Form der Niederschrift verborgen wurde, würde nicht leicht in den Illustrationen offenbar werden.

Leider sind diese »Pflanzen« nicht detailliert genug gezeichnet, als dass man die einzelnen Elemente ohne Kenntnis des »Textes« genau bestimmen könnte. Aber dennoch ist diese Spekulation ein Ausgangspunkt für eine mögliche Überprüfung, die den Gedanken wahrscheinlich rasch widerlegen wird. (Das geht mir immer so.) Bei der dargestellten Synthese der Illustrationen sollten gewisse Teile von einer Gruppe Pflanzen mit starker pharmazeutischer Wirkung häufiger verwendet werden; diese Teile könnte man zu identifizieren versuchen, um sie mit Mustern im »Text« der entsprechenden Seite abzugleichen. Wenn sich dabei zeigt, dass gewisse Textmuster regelmäßig oder doch nur häufig zusammen mit gewissen, ähnlich aussehenden Pflanzenteilen auftauchen, könnte diese Spekulation der Wirklichkeit des Manuskriptes nahe kommen. Vielleicht entsteht auf diese Weise sogar ein Ansatz, sich der Bedeutung des »Textes« anzunähern.

Ach, es gibt auch im neuen Jahr noch viele Aufgaben für den, der dieses Manuskript lesen möchte!

In diesem Sinne: Einen guten Rutsch in das neue Jahr.

Ach, eines noch: Ich bin mir völlig darüber bewusst, dass solche Kombinationen aus verschiedenen Elementen typisch für jene Form der unbewussten Verarbeitung ist, die bei jedem Menschen jede Nacht in Träumen manifest werden kann.

Thema: Seiten, Spekulation, Zeichnungen | Kommentare (2)

James Hampton und der Thron

Donnerstag, 13. Dezember 2007 5:03

Wenn man vor dem Rätsel des Voynich-Manuskriptes steht, bekommt man unwillkürlich den Wunsch, eine Zeitmaschine zu besitzen. Man sagt sich, dass die vielen, schwer verständlichen Eigenschaften dieses Buches vor allem deshalb jeder Herangehensweise trotzen, weil so wenig über den gesellschaftlichen und spirituellen Kontext und über die Zeit bekannt ist, in der dieses Buch entstand.

Dies ist aber nicht unbedingt eine zutreffende Annahme. Das Voynich-Manuskript ist ein einzigartiges Werk eines Menschen, der innerhalb seiner Gesellschaft wohl eher ein Außenseiter war – denn sonst würde vieles in seinem Werk einen stärkeren Bezug zur damals üblichen Formensprache aufweisen und wäre damit auch für uns etwas verständlicher. Solche einzigartigen Werke können selbst dann noch rätselhaft bleiben, wenn vieles von ihrem Kontext bekannt ist und wenn sie erst vor kurzer Zeit entstanden.

In diesem Text wird ein besonders spektakuläres Beispiel für das Werk eines Außenseiters beleuchtet. Große Teile dieses Werkes weisen eine gefühlte Nähe zum Voynich-Manuskript auf.

Der Visionär und Außenseiter-Künstler James Hampton wurde am 8. April 1909 in Elloree, einer kleinen ländlichen Gemeinde in South Carolina, USA, geboren. Sein Vater war ein schwarzer Gospel-Sänger und baptistischer Prediger. Im Alter von 19 Jahren hat James Hampton seine Familie verlassen und ist zu einem älteren Bruder nach Washington D.C. gezogen. Dort versuchte er mit offenbar falschen Angaben über seine Schulbildung an eine Stelle im öffentlichen Dienst zu kommen. Nach verschiedenen Gelegenheitsarbeiten in der Zeit zwischen 1939 und 1942 wurde er Soldat, zu dessen Aufgabenbereich allerdings niemals die Teilnahme an Gefechten gehörte. Im Jahre 1945 wurde er ehrenhaft aus der Armee entlassen und zog wieder nach Washington D.C., wo er ein Jahr später eine Anstellung als Hausmeister erhielt. Diese Tätigkeit übte James Hampton aus, bis er am 4. November 1964 an Krebs verschied. Er hatte nur wenige Freunde, war alles in allem eher verschlossen, und er führte – von außen betrachtet – ein unauffälliges, ereignisloses, ja, vielleicht sogar ein recht langweiliges Leben. Ein Leben, wie es Millionen anderer Bürger der USA auch führen. Auch die Lücken in diesen spärlichen Angaben lassen zunächst nichts Außergewöhnliches erwarten.

