Beitrags-Archiv für die Kategory 'Medien'

Gerard Cheshire »liest« das Voynich-Manuskript

Donnerstag, 16. Mai 2019 15:45

Wie die Neue Zürcher Zeitung vermeldet [Archivversion], ist es einmal mehr jemanden gelungen, das »verdammte Manuskript« zu »lesen«:

Der an der University of Bristol tätige Romanist Gerard Cheshire glaubt, das Rätsel gelöst zu haben. In einem Beitrag der Fachzeitschrift «Romance Studies» legt er eine neue Interpretation des Texts vor. Der kurz vor der Mitte des 15. Jahrhunderts entstandene Text ist seiner Ansicht nach auf Protoromanisch geschrieben, eine untergegangene Sprache, die Vulgärlatein mit Elementen verschiedener anderer Sprachen mischt, die im Frühmittelalter im Mittelmeerraum gesprochen wurden

Protoromaisch, als eine Sprache, die ein verschliffenes, volkstümliches Latein mit nicht genannten lokalen Sprachen mischt, lässt schon einmal viel Raum für kreative Interpretationen. Vor allem, wenn es von dieser postulierten Sprache keinerlei andere, vielleicht sogar in gebräuchlicheren lateinischen Buchstaben geschriebenen Textzeugen gibt und wenn diese Lokalsprachen keine anderen Spuren in den Vulgärsprachen hinterlassen haben.

Es wirkt unwahrscheinlich, dass es von einer Sprache, die immerhin in ihrer Zeit als »würdig« und allgemeinverständlich genug empfunden wurde, ein derartiges Kompendium darin niederzuschreiben und sogar ein eigenes Alfabet für diese Niederschrift zu ersinnen, keinerlei weitere Texte geben soll.

Doch das ist nicht das einzige Problem: Ärgerlicherweise wird die Deutung des Manuskriptes als eine direkt notierte, natürliche Sprache für sich allein kaum die Strukturen innerhalb einer Seite und die Strukturen innerhalb einer Zeile erklären können, wenn es sich nicht gerade um lyrischen Text handelt. Die Vorstellung, dass es sich beim Voynich-Manuskript…

Laut Gerard Cheshire ist das Voynich-Manuskript ein Lehrbuch der Heilpflanzen und der Bäderkunde und enthält daneben astrologische Erörterungen zu verschiedenen Fragen des menschlichen Körpers, der Fortpflanzung und der Kindererziehung

…um ein Kompendium der Medizin, Wissenschaft und Philosophie des späten Mittelalters handelt, passt zwar relativ gut zum Anschein der Illustrationen, ist aber völlig inkompatibel zu scheinbaren Fließtextzeilen, deren Wortlängen zum Ende der Zeile hin kürzer werden – was übrigens keineswegs nur für das letzte Wort einer Zeile gilt, das ja tendenziell häufiger abgekürzt sein könnte, um es noch in die beim Schreiben eng werdende Zeile einzupassen.

Ein auch nur kurzes Textbeispiel der »Lesung« von Gerard Cheshire wurde von der Neuen Zürcher Zeitung leider nicht mitgeteilt.

via Brightsblog

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Der ORF spannt uns auf die Folter…

Donnerstag, 3. Dezember 2009 21:02

Der ORF spannt uns alle zurzeit ganz ordentlich auf die Folter:

[…] jetzt bringt ein neuer Untersuchungsansatz Klarheit in das Dickicht von widerstreitenden Theorien und Ideen. Am Verwahrungsort des Voynich-Manuskripts, an der Universität Yale, hat man sich entschlossen, der mysteriösen Handschrift mit materialwissenschaftlichen Methoden zu Leibe zu rücken.

[…]

Das Ergebnis dieser Untersuchungen stellt alles, was man bisher über das Voynich-Manuskript wusste, auf den Kopf. Jetzt ist sicher: Alle bisherigen Theorien sind falsch. Denn das Buch ist viel älter als gedacht!

Ja, wie alt ist es denn nun? Und wie falsch sind die bisherigen Theorien, und wieviel älter als angenommen ist das verdammte Buch? Offenbar wollen die Programmgestalter des ORF, dass ihre Sendung am 10. Dezember auch gesehen wird und »erheitern« uns deshalb mit dunklen Andeutungen, als ob wir nicht genug zum Rätseln hätten – ich kann diese Sendung leider nicht sehen, denke aber, dass bei wirklich neuen und revolutionären Erkenntnissen eine gewaltige Aktivität auf der Mailingliste entstehen wird.

Ansonsten bin ich froh, dass es endlich einmal zu einer Altersbestimmung mit modernen Methoden gekommen ist, und dass das Manuskript wohl wirklich alt (und damit wahrscheinlich keine moderne Fälschung) ist. Oder genauer gesagt: Dass das Pergament des Manuskriptes alt ist. Auch erwarte ich von den Untersuchungen unter ultraviolettem Licht neue Aufschlüsse über die Entstehungsgeschichte des Manuskriptes.

Wer es gar nicht abwarten kann, werfe einen Blick auf Earth Times:

Forscher der Universität zu Arizona haben die Radiokarbon-Methode auf die 246 in Europa geschriebenen Seiten angewendet und herausgefunden, dass das Pergament zwischen 1404 und 1438 hergestellt wurde, wie Walter Koehler [ich vermute »Köhler«] mitteilte, ein ORF-Produzent, der die Fernsehdokumentation zum Manuskript überwachte.

