Beiträge vom November, 2007

Die verborgenen Strukturen

Montag, 19. November 2007 0:27

Zu den bisherigen Versuchen, Voynich-artige Dokumente ohne Inhalt zu erzeugen, habe ich in diesem Blog mehrfach eine Andeutung über Strukturen im Voynich-Manuskript gemacht, die ich aber bislang nicht mit weiteren Daten belegt habe.

Zwar besteht bei den algorithmschen Reproduktionen bei oberflächlicher Betrachtung eine gewisse Ähnlichkeit zum Voynich-Manuskript, auch werden die typischen Wort-Strukturen des Manuskriptes durchaus überzeugend hervorgebracht, aber die Strukturen innerhalb der Zeilen und innerhalb der Seiten werden niemals reproduziert und wurden von den findigen Forschern gar nicht weiter beachtet. Alle Schlussfolgerungen, die auf einer optisch ähnlichen, aber strukturell unvollständigen mechanischen Reproduktion beruhen, sind fragwürdig – vor allem, wenn lauthals und reißerisch postuliert wird, dass es sich beim gesamten Manuskript um eine inhaltslose Nachricht, um einen Betrugsversuch eines talentierten Fälschers handelt.

Die verborgenen Strukturen sind im Manuskript vorhanden, recht deutlich, durch einfache Analysemethoden aufzudecken und bislang noch nicht mechanisch reproduziert worden. (Auch ich bin übrigens bei einigen einfachen Versuchen, Voynich-ähnliche Texte zu erzeugen, an dieser »Kleinigkeit« gescheitert.) Sie zeigen sich als eine zunächst nicht auffällige, aber statistisch sichtbare Feinstruktur innerhalb der Zeilen, der Absätze und innerhalb der Seiten.

Diese Strukturen sollen hier etwas beleuchtet werden, wobei ich nicht auf alle Einzelheiten eingehen werde. Insbesondere werde ich Strukturen innerhalb der Absätze nicht berücksichtigen.

Das Manuskript ist hoch strukturiert

Schon bei der Betrachtung einer Transkription fällt den meisten Menschen auf, dass die einzelnen Wörter im Manuskript nicht willkürlich gebildet sind. Die Strukturen innerhalb eines Wortes gehören zu den Eigenschaften, die so auffällig sind, dass sie kaum jemand übersieht – diese starken Strukturen innerhalb eines Wortes sind übrigens das deutlichste Argument gegen eine direkte Niederschrift einer heute in Europa gesprochenen Sprache, da keine europäische Sprache vergleichbare Strukturen aufweist.

So weit ich (der ich kein Experte für vergleichende Sprachwissenschaft bin) weiß, passen solche Muster nur auf Sprachen, die angesichts der europäischen Gestaltung der Illustrationen sehr unerwartet sind. Eine phonetische Niederschrift einer Sprache der tibeto-chinesischen Familie würde ähnliche Worteigenschaften hervorbringen, wenn der Ton der jeweiligen Silbe mitnotiert würde.

Im Voynich-Wort hat jede Glyphe ihren festen Platz. Einige Glyphen können nur am Anfang stehen, etwa q oder qo; andere sind typisch für das Ende eines Wortes, etwa iin, iir, dy oder im; wieder andere können an beliebiger Stelle im Wort erscheinen, etwa ch, sh, ee, s, d, p, f, t, k und die charakteristischen Kombinationen aus einem Gallow und ch wie ckh. Diese Regeln werden überlagert von einem zweiten Regelsatz, den ich als »harmonische Regeln« bezeichne; das Aufeinanderfolgen bestimmter Glyphen wird im Manuskript vermieden. Beide Regelsätze sind – um jeden Forscher zu verwirren – nicht völlig ohne Ausnahmen. Gegen die »harmonischen Regeln« verstoßen etwa 10 Prozent der Wörter, gegen die allgemeinen Regeln zum Wortaufbau verstoßen etwa 5 Prozent der Wörter im Manuskript – und diese beiden Gruppen von ungewöhnlich gebildeten Wörtern sind recht regellos im Text verteilt.

