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Westerlinck-Code und Steganographie

Montag, 4. September 2006 23:10

Vom Westerlinck-Code, einem an sich sehr einfachen steganographischen Verfahren habe ich heute zum ersten Mal gehört, als ich einen Artikel auf heise online las.

Natürlich wurden auch Botschaften durch Verschlüsselung in normalen Texten versteckt: Beispielsweise durch den »Westerlinck-Code«, bei dem Zahlen mit drei Ziffern für die Buchstaben des Alphabets verwendet wurden. Jeder Buchstabe konnte dann durch eine Gruppe von drei Wörtern mit der richtigen Anzahl der Silben in einem Brief dargestellt werden. Wenn 112, so die Erklärung, den Buchstaben »n« codiert, kann er beispielsweise durch den Satz »I know nothing« dargestellt werden.

Natürlich erzeugt so ein Verfahren eine recht hohe Redundanz, und ich habe dabei sofort an einen verschlüsselten Text mit offenbar sehr hoher Redundanz gedacht. Aber diesen Gedanken konnte ich auch gleich wieder verwerfen.

Denn der »Text« des Voynich-Manuskriptes wird keine Steganographie enthalten.

Der Grund für diese Schlussfolgerung ist eigentlich ganz einfach einzusehen. Steganographie wird eingesetzt, um die Existenz einer Information hinter einer scheinbaren Belanglosigkeit zu verstecken, um diese Information auch vor einem aufmerksamen Mitleser zu verbergen. Wenn etwa die Ziffernfolge der Zahl Pi ein mitzuteilendes Geheimnis wäre, denn könnte ich sie wie folgt in einem englischen Text verbergen: »How I wish I could enumerate it…« — ich habe für diese schnelle Idee Englisch verwendet, weil ich in dieser Sprache einen größeren Vorrat an kurzen Wörtern zur Verfügung habe. Die Ziffern sind hier natürlich in den Anzahlen der Buchstaben verborgen, die die Worte bilden. Wer nicht auf diese Idee kommt, wird nicht bemerken, dass mit Hilfe dieser Worte eine geheime Information übermittelt wird. Und das ist auch schon der ganze Zweck einer solchen Vorgehensweise.

Ein offensichtlich verschlüsselter Text, hinter dem sich ganz gewiss eine Botschaft verbirgt, kann hingegen nicht steganographisch gemeint sein. Die Existenz der Information wird auf diese Weise nicht verborgen, sondern überdeutlich gemacht.

Das heißt aber nicht, dass die teilweise sehr fremdartigen Zeichnungen im Manuskript keine Steganographie enthalten können. Leider ist dieser Aspekt bislang nur wenig untersucht worden. Zum einen ist eine solche Untersuchung sehr schwierig, da ja nicht bekannt ist, in welcher Weise Informationen in den Zeichnungen verborgen sein könnte. Zum anderen liegt eine transkribierbare Zeichenfolge vor, die sich nach der Mühe der Transkription leicht mit Hilfe eines Computers untersuchen lässt und dabei »harte Daten« liefert.

Leider hat die Forschung der Kryptologen und Glyphenzähler (die Kryptologen und Glyphenzähler mögen mir so eine flapsige Formulierung verzeihen) bislang nicht so viel Licht in das Dunkel gebracht. Sie lieferte zwar eine beeindruckende Liste von »Text«-Eigenschaften im Manuskript, aber keine Lösung. Das Faktenwissen hat sich gemehrt, doch die Einsicht ist nicht gekommen. Tatsächlich ist der »Text« mit zunehmender Kenntnis der »harten Fakten« immer verwirrender und rätselhafter geworden, was jeden ernsthaft an diesem Rätsel arbeitenden Menschen immer wieder entmutigt.

Ich frage mich schon lange, ob dieser »Text« wirklich die »Nachricht« im Manuskript enthält. Die vereinigte Geisteskraft von zum Teil hervorragenden Forschern hat dem Text auch nach Jahrzehnten computergestützer Analyse noch keine Nachricht entreißen können — nicht einmal spürbare Annäherungen gab es. Dies förderte die Entstehung der ungewöhnlichsten Spekulationen (dieses Wort ist nicht abwertend gemeint) über den Inhalt und vor allem die Sprache des »Textes«. Selbst eine so fern liegende Idee, dass es sich bei diesem »Text« um eine phonetisch geschriebene fernöstliche Sprache handeln könnte, kann durchaus beachtliche Indizien sammeln — obwohl das gesamte Erscheinungsbild des Manuskriptes, das eindeutig auf einen europäischen Ursprung hindeutet, einer solchen These widerspricht.

Deshalb ist mir eben auch die Idee gekommen, dass die »Nachricht« des Manuskriptes doch steganographisch übermittelt sein könnte — und zwar in den Illustrationen. Diese scheinen vordergründig Pflanzen, kosmologische Entwürfe und die Seltsamkeiten des »biologischen Teiles« zu verbildlichen, sind aber dabei eigentlich für sich selbst zu rätselhaft, um eine vordergründige Deutung zuzulassen.

Es erscheint mir durchaus denkbar, dass der »Text« eine konstruierte und sinnlose Zeichenfolge ist (dann wäre allerdings das Verfahren noch aufzuklären, und zwar besser, als Rugg dies versucht hat) und die eigentliche Nachricht in den Illustrationen verborgenist.

Ein Beispiel für eine seltsame Wurzel und WuchsformWas für diese Idee spricht, ist das eher »außerirdische« Aussehen der meisten Pflanzen. Die einzelnen Elemente der Pflanzen wirken vertraut, es handelt sich um Stängel, Blätter, Wurzeln, Blüten. Aber die Kombination dieser Elemente wirkt oft »zusammengesetzt«, so sehen einige Pflanzen aus, als wäre der oberirdische Anteil der Pflanze auf die Wurzel »aufgesetzt«, andere Pflanzen weisen erhebliche Asymmetrien auf. Diese Besonderheiten im »Wuchs« der Pflanzen lassen den Gedanken möglich erscheinen, dass es sich um künstlich konstruierte Pflanzen handelt. Und eine solche Konstruktion könnte durchaus dem Zweck dienen, eine Nachricht zu übermitteln.

Die Aufmerksamkeit eines »unbefugten« Lesers würde dabei natürlich von der Glyphenfolge absorbiert — das klappt ja bis heute bei fast allen Forschern. So könnte jemand gewissermaßen eine doppelte Steganographie verwendet haben. Durch die offenbare Kodierung einer Nachricht in den Glyphen wird der Gedanke von einer steganographischen Information abgelenkt, und dennoch befindet sich eine steganographisch kodierte Information in den Illustrationen.

Leider habe ich noch keine gute Idee, wie sich diese Hypothese untersuchen lässt. Es müssten an folgenden »Fronten« gearbeitet werden:

  1. Es wird ein Verfahren benötigt, dass mit Mitteln, die bereits im Spätmittelalter zur Verfügung standen, eine sinnlose Glyphenfolge erzeugt, deren Eigenschaften dem Manuskripte nahe kommt. Das ist keineswegs einfach und in Handarbeit offenbar unmöglich. Leider hat Gordon Rugg zu wenig Material nach seinem Verfahren erstellt, um eine umfangreiche statistische Untersuchung und einen anschließenden Vergleich mit dem Manuskript zu ermöglichen.
  2. Es wird eine »Beschreibungssprache« für die Gestaltmerkmale der Illustrationen benötigt (eine schwierige Aufgabe allein bei den Pflanzen). Nachdem die Illustrationen in dieses System übertragen worden sind, muss eine Untersuchung dieser Merkmale erfolgen, um die Frage zu klären, ob auf diese Weise Informationen verborgen wurden.