Ferner haben Experten des McCrone-Forschungsinstitutes zu Chicago festgestellt, dass die Tinte nicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgetragen wurde. Der Text wurde wahrscheinlich in Norditalien geschrieben.

Vor diesen Befunden »gab es keinen ernsthaften Experten, der es in die vorkolubianischen Zeiten datiert hätte«, sagte Koehler, sondern eher in ein 16. Jahrhundert, in dem codierte Texte modern waren.

Besonders gespannt bin ich allerdings auf die UV-Untersuchungen. Bislang bin ich aufgrund der Erscheinung in den hochauflösenden Fotographien der Yale-Universität davon ausgegangen, dass das Manuskript verblüffend wenig Korrekturen enthält, was angesichts eines unglaublich schwierigen Kodierungsverfahrens etwas überrascht. Sollten jedoch mehrfach fehlerhafte Stellen von Pergament entfernt worden sein, ist es vielleicht gar nicht mehr so überraschend. Mit einem bisschen Glück eröffnen sich vielleicht neue Einsichten in das angewendete Verschlüsselungsverfahren.

Nachtrag: Beim östereichischen »Standard« gibt es eine deutschsprachige Zusammenfassung der neuen Erkenntnisse.

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Das Voynich-Rätsel im Fernsehen

Freitag, 27. November 2009 0:38

Für Leser aus Östereich und aus dem süddeutschen Raum ist es vielleicht interesseant: Auf der Homepage des ORF wird eine Dokumentation zum Voynich-Manuskript angekündigt.

DAS VOYNICH-RÄTSEL
Die geheimnisvollste Handschrift der Welt

Es ist die mysteriöseste Handschrift der Welt: Ein Buch, verfasst von einem unbekannten Autor, illustriert mit ebenso skurrilen wie rätselhaften Darstellungen – und in einer Sprache geschrieben, die von den besten Kryptographen nicht entschlüsselt werden kann […]

Die Dokumentation wird am 10. Dezember 2009 um 21:05 Uhr im Programm von ORF 2 ausgestrahlt, sie wird am folgenden Tag, den 11. Dezember 2009, um 09:30 Uhr wiederholt. Anfang 2010 wird diese Dokumentation auch im Programm von ARTE gesendet werden und damit in ganz Deutschland zu sehen sein – der Sendetermin ist allerdings zurzeit noch nicht bekannt.

Danke für den Hinweis an René Zandbergen.

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Das ZDF…

Donnerstag, 5. November 2009 22:05

Das ZDF… dieses Zweite Deutsche Fiasko im Fernsehempfänger, es ist immer gut für irgendeinen leicht esoterisch angehauchten Unfug, und eben gerade habe ich in einer Mail gelesen (ich selbst verzichte ja dankend auf die »Segnungen« des Fernsehens), dass heute im ZDF ein Krimi mit dem Voynich-Manuskript als Hintergrund für den konstruierten Mordfall ausgestrahlt wurde. Nach allem, was ich bis jetzt weiß, handelt es sich inhaltlich um den ZDF-typischen, mit Psychogeklimper und dumpfen Klischees völlig ungenießbar gemachten Schwachsinn – aber die Ausstrahlung dieser Sendung wird wahrscheinlich dennoch den armen Server hier an den Rand der Belastbarkeit bringen.

Wer nach »Genuss« dieser ZDF-Produktion Interesse an einem wirklich schwierigen Rätsel bekommen hat, möge doch bitte die vielen hier gegebenen Links verfolgen und sich einen ersten Eindruck davon machen, welche Ansätze zur Entschlüsselung bislang trotz allen Aufwandes erfolglos blieben. Leider steht der größte Teil des sehr umfangreichen Materiales nur in englischer Sprache zur Verfügung – aber ist damit immer noch deutlich leichter verständlich als das Voynich-Manuskript. Und wer nach diesem »bisschen« Lektüre erst so richtig Interesse bekommen hat: Herzlich Willkommen bei uns, die wir im Dunkel tappen, und die wir mehr als nur einen hochbegabten, soziopathischen Schüler brauchen, um Licht in diese Angelegenheit zu bringen… 😉

Der Schwachsinn der ZDF-Story wird sich allerdings schon nach flüchtiger Lektüre des Materiales zeigen. Und vielleicht zeigt sich dabei ja so manchem Menschen auch ganz nebenbei, wie viel Schwachsinn einer ganz bestimmten Machart sonst noch jeden Tag in einem ZDF läuft, das übrigens in der BRD auch von allen Menschen ohne Radio und Fernseher durch eine Zwangsgebühr finanziert wird, wenn diese einen Computer besitzen.

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Das Voynich-Manuskript im »Skeptiker«

Samstag, 31. Mai 2008 17:06

Das kritische Magazin »Skeptiker – Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken« wird sich in seiner in einigen Wochen erscheinenden Ausgabe auch des Voynich-Manuskriptes annehmen. Natürlich ist mir noch nicht der Inhalt des Artikels bekannt, aber es ist so gut wie sicher, dass »esoterischen« Spekulationen mit zersetzender Kritik begegnet werden wird. Wer sich an einer strikt materialistischen Kritik an bestimmten Aspekten der Untersuchung des Manuskriptes nicht stört, wird in diesem Artikel gewiss eine anregende Lektüre haben.

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