Trotz der vielen Ausnahmen: Die Regelmäßigkeit in der Struktur der Wörter ist eine grobe, der Anschauung entgegenkommende Tatsache, die jeder irgendwann bemerkt. Über diese auffällige Wortstruktur wird jedoch die Struktur der Wortverteilung in einer Zeile oft übersehen, obwohl sie sich durch einfachste Analysen offen legen lässt.

Für alle folgenden Analysen habe ich die Transkription von Takeshi Takahashi verwendet. Textuelle Besonderheiten wie Labels und Titel wurden herausgefiltert. Die beiden Perl-Skripten für die Verarbeitung stehen für eigene Experimente zum freien Download zur Verfügung.

Die Verteilung der Wortlängen in einer Zeile

Zunächst findet sich eine recht deutliche Struktur in den Zeilen. Die Wortlängen sind innerhalb einer Zeile nicht gleichmäßig verteilt, tendenziell erscheinen längere Wörter am Anfang der Zeile.

In den folgenden Diagrammen wird für die x-Achse jeweils der Wortindex aufgetragen (also die Information, um das wievielte Wort der Zeile es sich handelt), auf der y-Achse ist die durchschnittliche Länge des Wortes aufgetragen. Diese Analyse wird getrennt für den biologischen, pflanzenkundlichen und abschließenden Teil vorgenommen, sie wird ergänzt um die wenigen reinen Textseiten im Manuskript. Diese Auswahl wurde vorgenommen, weil die anderen Teile des Manuskriptes von ringförmigen Anordnungen des Textes geprägt sind, bei denen es willkürlich ist, bei welchem Wort die Zählung beginnt.

Zunächst die biologischen Seiten:

Wortlängen pro Zeile biologischer Teil

Jetzt die pflanzenkundlichen Seiten:

Wortlängen pro Zeile pflanzenkundliche Seiten

Jetzt die Seiten des abschließenden Teiles, die eine besonders deutliche Verteilung zeigen:

Wortlängen pro Zeile abschließender Teil

Und schließlich noch ein Blick auf die reinen Textseiten:

Wortlängen pro Zeile reine Textseiten

Das Muster in der Verteilung der durchschnittlichen Wortlängen ist recht deutlich, und es kann nicht auf einem Zufall beruhen. In einer Zeile erscheinen zum Anfang tendenziell die längeren (aus mehreren Glyphen bestehenden) Wörter, zum Ende hin nimmt die durchschnittliche Länge eines Wortes ab. Auffällig ist ferner, dass das zweite Wort einer Zeile tendenziell kürzer als das erste und dritte Wort ist, aber diese Erscheinung ist nicht so deutlich, als dass man eine verbindliche Aussage dazu machen möchte.

Wenn das Manuskript einen Inhalt hat, denn muss diese Verteilung der Wortlängen etwas mit der Form zu tun haben, in der dieser Inhalt niedergeschrieben wurde. Die Zeile im Voynich-Manuskript ist deutlich und nachweisbar strukturiert, die Wörter nehmen darin keine willkürliche Position ein. Jede Zeile ist als eine Informationseinheit zu betrachten. Jede Annäherung an den Inhalt des Manuskriptes muss diese Erscheinung in irgendeiner Weise erklären oder reproduzieren können, und diese Erklärung sind bisherige, dem Augenschein verhaftete »Lösungen« völlig schuldig geblieben.

So wenig einem die zählende Einsicht beim Verständnis weiterhilft, so sehr hilft sie doch dabei, vorschnelle Schlüsse einiger Autoren zu verwerfen. Eine direkte sprachliche Niederschrift menschlicher Sprache würde solche Strukturen in einem Fließtext nicht aufweisen, aber es ist sehr wohl möglich, dass solche Strukturen in lyrischen Texten aufscheinen. Wer eine Fälschung des Manuskriptes postuliert und hierzu ein Verfahren entwickelt, dass vergleichbare Texte erzeugt, muss sich auch Gedanken um die Strukturen in der Zeile machen.