Beide Schritte sind mit großen Schwierigkeiten verbunden.

Allerdings sollte mit dem zweiten Schritt begonnen werden. Da beim Verstecken von Informationen auch sehr kleine Details eine Bedeutung tragen können, ist der Entwurf einer angemessenen Beschreibungssprache sehr schwierig. Bislang wurde auf diesem Gebiet nach meinem Wissen keine analytische Arbeit geleistet, man müsste von Null beginnen. Auch handelt es sich hier nicht um eine Arbeit, die eine Einzelperson im Alleingang machen sollte — ein »Verrennen« könnte schnell zu einem Jahr unbrauchbarer und vergebener Arbeit führen.

Thema: Spekulation | Kommentare (4) | Autor:

Die Seltsamen Seiten

Sonntag, 7. Mai 2006 0:24

Warnung: Dies ist ein sehr langer Text, der einiges an Wissen über das Voynich-Manuskript voraussetzt.

0. Vorab

Es gibt einige Seiten im Manuskript, die auf besondere Weise ausgezeichnet zu sein scheinen. Das zeigt sich mir, der ich leider den »Text« nicht verstehen kann, vor allem an der graphischen Gestaltung der Seite, die deutlich vom Durchschnitt des Manuskriptes abweicht. Kann man den meisten Seiten ein grobes Thema zuordnen (Pflanzenkunde, Arznei- oder Drogenkunde, Astrologie, Kosmologie, Nymphenbadekunde [1] oder die abschließenden Textabsätze), das auch an anderen Stellen des Manuskriptes abgedeckt wird, so wirkt die Zuordnung bei diesen Seiten gezwungen; sie scheinen eher eine Klasse für sich zu bilden.

Diese Seiten sind:

  • f49v (Die Blüte aus dem Gordischen Knoten)
  • f57v (Das Schriftkarrusell oder Der Papiercomputer)
  • f58r (Die Drei Sterne)
  • f66r (Die Drei Spalten)
  • f76r (Die Nummerierung)
  • f81r (Das unsichtbare Bad)
  • f86v5 (Die Neun Rosetten oder Die Schatzkarte)
  • f86v3 (Die Vier Quellen der Welt)

Natürlich ist diese Auswahl etwas willkürlich. Sie listet Seiten auf, die sich nicht sicher einem der angenommenen Themen dieses Kompendiums zuordnen lassen. Dass die meisten dieser Seiten dem kosmologischen Komplex zugeordnet wurden, erscheint mir mit Ausnahme von f86v3 fragwürdig — ich sehe dort kein Konzept der Kosmologie. Ich hätte aber auch mit gutem Recht f86r2 in diese Sammlung aufnehmen können, obwohl dort eine Wirkung der Sonne (oder des im Bezug zur Sonne stehenden Goldes) das Thema zu sein scheint. Diese Seite unterscheidet sich dennoch deutlich von anderen kosmologischen Seiten wie f86v4. Dennoch zähle ich sie nicht zu dieser Sammlung, da sie einen klaren (vielleicht esoterischen) kosmologischen Bezug zur Sonne hat.

Meine kleine Sammlung von Seiten nenne ich die »Seltsamen Seiten« — jede dieser Seiten hat Eigenschaften, die völlig einmalig im Manuskript sind und die deshalb die Deutung schwierig machen. Bislang scheint diesen Besonderheiten nur im kryptologischen Zusammenhang Beachtung geschenkt worden zu sein, man erhoffte sich Aufschluss über den Zeichenvorrat. Diese Betrachtungen will ich nicht wiederholen, das können andere Menschen auch besser als ich. Stattdessen will ich jede dieser Seiten mit Ausnahme der Schatzkarte kurz würdigen und aufzeigen, wo sich dort Ansatzpunkte für tiefere Betrachtungen finden. Vor allem tue ich das, damit der Inhalt meines Notizbuches [2] auch anderen Interessierten von Nutzen wird.

Als Transkriptionsmethode in diesem ganzen Text wird EVA verwendet.

1. Die Blüte aus dem Gordischen Knoten f49v

1a. Besonderheiten

Man mag zunächst denken, dass es sich hier um eine normale pflanzenkundliche Seite handele. Das gesamte Layout sieht danach aus: eine große, seitenfüllend gezeichnete Pflanze ist von Text im Schriftsystem des Manuskriptes begleitet.

Wer mit dem Manuskript vertraut ist, stellt jedoch drei Besonderheiten fest, die diese Seite von allen pflanzenkundlichen Seiten unterscheidet:

  1. Der Text ist außerordentlich lang.
  2. Den insgesamt 26 Zeilen sind abgesetzte Glyphen zugeordnet, die oft den Eindruck machen, nur halb ausgeführt zu sein oder »verkrüppelte« Formen des normalen Glypenvorrates darzustellen. Es findet sich die obere Hälfte des »o« als isoliertes Zeichen; es findet sich ein »r«, das wie eine arabische Ziffer »2« geformt ist; es findet sich ein »s« mit einem deutlichen Knick, der an ein »r« erinnert; es findet sich eine einmaliges Zeichen, ein »i« mit einem Abwärtstrich wie ein »y«.
  3. Die Zeilen von 2 bis 6 in mit arabischen Ziffern von 1 bis 5 durchnummeriert, diese Ziffern sind in moderner Form geschrieben, nicht in mittelalterlicher. Es handelt sich also hochwahrscheinlich um eine spätere Hinzufügung. Da aber nicht auszuschließen ist, dass der Schreiber dieser Ziffern das Manuskript noch verstand, kann diese Hinzufügung einen wichtigen Fingerzeig geben.

1b. Fakten

  • Currier-Sprache A, Handschrift 1
  • Bestandteil des siebten Bündels
  • Rückseite der ersten Seite im Bündel

1c. Anmerkungen

Wenn die Ziffern fast sicher eine spätere Hinzufügung sind, dann kann das natürlich auch für die abgesetzten Glyphen gelten. Der Aufbau dieser abgesetzten Glyphen zeigt jedoch, dass sich ihr Schreiber stark mit dem Aufbau des Schriftsystemes und seiner Konposition aus einzelnen Stichen beschäftigt hat. Dabei ist sogar eine Kombination entstanden, die nicht zum normalen Vorrat gehört — nämlich das i mit dem »y«-Abwärtstich. Die Verbindung mit einer Nummerierung könnte bedeuten, dass ein Zusammenhang zwischen der Komposition der Glyphen aus Einzelstrichen und der Abfolge der natürlichen Zahlen notiert werden sollte; sie könnte aber auch ein Verweis auf einen systematischen Aufbau des Schriftsystemes sein.

Selbst wenn dieser Teil eine spätere Hinzufügung ist, so fällt diese Seite durch ihren zu langen Text aus dem Rahmen pflanzenkundlicher Seiten im Manuskript.

Die Handschrift der arabischen Ziffern erinnert stark an die Seitennummerierungen im Manuskript.

1d. Mögliche Fragen

  • Hat die Glyphenfolge dieser Seite (ohne die abgesetzten Zeilen) Eigenschaften, die für den pflanzenkundlichen Teil ungewöhnlich sind?

1e. Spekulationen

Das Auftreten einer solchen Seite in der Pflanzenkunde überrascht — ausgehend vom Thema der Pflanze scheint hier der Aufbau des Glyphensystemes behandelt zu werden. Steht die Pflanze in einem Zusammenhang zum Thema des Schreibens? Wird eine Komponente der Tinte, ein Farbstoff oder ein anderes Schreibmaterial daraus gewonnen? Sind die unteren Triebe am Stängel entfernt worden, um die Ausbeute dieser Substanz zu verbessern?