Dass James Hampton bei seiner Herkunft und in seinem gesellschaftlichen Kontext gläubiger Christ war, ist keineswegs ungewöhnlich, sondern entspricht der Erwartung. Auch, dass er schon früh unmittelbare, persönliche Erfahrungen mit der Gegenwart Gottes zu machen glaubte, war angesichts der damaligen Pfingstbewegung nicht einzigartig, wurde doch zu jenen Zeiten für viele Menschen mystisches Erleben wieder zum festen Bestandteil des gelebten Glaubens. Seine gewiss sehr tiefen mystischen Erfahrungen waren allerdings keine Träume, Eingebungen oder kurzen Visionen, sondern sie brachten James Hampton zu der inneren Gewissheit, dass er regelmäßig persönlich von Engeln und von Gott selbst besucht würde. Für seine Umwelt waren wohl keine Anzeichen offenbarer Geisteskrankheit zu erkennen, zumindest hat niemand so etwas berichtet oder gemutmaßt.

Das ist der Punkt, an dem die Geschichte etwas seltsam wird. Aber selbst auf diesem Hintergrund erwartet man – wenn man es noch nicht besser weiß – noch nichts wirklich Ungewöhnliches, sondern vielleicht ein Auftreten Hamptons als Prophet oder die Gründung einer weiteren, kleinen christlichen Gemeinschaft.

Um 1950 herum mietete James Hampton eine unbeheizte, spärlich beleuchtete Garage mit der Begründung, dass er an etwas arbeite und dafür mehr Platz benötige, als in seinem Zimmer verfügbar sei. Eine harmlos und unverfänglich klingende Aussage, doch als er Ende 1964 starb…

The Throne Of The Third Heaven Of The Nation's Millennium General Assembly

…hatte dieses »Etwas« monströse Dimensionen und bestand aus 180 Einzelteilen! Es war der »Thron des dritten Himmels der allgemeinen Jahrtausend-Versammlung der Nationen«, ein in jeder Hinsicht einzigartiges religiöses Kunstwerk. Jeden Tag nach Feierabend hatte Hampton einige Stunden in der Garage zugebracht, um dort dieses Werk nach den Anweisungen Gottes zu bauen.

James Hampton vor dem ThronDas gesamte Werk besteht überwiegend aus Müll und minderwertigen Materialien wie Glühlampen, Papprollen, Konservendosen, Schrott und Metallfolien. Das nebenstehende Bild, das Hampton vor dem Thron zeigt (für eine größere Ansicht auf das Bild klicken), gibt einen Eindruck von den räumlichen Ausmaßen des ganzen Kunstwerkes, welches im Bilde etwa zu einem Viertel sichtbar wird. Die gesamte Anordnung spiegelt biblische Inhalte wider. Auf der von vorne betrachtet linken Seite befinden sich Elemente, die auf das Alte Testament verweisen, die Elemente auf der rechten Seite beziehen sich auf das Neue Testament. Der eigentliche Thron ist ein reich verzierter Stuhl in der Mitte, über dem die Worte »Fürchte dich nicht« in englischer Sprache stehen – vielleicht das einzige leicht verständliche Element in diesem Werk…

Ein enigmatisches Zierelement mit Flügelformen... Die Darstellungen und ihre Formensprache sind einmalig und scheinen ohne Vorbild zu sein. Das meist verwendete Zierelement in den aufwändig gestalteten Details ist eine Flügelform. Vielleicht soll diese Form so etwas wie »Erhebung« symbolisieren, vielleicht handelt es sich aber auch um abstrakte Darstellungen für Engelswesen. Gibt ein solches Detail schon das Rätsel auf, ob es sich hierbei um reine Ornamentik oder um ein esoterisch bedeutsames und damit auch deutbares (und letztlich verständliches) Element handelt, so finden sich auch verschiedene abstrakte Symbole, die wohl sicher eine Bedeutung haben, aber auf Grund ihrer Einzigartigkeit nicht gedeutet werden können – und dies neben sicher und leicht deutbaren Elementen wie etwa den Gesetzestafeln mit dem Dekalog, den zehn Geboten der Bibel, in geradezu klassischer Darstellung. (Allerdings sind auch die zehn Gebote mit einer Besonderheit »ausgestattet«.)

Ein abstraktes Symbol, das an klatschende Hände erinnertSicher ist nur eines: James Hampton ist sehr planvoll vorgegangen. Es gibt Skizzen mit seinen Entwürfen, und es existiert auch ein Notizbuch, in dem er seine Offenbarungen festgehalten hat. Damit sollten selbst enigmatische Element wie das nebenstehende abstakte Symbol deutbar sein, wenn man diese Notizen nur aufmerksam und mit offenem Geiste liest. Allerdings gibt es dabei ein kleines Problem. Ein großer Teil der Texte in den Planskizzen und alle Offenbarungen Hamptons sind in einer außerordentlich schwer deutbaren Geheimschrift geschrieben, deren Eigenschaften so verwirrend sind, dass kaum jemand glaubt, dass sich darin ein »Inhalt« im herkömmlichen Sinne des Wortes verbergen könnte.