Die Strukturen innerhalb einer Seite

Es gibt aber auch Strukturen innerhalb der Manuskript-Seite, die nicht ganz so deutlich sind, aber doch in eingen Teilen deutlich genug, um nicht durch einen Zufall erklärt werden zu können. Bei dieser Untersuchung werden Unterschiede zwischen den einzelnen Teilen des Manuskriptes auch am Text deutlich. Ich werde hier nur eine Struktur innerhalb der Seiten herausgreifen, weil sie sehr unerwartet ist.

Die auffälligsten Zeichen im Manuskript sind die so genannten »Gallows«, dies sind die großen, geschwungenen Glyphen f, p, t und k. Diese Glyphen geben einige Rätsel auf, da sie seltsame Ligaturen mit der ch-Glyphe bilden können, obwohl die Existenz einer solchen Ligatur bei der relativen Seltenheit dieser Zeichenfolgen überrascht. In den folgenden Diagrammen ist auf der x-Achse die laufende Zeilennummer auf der Seite aufgetragen, auf der y-Achse ist die durchschnittliche Anzahl der Gallows in diesen Zeilen aufgetragen. Diese Analysen sind für kleinere Zeilennummern aussagekräftiger, da dort mehr Text eingeflossen ist. Es kommt deshalb bei den hohen Zeilennummern zu deutlichen Fluktuationen.

Zunächst einmal die reinen Textseiten:

Gallows pro Textzeile reine Textseiten

Recht ähnlich sieht dieses Diagramm für die Seiten des abschließenden Teiles aus:

Gallows pro Zeile abschließender Teil

Bei alleiniger Betrachtung dieser Diagramme scheint es nicht den geringsten Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Gallows und der Position auf der Seite zu geben. Es scheint sich um mehr oder minder starke Schwankungen um einen Mittelwert zu handeln. Dieser Mittelwert liegt bei den reinen Textseiten bei 6 Gallows pro Zeile, bei den Seiten des abschließenden Teiles bei 6,6 Gallows pro Zeile. Die vergleichsweise starken Schwankungen der Verteilung für die reinen Textseiten erklären sich aus der Tatsache, dass es nur fünf reine Textseiten gibt, nämlich f1r, f58r, f58v, f66r, f85r1 – der abschließende Teil verfügt hingegen über 23 Seiten, so dass sich lokale Fluktuationen besser herausmitteln können.

Es gibt aber auch noch andere Teile im Manuskript, und da sehen die Diagramme völlig anders aus. Im biologischen Teil ergibt sich die folgende Verteilung:

Gallows pro Seite für den biologischen Teil

Hier zeigt sich schon eine sehr andersartige Verteilung, es gibt einen deutlichen Abwärtstrend in der durchschnittlichen Anzahl der Gallows für den unteren Teil des Dokumentes. Diese Struktur in der Verteilung der Gallows zeigt sich noch etwas deutlicher im pflanzenkundlichen Teil:

Gallows pro Zeile pflanzenkundlicher Teil

Es liegt also ein Zusammenhang zwischen dem mutmaßlichen, an Hand der Illustrationen naheliegenden Inhalt einer Seite und der Verteilung bestimmter Zeichengruppen auf der Seite vor. Dieser Zusammenhang ist nicht offensichtlich, er tritt unerwartet und überraschend bei einer Zählung in Erscheinung. Er ermöglicht es prinzipiell, die Art der Seiten nicht nur an Hand der Illustrationen, sondern auch an Hand einer Struktur des Textes auf dieser Seite zu erkennen. Es handelt sich vielleicht sogar um einen inhaltlichen Zusammenhang, dessen Bedeutung allerdings (mir noch) unklar ist.