2. Das Schriftkarussel oder Der Papiercomputer f57v

2a. Besonderheiten

Diese Seite zeigt starke Anzeichen mehrfacher Restauration, in den hochauflösenden Bildern sieht man gelegentlich drei Schichten Tinte. Einige Glyphen wurden bei diesen Restaurationen falsch oder verstümmelt wiederhergestellt, teilweise scheint eine Näherung an den ursprünglichen Glyphenbestand aus den hochauflösenden Bildern noch möglich. Diese offenbar schon fröhen Bemühungen um den Erhalt des Inhaltes dieser Seite zeigen, dass der Inhalt für sehr wichtig gehalten wurde. Das ist umso erstaunlicher, als dass die graphische Gestaltung zunächst keinen Hinweis auf das Thema der Seite gibt; ein Bezug zu kosmologischen Themen ist nicht erkennbar. Die Einordung dieser Seite unter die Kosmologie erscheint gekünstelt.

Wenn mich jemand fragen würde, welche Seite am eingehendsten unter besonderem Licht fotografiert werden sollte, so würde ich f57v nennen. Wie gleich deutlich werden wird, halte ich diese eine Seite für die wichtigste Seite des gesamten Manuskriptes.

Trotz des relativ schlechten Zustandes der Erhaltung und der missglückten Restaurationsversuche in längst vergangener Zeit ist immer noch ein ungewöhnlich stark strukturierter Aufbau vor allem der drei inneren Ringe mit Text zu erkennen. Dieser Text »fließt« nicht wie die Beschreibungen zu den Pflanzen oder die ringförmigen Texte zu den Himmelskörpern (siehe etwa f67r), sondern die einzelnen Glyphen und kurzen Glypenfolgen sind deutlich voneinander abgegrenzt und sollen ihre Position möglichst genau einnehmen. Einige Glyphen bekommen aus diesem Grund ein besonders »breites« Erscheinungsbild, etwa die stark verzierten, schwungvollen »f«- und »p«-Glyphen. Im Gegensatz dazu wirken die kurzen »Wörter« in den Ringen an einigen Stellen sehr »gedrängt«, als wenn sie in einen bestimmten Platz passen mussten. (Im zweiten Ring vor allem »shes« und »okchod«, im inneren Ring »otchody«) Angsichts der verfügbaren Platzes und des teilweise großen Abstandes zwischen einigen dieser Glyphenfolgen wäre eine solche Maßnahme bei freiem Schreiben nicht nötig gewesen.

Darüber hinaus verwirrt diese Seite mit mehreren Symbolen, die einmalig im gesamten Manuskript sind. Einige davon gehen sicherlich auf schlechte Restauration zurück, aber das glaube ich für die folgenden Weirdos (haben wir eigentlich einen ähnlich griffigen deutschen Begriff dafür) nicht:

  • 1. Ring von innen, 12 Uhr: Ein eckiges Symbol mit einem darüber gezeichneten Punkt und einem Verbinder auf die linke Seite, das entfernt an ein eckiges »h« mit abgesetztem oberen Teil erinnert.
  • 2. Ring von innen, ca. 8 Uhr: Ein Zeichen wie ein kopfstehendes griechisches Lambda.
  • 3. Ring von innen, 12 Uhr, 3 Uhr, 6 Uhr, 9 Uhr: Eine Aufeinanderfolge zweier rechter Winkel, einer wie ein »L« stehend, der andere angefügt wie ein »^«. Über dem ersten Winkel befindet sich ein Kreis. Die Vermutung von Berj, dass es sich hierbei um den Symbolvorrat des freimaurerischen Codes handelt, kann ich nach oberflächlicher Beschäftigung unterstützen, es würde sich dann um die Zeichenfolge »LV« handeln (römische Schreibweise für 55). Das schon für den ersten Ring erwähnte eckige Symbol könnte wohl ähnlich interpretiert werden, aber das überlasse ich lieber Menschen, die sich besser mit der Freimaurerei und der dort auftretenden esoterischen Symbolik auskennen.
  • Überall in den Ringen: Die vielen »v« und »x« halte ich für eine Absicht des ursprünglichen Autors.

Eine weitere Besonderheit dieser Seite ist der 3. Ring von innen, dessen Glyphenfolge viermal fast identisch wiederholt wird. Dabei wird ein betont großer Abstand der Glyphen sicher gestellt, hier fließt nichts zusammen.

Dass in dieser Wiederholung ein »p« für ein »f« stehen kann, zeigt, dass diese Glyphen in irgendeiner Weise verwandt sein könnten — diese Vermutung wird aber auch von der optischen Erscheinung der beiden Glyphen schon genährt. Für eine genauere Aussage müsste man an Hand der hochauflösenden Bilder untersuchen, ob die Lesung der Glyphen wirklich sicher ist — aus dem mir vorliegenden Bild würde ich im Moment gar nichts schließen wollen.

Unten links auf der Seite befindet sich ein schwer deutbares Symbol, das nicht zum Schriftsystem des Manuskriptes gehört.

Diese augenfälligen Besonderheiten brachten mich zur Bezeichnung »Schriftkarrussel«, die zweite Bezeichnung »Papiercomputer« werde ich unter den Spekulationen zu dieser Seite etwas erhellen.

2b. Fakten

  • Currier-Sprache: B, Handschrift 2
  • Bestandteil des achten Bündels
  • Rückseite der ersten Seite des Bündels

2c. Anmerkungen

Dies ist die einzige kreisförmige Anordnung, in der der Autor den Mittelpunkt des Kreises deutlich hervorgehoben hat. Es handelt sich um einen klar sichtbaren Punkt, der zur Hervorhebung von einem kleinen, offenbar handgezeichneten Kreis umgeben ist. Zur zusätzlichen Hervorhebung wurde dieser Punkt von einer Rosette umgeben. Der Mittelpunkt dieser Anordnung muss also eine Bedeutung haben, wahrscheinlich steht diese Bedeutung in enger Beziehung zu der sehr streng wirkenden Anordnung der einzelnen Glyphen und kurzen Glyphenfolgen.

Außerhalb der Ringe befindet sich der Bezeichner »dairol«, als wäre dies der Name für eine derartige Anordnung. Dieses Wort ist selten im Manuskript. In der Transkription von Takeshi Takahashi wird es genau zweimal gelesen, nämlich hier und in f77v.P.21. Auf f77v lese ich allerdings ein anderes Wort, da hier der Aufwärtsbogen vom »r« in der Mitte des »i«-Striches angesetzt wird — leider wird diese Feinheit in EVA nicht unterschieden.

2d. Mögliche Fragen

  • Wer die hochauflösenden Fotos und ausreichend Rechenleistung hat, sollte ruhig einmal versuchen, so viel von der Originaltinte des ursprünglichen Schreibers wie möglich sichtbar zu machen. Ich erwarte teilweise große Abweichungen vom jetzigen Stand. (Einige Wierdos werden sich als Fehler bei der Restauration entpuppen, und einige geschwungene »f«- und »p«-Glypen werden eventuell wichtige Details zeigen, die kaum noch sichtbar sind)
  • Bei einer derartigen Bildbearbeitung sollte auch das spiralförmige oder »S«-förmige Symbol in der rechten unteren Ecke erforscht werden. Hat es die gleiche Farbe wie die verwendete Tinte des Originalautors, ist darunter eine Zeichnung sichtbar zu machen. Es wäre interessant, ob dieses Zeichen zum ursprünglichen Entwurf gehört oder eine spätere Hinzufügung ist.
  • Auch das ursprüngliche Aussehen der Nymphen wäre interessant — die Frisuren sehen aus, als seien sie nachträglich gezeichnet worden.