Eine Seite aus dem Notizbuch von James HamptonUnd das ist der Punkt, an dem sich die Ähnlichkeit zum Voynich-Manuskript überdeutlich zeigt. Eine künstlerische Gestaltung, die Vertrautes und Unerwartetes in verwirrender Weise kombiniert, kommt zusammen mit einer verschlüsselten Botschaft in einem eigenen und relativ komplexen Schriftsystem. Diese Botschaft ist nicht leicht zu deuten und bis heute unverstanden. (Ich bin mir sicher, dass sie wenigestens für James Hampton eine klare Bedeutung hatte.)

Jede Seite in Hamptons Notizbuch ist gleich aufgebaut. Am oberen Rand der Seite steht in lateinischer Schrift »St. James« mit einer laufenden Nummer, am unteren Rand steht in lateinischer Schrift das Wort »Relevation« (Offenbarung). Der größte Teil der Seite wird von einem »Text« eingenommen, dem man sofort anzusehen glaubt, dass er eher hastig geschrieben wurde; ganz so, als hätte James Hampton seine Offenbarungen schnell und etwas gedrängt mitschreiben müssen. Dieser »Text« ist in einem eigenen Schriftsystem verfasst, das aus ungefähr dreißig verschiedenen, zum Teil komplex aufgebauten Glyphen besteht. Es gibt keine Satzzeichen im Text und keine erkennbaren Zwischenräume zwischen »Wörtern« dieser Botschaft.

Scheinbar hat der Schreiber keine nachträglichen Korrekturen im Notizbuch vorgenommen, es ist also durchaus möglich, dass er Schreibfehler während des Schreibens nicht erkannte oder einfach stehen ließ. (Er hielt sich gewiss für inspiriert, das darf nicht vergessen werden.) Einige Glyphen erinnern grob an Buchstaben des lateinischen Alfabetes, die zum Teil gedreht oder gespiegelt wurden, andere Glyphen sind hingegen ohne Ähnlichkeit zum Schriftsystem des sozialen Umfeldes. Zum Teil scheinen auch mehrere deutlich getrennte Elemente ein einzelnes Zeichen zu bilden, da sie immer wieder in dieser Kombination auftauchen. Jedem, der sich schon einmal mit dem Voynich-Manuskript beschäftigt hat, erscheinen diese Eigenschaften des Textes und des Schriftsystemes vertraut.

Der Dekalog in Englisch und im Schriftsystem HamptonsIn einem Punkte scheint es uns jedoch besser zu gehen als beim Voynich-Manuskript, da uns die religiösen Bezüge und damit die wesentlichen kulturellen Hintergründe im Werke Hamptons vertraut sind. So gibt es zum Beispiel in den Notizen zwei verschiedene Bezüge auf die zehn Gebote, die dort auch im Schriftsystem Hamptons aufgeführt sind – an einer Stelle sogar neben der englischen Version. (Siehe nebenstehendes Bild, zum Vergrößern klicken.) Die Tatsache, dass diese beiden »Texte« bemerkenswert ähnlich (aber nicht identisch) sind, scheint auch zu bestätigen, dass dieses Schriftsystem einen Inhalt transportiert. Aber dieser »Stein von Rosette« zeigt letztlich nur, dass es sich bei der Niederschrift der Offenbarungen nicht um einfach verschlüsselte englische Sprache handelt, sondern um etwas völlig anderes, uns unverständliches.

Kurz: Obwohl wir den kulturellen Bezug dieses Werkes einordnen können, bleibt es rätselhaft. Wenn wir eine Zeitmaschine zur Verfügung hätten, könnten wir James Hampton besuchen und ihm vorsichtig ein paar Fragen stellen – denn im Gegensatz zum Voynich-Manuskript wissen wir ja genau, wer der Autor ist. Es scheint mir sicher, dass ein Gespräch mit James Hampton viele Fragen zu seinem Werk und zu seinen Offenbarungen klären könnte und darüber hinaus sehr interessant wäre.

Beim Voynich-Manuskript würde hingegen nicht einmal die Zeitmaschine helfen. Es sei denn, wir fänden den Autor. Und das könnte eine sehr schwierige Aufgabe sein, da wir nicht einmal wissen, wo wir mit der Suche anfangen sollten…

Thema: Andere Rätsel | Kommentare (3)