Die ungleichmäßige Verteilung bestimmter Glyphen innerhalb des Kontextes einer Seite ist in jedem Fall schwer zu verstehen. Wenn man das Voynich-Manuskript als direkt niedergeschriebene Sprache deutet, würde eine solche Erscheinung bedeuten, dass bestimmte Laute oder Lautfolgen am Anfang eines Textes häufiger erscheinen als zum Ende hin; eine solche Erscheinung wäre eine sehr ungewöhliche lyrische Kunstform. (Gibt es Sprachen, in deren Lyrik so etwas üblich ist?) In jedem Fall zeigt sich durch einfaches Zählen der Gallows bei den biologischen Seiten schwach und recht deutlich bei den pflanzenkundlichen Seiten des Manuskriptes, dass dort jede Seite eine strukturierte Informationseinheit ist.

Abschließendes

Schon relativ einfache Analysen zeigen, dass das gesamte Voynich-Manuskript auf jeder denkbaren Betrachtungsebene (Zeichen, Zeilen, Seiten) hoch strukturiert ist. Die bisherigen Versuche, algorithmisch einen Voynich-ähnlichen Text zu erzeugen, haben nur Teile dieser Struktur reproduzieren können – leider wurden daraus weit reichende Schlüsse gezogen und publiziert.

Jede Erklärung für das Voynich-Manuskript muss die Gesamtheit der auftretenden Strukturen erklären. Es kann durchaus sein, dass dieses Manuskript keine »Nachricht« im herkömmlichen Sinne des Wortes enthält, aber wer das belegen will, indem er einen inhaltsleeren Text mechanisch konstruiert, der muss sehen, dass es mit der bloßen Erzeugung ähnlicher Glyphenfolgen nicht getan ist. Es müssen auch die leicht sichtbar zu machenden Strukturen innerhalb der Zeile und die teilweise auftretenden Strukturen innerhalb der Seite eines bestimmten Abschnittes reproduziert werden – und es muss eine vernünftige Erklärung gefunden werden, warum diese Strukturen in einem Kontext entstanden sind, im anderen hingegen nicht. Diese Aufgabe ist sehr viel schwieriger, als die von Gordon Rugg und seinen Nachahmern erstellten Demonstrationen für die Erzeugung Voynich-artiger Textfragmente, leider wird von solchen Autoren denn auch über diesen Problemkreis geschwiegen.

Wir versuchen jedenfalls weiter, die Botschaft zu lesen…

Thema: Ergebnisse, Hacking | Kommentare (4) | Autor:

f2v: Die Seerose im Glypensumpf

Freitag, 9. November 2007 4:13

Ein winziger Thumbnail zur Seite f2vDie »Pflanze« auf Seite f2v wird für eine lange Strecke von Seiten die letzte Pflanze im Manuskript sein, die an vertraute botanische Erscheinungen erinnert. Es ist eine dieser seltenen botanischen Illustrationen im Manuskript, bei der beinahe jedem Betrachter völlig klar ist, was das reale Vorbild für diese Zeichnung sein könnte.

Es handelt sich ganz zweifelsfrei um eine Wasserpflanze, die aber ohne Wasser dargestellt wird. Der lange, grüne Stängel, das große, typisch geformte Schwimmblatt, eine Wurzel, die in ihrer eigentümlichen Wuchsform wie gemacht dafür ist, im Schlamm Halt zu finden: Das alles wirkt sehr vertraut. Auch wenn die Form der Blüte nicht völlig passt, ist sie doch dem auf vielen Teichen zu findendem Vorbild so ähnlich, dass die Identifikation dieser »Pflanze« als Seerose gesichert scheint. Das ist im Gegensatz zu so vielen anderen Illustrationen im Voynich-Manuskript einmal nicht etwas, was aus einer »anderen Welt« zu stammen scheint.