2e. Spekulation

Augenfällig ist die 4×17-Sequenz, in den Kommentaren zur Stolfis Interlinear-Archiv ist die Seite nach dieser Zeichenfolge benannt. Da hierzu schon so viel geschrieben wurde (wenn auch in englischer Sprache), stürze ich mich auf ein Thema, das dabei bislang völlig ignoriert wurde — auf die Zahlen.

Die Vier oder die Acht sind recht häufige Zahlen im graphischen Aufbau des Manuskriptes, und diese Zahlen haben auch eine klare psychologische (Eso-Freunde lesen bitte: esoterische) Bedeutung, da sie einen Anklang an die Himmelsrichtungen, an die Ganzheit der Erde enthalten. Eine wichtige Illustration, »die Schatzkarte« f86v5, besteht aus acht Rosetten um eine zentrale Rosette, viele dieser Rosetten zeigen wieder vierzählige Symetrie oder eine Vierzahl von Elementen. Von daher überrascht das Auftauchen einer Vierheit auf dieser Seite nicht — aber die Siebzehn überrascht sehr wohl. Nun ist Siebzehn aber gerade 4*4+1, also etwas, was über die vierfache Vierheit, ein wirklich starkes Symbol des Alls hinausgeht, ein numerisches Zeichen des Überwindens unseres Weltgefüges. (Die Überschrift hier lautet Spekulation, nicht wahr.) Dieses Symbol könnte klar machen, dass das Schriftsystem des Manuskriptes die vertrauten Bezüge der Lebenswelt durchbricht — der Inhalt wird es dann ja um so mehr tun.

Aber jetzt einmal etwas weniger wild spekuliert: Was ist auf dieser Seite dargestellt?

Es handelt sich definitiv nicht um Kosmologie, auch wenn diese Seite in diese Kategorie eingeordnet wird. Und es gibt augenfällige Unterschiede auch zu den abstraktesten kosmologischen Seiten im Manuskript (nehmen wir mal f68v1 als Beispiel, damit ein Vergleich möglich ist):

  1. Die Schrift fließt nicht im Kreis, sondern ist ungewöhnlich präzise angeordnet.
  2. Es ist kein kosmisches Objekt, also keine Sonne, kein Stern, keine Erde dargestellt.
  3. Es fehlt dieser Seite generell an graphischer Darstellung, sieht man einmal vom hervorgehobenen Mittelpunkt und den vier Nymphen ab. Diese Seite ist die abstrakteste Illustration im Manuskript, als sollte hier ein nicht zeichnerisch darstellbares Thema vermittelt werden.
  4. In den vorgezeichneten Kreis wird kein Text transportiert, sondern das Schriftsystem analytisch (also zerlegend) behandelt und mit einem Glyphenvorrat aus einem anderen Schriftsystem kombiniert. (Vielleicht mit dem Code der Freimaurer.)

Aus diesen ganzen Informationen ergibt sich für mich ein möglicher Schluss: Es handelt sich um einen Papiercomputer. Es ist eine Zeichnung, die zu dem Zweck gemacht ist, dass man mit einem Hilfsmittel (etwa einem angelegten Lineal, vielleicht aber auch einem unregelmäßig geformten Gegenstand — das Zeichen in der rechten unteren Ecke gibt doch zu denken) Informationen ablesen kann. Da der Mittelpunkt hervorgehoben ist, muss er in diesen Vorgang eine Rolle spielen. Wenn ein Lineal angelegt wird, dann wird es gewiss durch diesen Mittelpunkt hindurch angelegt. Vermutlich gehörte eine Art Lineal mit Markierungen an bestimmten Stellen zu dieser Zeichnung, und vermutlich konnte man auf diese Weise Informationen über den Aufbau des Schriftsystemes (vielleicht sogar über seine Bedeutung) gewinnen.

Und wegen dieser Spekulation, die ich für gut begründet halte, halte ich die Seite f57v für die wichtigste Seite im gesamten Manuskript – vielleicht für den einzigen Schlüssel, den wir noch haben.

3. Die Drei Sterne f58r

3a. Besonderheiten

Es handelt sich um eine fast völlig normale Textseite, bestehend aus drei Absätzen, die jeweils durch einen Stern oder eine Blüte dekoriert wurden.

Was diese Seite besonders macht, ist der erste Absatz — hier wurden die ersten drei Zeilen eingerückt, offenbar, um einer Zeichnung, einem Symbol oder einer ausgeschmückten Glyphe Platz zu machen. Dieser Entwurf wurde jedoch nicht umgesetzt, und so bleibt dort eine auffällige leere Stelle.

3b. Fakten

  • Currier-Sprache: A, Handschrift unbekannt
  • Bestandteil des achten Bündels
  • Vorderseite der zweiten Seite im Bündel

3c. Anmerkungen

Die Anzahlen der Zacken der Sterne mehren sich von oben nach unten. Der oberste ist sechszackig, der mittlere siebenzackig, der untere achtzackig. Der obere Stern hat in der Mitte einen einfachen Punkt, die beiden weiteren haben jeweils einen kleinen Kreis von der ungefähren Größe eines »o« in der Mitte.

3d. Mögliche Fragen

  • Lässt sich mit Bildbearbeitung an der freie Stelle eine Spur von Vorzeichung des dort geplanten Objektes entdecken?

3e. Spekulation

Die meisten Menschen gehen davon aus, dass beim Schreiben des Manuskriptes zunächst die Zeichnungen angefertigt wurden; der Text wurde dann in einem zweiten Arbeitsgang geschrieben. Im speziellen Fall dieser einen, wahrscheinlich nicht vollständigen Seite, lässt sich dies widerlegen. Hier wurde erst geschrieben, und beim Schreiben wurde der Raum für die Zeichnung freigelassen.

Das ist insofern interessant, als dass die Zeile nach den Ergebnissen von Currier eine eigene Informationseinheit darstellt. Wären die Textzeilen dort entstanden, wo die Grafik ihnen Raum gelassen hat, so erschiene dies als völlig unlogisch. Wird jedoch die Grafik später in den Text eingefügt, so wäre eine solche Anordnung ohne weiteres denkbar. Der Augenschein kann bei diesem Manuskript ganz schön in die Irre führen.

Die beiden Textseiten f58r und f58v liegen übrigens zusammen mit den beiden pflanzenkundlichen Seiten f65r und f65v (die andere Seite des Bifolios) an einer unpassenden Stelle im Bündel. Sie könnten falsch gebunden sein und vom Autor in einen anderen Zusammenhang beabsichtigt sein.

4. Die Drei Spalten f66r

4a. Besonderheiten

Textseite mit großer Textmenge. Interessant ist hier die dreispaltige Gestaltung. Am linken Rand befindet sich eine Spalte, in der auf ungefähr zwei Textzeilen jeweils ein kurzes Wort der voynichianischen Sprache erscheint. Neben dieser Spalte befindet sich eine zweite Spalte, die Glyphen, Ligaturen und kurze Glyphenfolgen des Schriftsystems enthält. In der dritten Spalte ist der Text enthalten.

