Samstag, 6. Juni 2009 2:49
Wenn man sich mit dem Voynich-Manuskript beschäftigt, geht es keineswegs immer so trocken und wissenschaftlich zu, wie Außenstehende sich das vorstellen können. Es liegt wohl im Charakter der solchen Sackgasse der Erkenntnis, dass es auch immer wieder zu eher ungesunden, spielerischen Experimenten kommt, bei denen man weiß, dass sie wohl nicht weiterführen. Zumindest ist das bei mir der Fall.
Ich weiß ja genau, dass es sich nicht um einen direkt notierten Text handelt, so sehr auch das flüssige Schriftbild und so manche Analyse genau diesen Eindruck erweckt. Aber in solchen ungesunden Momenten packt es mich, und ich vergesse alles, was ich weiß – deshalb nenne ich einige Experimente auch ungesund. Die meisten derartigen Experimente sind keiner weiteren Erwähnung wert, weil sie zu keinem neuen Ergebnis führen. Im besten Fall werden sie zur Grundlage einer schwer zu bestätigenden Spekulation.
Neulich habe ich die EVA-Transkription in gesprochene »Sprache« verwandelt. Ich habe mir das freie Sprachsynthese-Programm festival gegriffen und ein kleines Skript geschrieben, dass mir eine Seite des Manuskriptes in eine Audiodatei verwandelt. Dabei habe ich EVA kaum verändert, mit allerdings zwei Ausnahmen:
- Wenn ein Asterisk auf ein nicht transkribierbares Zeichen hinweist, denn habe ich den Text -eeeh- eingefügt, als müsse an dieser Stelle um den richtigen Klang gerungen werden.
- Die »Konsonantenhaufen« in den relativ häufigen Glyphen der Bauart »cth« habe ich in »tich« umgewandelt (für »t« kann jeder Gallow stehen), da sie so deutlich »ruckelfreier« durch die Sprachsynthese kommen.
Ansonsten blieb die Transkription unverändert. Die Wörter wurden durch Leerzeichen getrennt und jede Zeile mit einem Punkt beendet, um die stimmliche Senkung eines Satzes zu erreichen. Diesen »Text« habe ich mit einer US-englischen Diphondatenbank in mechanische Sprache wandeln lassen. Wer einmal einen Eindruck davon bekommen möchte, wie so etwas klingt, kann sich hier die generierte Audiodatei für die Seite f18v herunterladen.
Download-Link: Der Computer liest Seite f18v
Natürlich liefert diese »Betrachtung« keinen neuen Aufschluss. Es ist zwar erstaunlich, wie »glaubwürdig« die generierte Sprache an vielen Stellen klingt, aber auch die gar nicht sprachtypische, hohe Redundanz des Textes wird hörbar. Es ist eben ein ungesundes Experiment, durchgeführt in der Sackgasse der Erkenntnis.
Dennoch fand ich das Resultat so bemerkenswert, dass ich die für einige Seiten des Manuskriptes erzeugte »Sprache« in einige kurze, minimalistisch gebaute Ambient-Stücke mit düsterer, transzendenter Atmosphäre eingebaut habe. Und die dabei entstandene Musik fand ich schon beim ersten Mix noch bemerkenswerter. Die künstliche »Sprache« nötigt mich dazu, sehr »krumme« Rhythmen zu verwenden, für die Seite f18v etwa ein 7/4-Takt.
Mein nächstes Album wird wohl stark von diesen Stücken geprägt sein. Es hat auch schon einen Arbeitstitel, nämlich »Kryptogramm«. Ein anderer ist ja auch kaum denkbar… 😉