Da wir annehmen dürfen, dass die ersten Wörter eines Absatzes den Namen der Pflanze beinhalten, könnten wir an dieser Seite also unser erstes Wort Voynichianisch lernen – leider ist es die im Alltag wenig hilfreiche Vokabel für eine Pflanze, die große Ähnlichkeiten zur uns vertrauten Seerose hat. Diese Vokabel lautet im schlimmsten Fall:

Ist kooiin-cheo-pchor das voynichianische Wort für Seerose?

Da die Entscheidung, ob ein Leerzeichen vorliegt, im Schriftfluss nicht immer eindeutig ist, habe ich an dieser Stelle für den Ausschnitt eine Passage gewählt, die von den meisten Transkriptoren als die drei Wörter kooiin cheo pchor »gelesen« wird, was durchaus auch eine Frage der Interpretation von Zwischenräumen ist. Doch gleich, ob hier ein Wort, zwei Wörter oder drei Wörter »gelesen« werden, das Wortmuster kooiin (von Curriers früher Studiengruppe und von Jorge Stolfi mit gutem Grund auch als kaoiin gelesen) ist im pflanzenkundlichen Teil eindeutig und damit ein guter Kandidat für den Namen der Seerose.

Die Blüte der SeeroseNun, diese Vokabelkenntnis ist nicht nur spekulativ und damit unsicher, sondern zudem auch kein so großer Fortschritt. Zumal wir uns bei dieser recht einfachen Angelegenheit bereits mitten im schwierigen Thema befinden, wie die im Manuskript erscheinende Glyphenfolge bei einer Transkription interpretiert werden soll – eine Frage, zu der es völlig verschiedene Meinungen gibt. Die Seerose führt uns also in den Glyphensumpf, in dem bislang alle Versuche untergegangen sind, die Mitteilungen eines unbekannten Schreibers aus dem Mittelalter zu lesen. Auch für umsichtige Wanderer, die nur etwas »kartographieren« wollen, ist das ein schwieriges Gelände.

Ich kann jedem frisch am Thema Interessierten zum Einstieg nur dringend empfehlen, die vorhandenen Transkriptionen zunächst zu ignorieren und sich stattdessen einen eigenen optischen Eindruck vom Manuskript zu verschaffen. Das bewahrt nachhaltig davor, den Transkriptionen blind zu vertrauen und schärft den Blick für die Ambiguität vieler Passagen dieses Manuskriptes. (Natürlich sind gute Transkriptionen unentbehrlich für eine computergestützte Analyse der Glyphenfolge. Eine recht bequeme Möglichkeit, interessierende Passagen aus gängigen Transkriptionen in den wichtigsten Formaten zu erhalten, findet sich im »Extractor« meines Voynich Information Browsers.)

Sieht man von den Glyphen nur eine Transkription, wie etwa die folgende Lesart der Seite f2v von Takeshi Takahashi, …

kooiin cheo pchor otaiin o dain chor dair shty
kcho kchy sho shol qotcho loeees qoty chor daiin 
otchy chor lshy chol chody chodain chcthy daiin
sho cholo cheor chodaiin 
kchor shy daiiin chckhoy s shey dor chol daiin 
dor chol chor chol keol chy chty daiin otchor chan 
daiin chotchey qoteeey chokeos chees chr cheaiin 
chokoishe chor cheol chol dolody

…so verliert man leider zu schnell aus dem Sinn, wie viele schwierige Entscheidungen bei der monotonen Tätigkeit des Transkribierens getroffen werden mussten – und wie häufig in solche Entscheidungen persönliche Annahmen einfließen. Es ist mir bei der Arbeit mit Transkriptionen mehrfach passiert, dass ich Muster »im Manuskript« erkannt zu haben glaubte, die nach einer Überprüfung eben so gut Muster in der Wahrnehmung des jeweilgen Transkriptors sein konnten. Stets ist jede derartige Erkenntnis an Hand einer zweiten, unabhängigen Transkription zu überprüfen, ein zusätzlicher Blick in das richtige Manuskript (in Form guter Abbildungen) ist immer empfehlenswert.

Was macht die Aufgabe der Transkription so schwierig? Die folgenden Anmerkungen schneiden nur die wichtigsten Themen an.