Unten befindet sich die Zeichnung einer liegenden Nymphe mit drei unidentifizierbaren Objekten. Dazu steht ein Text in lateinischen Buchstaben in einer schwerfälligen, ungeübten Kursive. Meine Lesung ist »v ?en mv? del« — manche lesen hier so etwas wie »u(nd) den Mussteil«, was ich für eine Überinterpretation halte. Sollte jedoch der voynichianische Text »otcheo daiin chty ykeescheg« irgendeinen Bezug zum lesbaren Text haben, dann lohnt sich vielleicht der Kopfschmerz mit seiner Deutung.

4b. Fakten

  • Currier-Sprache: B, Handschrift unbekannt
  • Bestandteil des achten Bündels
  • Vorderseite der letzten Seite des Bündels

4c. Anmerkungen

Da über diese Anordnung jede Menge hervorragendes Material verfügbar ist, mache ich mir nicht die Mühe, selbst viel dazu zu schreiben. Wenn die dreispaltige Gestaltung in der Absicht des Autors lag (und keine spätere Hinzufügung ist), dann gibt diese Seite einen guten Einblick in den Zeichenvorrat des Schriftsystems.

5. Die Nummerierung f76r

5a. Besonderheiten

Eine Textseite mit großer Textmenge. Das erste Zeichen ist ein großer, in Umrisslinien gezeichneter Gallow, wohl ein »t« oder »p«. Aus der Ausführung der Zeichnung kann man auch ersehen, wie die Gallows wohl mit der Feder gezeichnet wurden. Zunächst wurde der linke senkrechte gezeichnet, dann der schwungvolle Bogen, der daraus den speziellen Gallow formte. Sowohl das Wiederansetzen der Feder als auch das Zeichnen über den anfänglichen Strich ist in der Verzierung deutlich ausgeführt. (Was man hier nicht sehen kann, aber an einigen normalen Stellen sehr gut, das ist, dass die Striche von oben nach unten geführt wurden.)

Auf der linken Seite des Textes stehen einzelne Glyphen oder Glyphenfragmente.

5b. Fakten

  • Currier-Sprache: B, Handschrift 2
  • Bestandteil des 13. Bündels
  • Vorderseite der zweiten Seite im Bündel

5c. Anmerkungen

Die am linken Rand stehenden Zeichen vermitteln den Eindruck einer Aufzählung. Wenn diese Aufzählung numerisch ist, dann können sie einen Eindruck geben, wie kleine Zahlen im Schriftsystem des Voynich-Manuskriptes notiert werden. Leider würde es sich nur um die Zahlen von 1 bis 9 handeln. Diese lauten in EVA »* d q s o l k r s«

Das erste Zeichen wird zwar von allen Transkriptoren als »s« gelesen, aber ich kann nicht nachempfinden, auf welcher Grundlage sie so lesen. Tatsächlich handelt es sich um ein völlig einmaliges, sehr eckiges Symbol. Das letzte »s« entspricht mehr der ersten Hälte eines »sh«, der Knick ist deutlich ausgeführt. Wenigstens diese beiden Zeichen sollten auffallen, wenn sie auch an anderer Stelle im Manuskript vorkommen, und damit könnten sie einen wertvollen Hinweis geben, an welchen Stellen Zahlen notiert sind. Zu unserem Pech werden offenbar die Zahlen in gewöhnlichen Glyphen ausgedrückt, die sich ohne Kontext nicht von anderen Wörtern unterscheiden lassen.

5d. Fragen

  • Tauchen die mutmaßlichen Zeichen für »1″ oder »9″ an irgendeiner Stelle im Manuskript auf?

5e. Spekulation

Wenn die Deutung »erste Hälfte von sh« für das neunte Zeichen richtig ist, dann gibt es eine Glyphe, die einem normalen »s« sehr ähnlich sieht, aber eben doch etwas anderes ist. »sh« ist dann offensichtlich eine Ligatur für eine sehr häufige Kombination mit dieser Glyphe. In bisherigen Transkriptionen wird diese Glyphe wohl immer als »s« erkannt worden sein, was unter Umständen zu großen Fehlern in den bisherigen Ergebnissen geführt hat.

6. Das unsichtbare Bad f81r

6a. Besonderheiten

Eine Seite der biologischen Sektion mit flatterhaftem rechten Rand, der den starken Eindruck erweckt, dass dort Raum für weitere Illustrationen gelassen wurde.

6b. Fakten

  • Currier-Sprache: B, Handschrift 2
  • Bestandteil des 13. Bündels
  • Siebte Seite im Bündel

6c. Anmerkungen

Ein weiteres hervorragendes Beispiel dafür, dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass die Illustrationen erst nachträglich in den Text eingefügt wurden. Wenn in dieser Reihenfolge vorgegangen wurde, überrascht es nicht, dass die Zeile im Manuskript eine klare Struktur hat, die sie zu einer Informationseinheit macht.

6d. Fragen

  • Kann mit Bildbearbeitung ein Entwurf der beabsichtigten Zeichnung sichtbar gemacht werden?

7. Die Neun Rosetten oder Die Schatzkarte f86v5

Zu dieser einen Seite könnte man ein ganzes Buch schreiben, deshalb halte ich mich hier zurück. Aber es ist mit Sicherheit eine Seite, die unter den Seltsamen Seiten erwähnt werden muss.

8. Die Vier Quellen der Welt f86v3

8a. Besonderheiten

Vier in den Ecken des Blattes angeordnete seltsame Verrichtungen umgeben einen schwach sichtbaren Kreis in der Blattmitte. In diesen Kreis ist mit etwas unbeholfener Hand (vielleicht nachträglich) eine T-O-Karte der Erde eingezeichnet worden. Auf jeden Seitenrand befindet sich ein Absatz mit Text, darüber hinaus ist der obere Bereich über dem Kreis mit Text gefüllt.

In der Blattmitte ist eine unleserliche Kritzelei zu sehen. Diese scheint keinen Bezug zum Text zu haben, sondern eine nachträgliche Hinzufügung zu sein.

Hinter den beiden Gebilden auf der linken Seite verbergen sich Nymphen. Die untere Nymphe wirft einen undefinierbaren Gegenstand in Richtung auf die obere Nymphe. Die beiden Gebilde auf der rechten Seite sind mit Vögeln versehen, die ich für Enten halten würde. Die obere Ente fliegt auf, die untere schwimmt. Auf der Wasserfläche des unteren Gebildes stehen drei Röhrichthalme.

8b. Fakten

  • Currier-Sprache: B, Handschrift 3
  • Bestandteil des 14. Bündels
  • Nur ein Bifolio im Ausfalt-Bündel
  • Rückseite der ausfaltbaren Schatzkarte

In der unteren rechte Ecke befindet sich die Markierung des Bündels in mittelalterlichen arabischen Ziffern: »14us« — quatrodecimus, der Vierzehnte; die Endung »-us« ist ganz gewöhnlich durch eine hochgestellte »9« abgekürzt. Die Form dieser Ziffern lässt auf das 14. bis 16. Jahrhundert schließen (oder eben darauf, dass jemand den Eindruck dieser Zeit erwecken wollte).

8c. Anmerkungen

Durch die gepunkteten Verläufe aus dreien der vier Gebilde entsteht der Eindruck fließenden Wassers, die Enten und der Röhricht verstärken diesen Eindruck noch. Es scheint sich also um so etwas wie Quellen zu handeln, die auf die Erdscheibe in der Mitte zufließen. Die Quelle unten rechts fließt aber nicht, sondern ist ein ruhiges, durch den Röhricht vielleicht sogar als sumpfig angedeutetes Gewässer. Der Strom von oben links ist schwach und reicht nicht an die Welt heran, der geworfene Gegenstand der rechten unteren Nymphe könnte im Zusammenhang damit stehen.

8d. Fragen

  • Kann das Gekritzel in der Blattmitte durch Bildbearbeitung erkennbar gemacht werden? Wenn ja: In welchem Alphabet ist es geschrieben? Ist es lesbar? Vielleicht verständlich? Hat es einen möglichen Bezug zum Inhalt dieser Seite?
  • Kann durch Bildbearbeitung festgestellt werden, ob die T-O-Karte zum Entwurf des Autors gehörte. (Hat die Tinte die gleiche Farbe wie die Schrift? Handelt es sich um eine spätere Restauration und lassen sich noch Reste der alten Karte finden? War sie vielleicht sogar beschriftet?)
  • Gibt es eine esoterische, religiöse oder volkstümliche Auffassung, dass die ganze Welt aus dem Wechselspiel vierer Quellen heraus bewässert wird.

8e. Spekulation

Esoterische Deutung der Jahreszeiten? Esoterische Deutung der Himmelsrichtungen? Esoterische Deutung der Weltalter? Gibt es irgendetwas (Mythos, Sage, Legende, Heilige Schrift), was zu dieser einzigartigen Darstellung (wirklich gut und überzeugend) passt? Ich akzeptiere wegen der Fremdartigkeit des gesamten Manuskriptes auch jeden nichteuropäischen Mythos, selbst amerikanische (indianische) sind mit willkommen. Die sehr fremd wirkende Symbolik dieser Darstellung kann den Ursprung des Manuskriptes unter Umständen leichter aufklären als alle Versuche, stark stilisierte Pflanzen zu identifizieren.

In meinen Augen ist dies die einzige kosmologische Darstellung, die gedeutet werden kann und eine Zuordnung zu einer Kultur (einer Sekte, einer esoterischen Tradition) ermöglicht. Wenn wir wissen, aus welchem Kreis dieses Manuskript kommt, haben wir eine Chance, die Sprache zutreffend zu erraten – und das ist unter Umständen die halbe »Übersetzung« oder »Entzifferung«.

(Aber wahrscheinlich wird sich auch diese Darstellung als geradezu außerirdisch erweisen und keine deutliche Ähnlichkeit zu irgend etwas bekanntem haben.)

Fußnoten

[1] Das ist natürlich ein Witz, aber die genaue Bedeutung der »biologischen« Sektion ist immer noch im Dunkel. Es wird ganz offenbar gebadet, aber die Strukturen, durch welche die grünen Wasser fließen, wirken gleichermaßen organisch wie außerweltlich.

[2] Sollte in Zukunft jemand mein Notizbuch finden und für wichtig halten, so wird es fast genau so viel Verwirrung auslösen wie das Voynich-Manuskript. Es besteht aus einem fröhlichen Nebeneinander hingehauchter Skizzen, Gedichte in einer strikt phonetischen Notation, Voynich-Glyphen und stark abgekürzten Texten. Manchmal wurde das Schreiben von einem einzigen, klaren Gedanken unterbrochen, und dann findet sich eine fast leere Seite, auf der nur in Versalien das Wort »METAREPRÄSENTATION« steht. Ich weiß meistens noch nach Jahren, was ich gemeint habe — aber es ist auch ein wirklich guter Code gegen allzu neugierige Augen…

Thema: Seiten, Spekulation | Kommentare (4) | Autor:

Zu den Pflanzen im Manuskript

Donnerstag, 4. Mai 2006 15:40

Dieser Text wurde ursprünglich von mir auf der deutschsprachigen Mailing-Liste geschrieben, aber da die Frage der Identifikation der abgebildeten »Pflanzen« auch von allgemeinerem Interesse sein könnte, wird er hier nochmals wiederholt.

Das mit den »Pflanzen« ist so eine Sache. Einige der »Pflanzen« sehen sehr vertraut aus. Auf Seite f2v findet sich die Abbildung einer an sich typischen Wasserpflanze mit einem Schwimmblatt, und selbst die Blütenform erstaunt (anders als viele andere Blüten aus dem VMs) nicht wirklich. Die »Pflanze« auf Seite f1v könnte eine Tollkirsche darstellen, wenn man die alternierenden Farben der Blätter ignoriert. Ein Gewächs wie auf Seite f20r würde mir auf einer ungemähten grünen Wiese gewiss nicht weiter auffallen, und auch die Pflanzen der Seiten f87v oder f90v2 zeigen keine fremdartigen, unmöglich wirkenden Merkmale.

Aber dann stolpert man über ganz andere »Pflanzen« in diesem Manuskript…

Auf Seite f11r werden drei eng zusammenstehende Stängel mit jeweils einer eigenen Wurzel abgebildet, die so etwas wie ein dichtes, von zierlichen Blüten durchsetztes Blattwerk formen. Es handelt sich also um drei verschiedene Individuuen einer Gattung — aber jeweils zwei von ihnen teilen sich ein gemeinsames Blatt, und der Zeichner hat sich alle Mühe gegeben, dass dieser Fakt sehr auffällig wird — es scheint sich also um etwas Wesentliches in der Botschaft dieser Zeichnung zu handeln.

Die Blatt- und Blütenform der Pflanze auf Seite f16v erscheint mir annähernd unmöglich. Hier sieht man auch sehr schön ein Merkmal vieler »Pflanzen« im VMs, die aussehen, als seien sie auf ihre Wurzel »aufgesteckt«. Am deutlichsten ist dieses Merkmal in den Zeichnungen der Seiten f39v und f95r2 hervorgehoben.

Auf Seite f31v findet sich eine bemerkenswert asymetrisch wachsende »Pflanze« — nicht, dass so etwas völlig unmöglich ist, es gibt einige Pflanzen, die ihre Blätter geographisch ausrichten, um die Verdunstung zu reduzieren (indem der Mittagssonne wenig Angriffsfläche gegeben wird; man nennt solche Pflanzen übrigens Kompasspflanzen), aber eine derart ausgeprägte Asymetrie sollte sofort ins Auge fallen. Im VMs gibt es solche »einseitig ausgerichteten Pflanzen« allerdings etwas häufiger, zum Beispiel auch auf Seite f46r.

In diesem Museum absurd anmutender Gestaltmerkmale von »Pflanzen« könnten die »Wurzelgesichter« auf Seite f33r vielleicht noch als metaphorische Darstellungen verstanden werden. Die beiden zur Blüte zusammenwachsenden Stängel auf Seite f40v, die Wurzelschleifen der Seiten f52r und f90r2 oder die Stängelschleife auf Seite f5v sind hingegen wohl kaum als Abbildungen einer biologischen Wirklichkeit zu verstehen. Ich bin mir relativ sicher, dass ein Teil der Pflanzen des VMs niemals identifiziert werden wird, weil sie einfach nicht auf der Erde wachsen.

Das Manuskript macht es mir (und anderen) allerdings nicht so einfach, dass sämtliche Pflanzen durch ihre Unmöglichkeit und mutmaßliche Nichtexistenz ausgezeichnet sind, und über eine Identifikation der Pflanze auf Seite f9v wäre ich nicht überrascht.

Die meisten Menschen, die mit dem VMs konfrontiert sind, scheinen nach einem Konzept zur Beschreibung des gesamten Manuskriptes zu suchen. Sie können offenbar nicht damit leben, dass einige Pflanzen reale Vorbilder haben, während andere offensichtlich unmöglich sind. Und so suchen sie dann entweder alle Pflanzen für »nicht identifizierbar« auszugeben oder eben alle Pflanzen für Abbilder wirklicher botanischer Gegebenheit zu halten. An beiden Versuchen kann man verzweifeln.

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Eine interessante Theorie

Donnerstag, 15. September 2005 19:46

Eine recht interessante Theorie zum Aufbau des Codes äußerte gestern Elmar Vogt auf der Mailing-Liste zum Manuskript. Ich finde diesen Ansatz recht interessant und erkläre deshalb an dieser Stelle kurz den grundlegenden Gedanken.

Die Theorie geht von der Beobachtung aus, dass die Zeichen des lateinischen Alphabetes aus einer relativ kleinen Menge geometrischer Figuren aufgebaut sind. Etwas vergleichbares gilt für die Glyphen des Voynich-Manuskriptes, die nur aus wenigen Linienzügen komponiert sind.

Die Verschlüsselung im Manuskript könnte daher auf die folgende Weise hergestellt worden sein:

  • Es wird eine Tabelle aus den Formen erstellt, mit denen lateinsche Buchstaben gebildet werden können
  • Jeder Buchstabe des Klartextes (und vielleicht auch weitere Zeichen wie Ziffern, diakritische Symbole, gängige Abkürzungen) wird in seine einzelnen Formen zerlegt.
  • Und abschließend werden diese Formen in die Linienzüge der Glyphen des Manuskriptes übersetzt

Diese verblüffend einfache Theorie deckt sich in den folgenden Punkten mit den rätselhaften Eigenschaften des Manuskriptes:

  1. Der Verschlüsselung und Entschlüsselung könnte schnell und manuell mit einfachen Hilfsmitteln vorgenommen werden. Selbst im 15. Jhdt. wäre dies problemlos möglich gewesen.
  2. Ein solches Verfahren wäre einzigartig oder doch wenigstens sehr ungewöhnlich.
  3. Es gäbe keine 1:1-Korrespondenz zwischen Voynich-Glyphen und Buchstaben des Klartextes, was das bisherige Scheitern aller Versuche erklären hilft.
  4. Die geringe Entropie des Textes wäre erklärlich.
  5. Der Zeichensatz des Manuskriptes könnte sehr klein sein. Schon fünfzehn Zeichen wären hinreichend.
  6. Die Leerzeichen hätten keinen Bezug zu Wortgrenzen im Klartext, sondern könnten zur Vermeidung von Doppeldeutigkeiten eingefügt sein. Der Buchstabe »d« setzt sich ja aus den gleichen Formen wie die Buchstabenkombination »ol« zusammen, die Trennung im Schlüsseltext könnte solche Mehrdeutigkeiten beseitigen.
  7. Bei so motivierten Leerzeichen könnte auch die entdeckte »Grammatik« der »Wörter« im Manuskript erklärlich sein, da nur vor und nach bestimmten Formen eine unzweideutige Trennung erforderlich wäre

Eventuell werde ich, wenn ich in den nächsten Tagen die Muße dazu finde, selbst einige Untersuchungen dieser kurz dargestellten Theorie unternehmen.

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(Nur) ein Kunstwerk?

Sonntag, 21. August 2005 2:21

Was bei der Betrachtung des Voynich-Manuskriptes sofort in’s Auge fällt, ist seine sehr eigentümliche Bebilderung, die schnell den Eindruck erweckt, aus einer »anderen Welt« zu kommen. Das Schriftbild wirkt hingegen auf dem ersten Blick beinahe vertraut, und die Vermutung, dass es sich um eine unentzifferbare Geheimschrift handelt, liegt fern.

Einer der Gründe, warum diese Schrift nicht gelesen werden kann, könnte darin liegen, dass diese Schrift nicht zu lesen ist. (Das klingt dumm, ich weiß…)

Es ist durchaus denkbar, dass es sich beim gesamten Manuskript um ein Kunstwerk handelt, das eben Bilder einer anderen Welt zeigen soll. Natürlich nicht solche, die aus einem UFO heraus flugs gezeichnet wurden, sondern eher Bilder einer uns recht fremden geistigen Welt, ein künstlerischer Entwurf einer anderen Welt oder einer Traumwelt. Dann überrascht es auch weniger, dass jede Identifikation der »Pflanzen« bislang gescheitert ist (obwohl das eine so einfache Möglichkeit gewesen wäre, sich der Bedeutung des »Textes« zu nähern) und viele der Kräuter wie ein Patchwork zusammengesetzt erscheinen.

Auch das gesamte Schriftsystem könnte in einer solchen Konzeption eine allein künstlerische Komposition sein. Zu entziffern wäre dann nichts daran, und die ganze analytische Mühe mit den Transkriptionen ginge am Geist eines Werkes vorbei, dessen Mitteilung völlig andere Komponenten unserer Bewusstheit anzusprechen sucht. Der bisherige Misserfolg dieser Mühe wäre so auch kein Wunder mehr.

Wäre das ein einmaliges Werk? Nein, es gibt sogar ein vergleichbares Werk aus der modernen Zeit, nämlich den Codex Seraphinianus des italienischen Künstlers Luigi Serafini. (Im Gegensatz zum Hinweis in der englischsprachigen Webseite ist das Buch nicht mehr erhältlich.) Auch hier werden fremdartige, aber doch an Vertrautes anklingende Illustrationen in einer unlesbaren Phantasieschrift »beschrieben«. Und das Befremden beim Betrachten ist ähnlich, nur dass hier völlig klar ist, dass es sich um künstlerischen Ausdruck handelt. Das hat allerdings einige »Leser« nicht davon abgehalten, sich sehr mit diesem Text zu beschäftigen.

Einen wichtigen Unterschied gibt es aber doch. Das Schriftsystem des Voynich-Manuskriptes ist bemerkenswert gut entworfen und wird über das gesamtes Manuskript hindurch ohne nennenswerte Abweichungen verwendet. Hingegen ist das »Schriftsystem« des Codex Seraphinianus während der Erstellung des Werkes sichtbar gewachsen und erfuhr beachtliche Modifikationen, und die daraus gebildeten »Wörter« weisen keine über das ganze Buch einheitlichen Bildungsgesetze auf.

Und irgendwie will eine derartige Gründlichkeit beim Entwurf des Schriftsystemes im Voynich-Manuskript dann doch nicht zur Schlampigkeit und Eile der Ausführung dieses Werkes passen.

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Was war zuerst?

Dienstag, 9. August 2005 0:05

Eine Frage, die vielleicht manchem etwas sonderbar erscheint, ist die Frage nach der Reihenfolge, in der die einzelnen Seiten des Manuskriptes entstanden. Beinahe jede Seite enthält neben äußerst fremdartigem »Text« auch nicht weniger seltsame Illustrationen, und die Frage, die ich heute aufwerfen möchte, ist die folgende: Wurde beim Schreiben des Manuskriptes mit dem Text oder mit den Illustrationen begonnen.

Auf den meisten Seiten entsteht der Eindruck, dass der Text um die Illustrationen »herumfließt«, davon kann sich jeder selbst überzeugen. Und deshalb ist es eine schnelle Annahme, dass zunächst die Illustrationen wenigstens vorgezeichnet wurden, und anschließend erst der »Text« niedergeschrieben wurde.

Was daran zweifeln lässt, ist allerdings Seite f81r im biologischen Teil des Manuskriptes.

Der rechte »Rand« des Textes wirkt hier in einer Weise »flatterhaft«, wie es auf keiner anderen Seite beobachtet werden kann. Sicher, der Schreiber hat generell kaum Wert auf die Herstellung eines guten Layouts gelegt, und vieles an der Ausführung des Manuskriptes erweckt den starken Eindruck von Schlampigkeit und Eile — aber so einen rechten Rand sieht man denn doch nirgends. Wenn man diese Seite mit der Folgeseite f81v vergleicht, die im unteren Bereich einige badende Nymphen zeigt und dabei einen sehr abgeschlossen wirkenden rechten Rand hat, dann wirkt dieser Unterschied sehr auffallend.

Man möchte fast glauben, beim Schreiben der Seite f81r sei bewusst Platz für etwas gelassen worden, was erst nach dem Schreiben auf dem rechten Rand erstellt werden sollte — und aus unklaren Gründen ist es zu dieser Ausführung des Geplanten niemals gekommen. Und angesichts der Form dieser Ausbuchtung könnte hier durchaus eine für den biologischen Abschnitt typische Illustration mit in von Röhren verbundenen Becken badenden Nymphen geplant gewesen sein.

»Könnte«! Denn es ist nur eine Spekulation. Aber wenn die Spekulation zuträfe, dann wäre wenigstens ein Anteil der Illustrationen erst nach dem Schreiben gezeichnet worden, und das wäre etwas seltsam. Immerhin würde es erklären, warum der »Text« auf so vielen Seiten so gut passt. Das, worin er passen soll, entstand erst nach dem »Text«.

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Fünffach

Freitag, 5. August 2005 16:06

Die kürzlich von mir beschriebene »Wortfolge« qokeedy qokeedy qokedy qokedy qokeedy auf Seite f75r erweckt auf dem ersten Blick den Eindruck, in jeder europäischen Sprache unmöglich zu sein. Wahrscheinlich stimmt dieser Eindruck insofern, dass es sich nicht wirklich um eine europäische Sprache handelt, wahrscheinlich überhaupt nicht um eine direkt niedergeschriebene Sprache.

Aber völlig unmöglich ist eine solche Anhäufung ähnlicher Wörter nicht, wie das folgende Beispiel eines sinnvollen deutschen Satzes zeigt: »Ich weiß, dass das ›das‹, das das ’s‹ am Ende hat, eigentlich auf ›ß‹ enden sollte.«

Dass ein solches Beispiel aber sehr an den Haaren herbeigezogen ist, dass kaum jemand so sprechen und vermutlich noch weniger Menschen so schreiben würden, das sollte jeder merken. Tatsächlich musste ich für diese Konstruktion etwas länger nachdenken.

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Grünes Wasser

Mittwoch, 3. August 2005 4:21

Dass sich im so genannten »biologischen Teil« eine Menge stereotyp gezeichneter nackter Nymphen in Wassern herumtollen, die durch teilweise sehr organisch aussehende Strukturen miteinander verbunden werden, das kann man in jedem guten Einführungstext lesen. Die Illustrationen im Manuskript sind eben wirklich sehr fremdartig und scheinen teilweise gar nicht in das späte Mittelalter zu passen.

Was hingegen kaum jemals Beachtung findet, obwohl es völlig offensichtlich ist, das ist die Farbe des Wassers. Alle großen Wasserflächen sind nämlich grün. Und das ist eine recht ungewöhnliche Farbwahl, wenn man Wasser darstellen will.

Das heißt aber nicht, dass der Illustrator keine blaue Farbe zur Verfügung gehabt hätte. Im oben stehenden Bild (ein Ausschnitt aus Seite f82r) kann man nicht nur an der Nymphe oben links (zum Label okaldy) eine deutliche Spur der Restauration sehen, die sich darin zeigt, dass sich neben der nachgezeichneten Rückenlinie noch eine sichtbare verblichene Linie der ursprünglichen Zeichnung befindet. Nein, es ist auch völlig offensichtlich, dass die Nymphe ganz rechts (zum Label okairady) knietief in einem kleinen Behälter mit blauem Wasser steht, und diese Farbe würde man ja eher für die Darstellung von Wasser erwarten.

Dass der Illustrator nicht farbenblind war und auch keine Grün-Blau-Schwäche hatte, zeigt sich darin, dass die »Pflanzen« mit grünen Blättern dargestellt wurden, und nicht mit blauen — obwohl diese »Pflanzen« ansonsten sehr ungewöhnliche Gestaltmerkmale haben. Die Farbgebung des Wassers ist also absichtsvoll erfolgt.

Und so gesellt sich zu vielen Rätseln ein weiteres. Und wieder kann man nur spekulieren, warum jemand auf die Idee kommt, grünes Wasser darzustellen. Hier meine ersten Ideen:

  • Es soll dargestellt werden, dass das Wasser sehr viele Algen enthält, die es intensiv grün färben. Solche grünen Gewässer kann man gelegentlich sehen, vor allem Bergseen können manchmal eine sehr überraschende und unnatürlich anmutende Farbe haben.
  • Es soll auf eine ungewöhnliche Eigenschaft des Wassers hingewiesen werden. Es könnte sich dann um die Darstellung eines Jungbrunnens oder eines ähnlichen mythischen Gewässers handeln, und die grüne Farbe soll die lebensspendene Wirkung unterstreichen.
  • Es handelt sich nicht um Wasser. Es könnte sich etwa um heilkräftigen Schlamm handeln, der über ein komplexes Leitungssystem in große Badebecken gelangt. Oder um eine Allegorie des Lebens, in dem sich verschiedene, als benannte Nymphen symbolisierte Geistwesen oder Gottheiten im heiteren Spiel agierend bemerkbar machen. Oder…

Dies ist wieder ein schönes Beispiel, wie schwierig die Interpretation eines in jeder Hinsicht einmaligen Werkes sein kann. Wenn man es doch nur lesen könnte!

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Patchwork

Dienstag, 2. August 2005 17:48

Es sind schon einige Versuche unternommen worden, die im Manuskript abgebildeten »Pflanzen« zu identifizieren. Und alle diese Versuche sind gescheitert. Das Rätsel dieses Manuskriptes besteht also nicht nur in einer unentzifferten mittelalterlichen Geheimschrift, sondern auch in der wie außerirdisch wirkenden Natur der Illustrationen.

Vor einigen Wochen zeigte ich zwei Kindern, sechs und acht Jahre alt, einige Bilder des Manuskriptes. Diese waren nun recht unvoreingenommen, und sie sahen auf dem ersten Blick, dass es diese »Pflanzen« in der Wirklichkeit nicht geben könne. Eigentlich sollte dies auch einem erwachsenen Betrachter schnell klar werden.

Ob es völlig ungewöhnliche Blütenformen sind, ob die Farben der Laubblätter in alternierenden Farben auftreten oder ob der Eindruck entsteht, die »Pflanze« sei irgendwie auf die Wurzel aufgesetzt: Der Eindruck, es eher mit künstlerischen Entwürfen zu tun zu haben, die aus einer (fremden und für das Mittelalter einmaligen) geistigen Welt und nicht aus dem Boden hervorsprossen, wird beim Betrachten dieser Bilder immer größer. Die wenigen vertraut aussehenden »Pflanzen«, die sich in die Illustrationen verirrt haben, können diesen Eindruck nicht beseitigen.

Die Frage, ob es sich bei diesem Manuskript mehr um eine künstlerische Form der Mitteilung handeln könnte, ist keineswegs unerheblich für jeden Versuch, das Manuskript zu lesen. Schließlich liest man ein Gedicht sehr anders als ein Bestimmungsbuch für Pflanzen.

Und in einer Kunstform wäre es auch nicht mehr so überraschend, dass viele Pflanzen wirken, als seien sie wie ein Patchwork aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt, die gar nicht zusammen passen wollen.

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