Interpretation von Leerzeichen

cheo p chor oder cheo pchor oder cheopchor?Das Thema habe ich ja bereits bei der Vorstellung des »Namens der Seerose« angeschnitten. Das Leerzeichen nach kooiin sieht relativ »sicher« aus, es ist ein größerer Abstand im Glyphenfluss. Aber schon die Frage, ob darauf cheo pchor oder cheo p chor oder auch cheopchor zu lesen ist, lässt sich nicht leicht entscheiden. Die p-Glyphe wirkt abgesetzt, sie hat auf beiden Seiten den gleichen Abstand. Dennoch lesen die meisten Transkriptoren hier cheo pchor.

Das liegt daran, dass eine p-Glyphe mit einer etwas über das Maß reichenden Höhe sehr häufig am Anfang eines neues Wortes steht, ihr geht in der Regel nur ein o oder qo voraus. Diese Beobachtung führt zur unbewussten Wahrnehmung dieses Musters, diese führt ihrerseits zu dieser Transkription. Da die o-Glyphe noch leicht mit dem Schriftfluss des che verbunden ist, wird sie als Bestandteil des vorhergehenden Wortes cheo gesehen.

Was hier transkribiert wurde, ist ein psychischer Prozess des Menschen, der die Transkription anfertigt und keine Eigenschaft des Manuskriptes. Wenn überhaupt, muss hier ein »unsicheres Leerzeichen« notiert werden. Solche unbewussten Mustererkennungen sind eine ganz gewöhnliche psychische Tätigkeit, wenn bewusst keine Information vorhanden ist; auf diesem psychischen Prozess beruht auch die Wahrnehmung von Sternbildern in der quasi-zufälligen Verteilung der Fixsterne am Firmament.

Schwer bestimmbare Glyphen

chor oder chos?Einige Glyphen lassen sich in Gruppen zusammenfassen, deren Vertreter sich sehr ähnlich sehen. So ist zum Beispiel die häufige s-Glyphe ein Bogen, an dem ein nach oben geschwungener Ausläufer angebracht wird, die ebenfalls sehr häufige r-Glyphe enthält den gleichen Schwung nach oben, allerdings von einem kurzen Strick als Grundfigur ausgehend.

Und manchmal scheint sich nicht einmal der Schreiber sicher gewesen zu sein, was er schreiben wollte. Das vorletzte Wort in der zweiten Zeile wird allgemein als chor transkribiert, obwohl das letzte Zeichen dieses Wortes den Eindruck macht, dass der Grundstrich einer r-Glyphe korrigiert wurde, indem einfach eine s-Glyphe darüber geschrieben wurde.

Auch hier wurde unbewusst ein Muster wahrgenommen. Die Wortendung auf -or ist wesentlich häufiger als die auf -os – und diese Wahrnehmung führte offenbar zur Entscheidung für die allgemein gewählte Lesart. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Entscheidung, die gar nicht sicher getroffen werden kann.

Solche Unbestimmtheiten sind übrigens auf der vorliegenden Seite f2v relativ dünn gesät, aber in den Seiten des astrologischen und kosmologischen Teils sehr häufig.

Das Werk vergangener Restaurationen

Viele dieser Unbestimmtheiten gehen auf einen Faktor zurück, zu dem man bei längerer Beschäftigung eine Hassliebe entwickelt. Es gab mindestens zwei Restaurationen des Manuskriptes, die uns einerseits den »Text« erhalten haben, die aber andererseits der Glyphenfolge einen großen Schaden zufügten, mit dem heute jeder Forscher leben muss. Ich bin mir sicher, dass der spätere Restaurator den Text nicht zu lesen wusste und nur die verblichenen Glyphen nachzeichnete – dabei produzierte er oft neue Glyphen, die große Rätsel aufgeben und schuf »Wörter«, die nicht in die üblichen Wortbilder passen. Zum Glück ist das Werk des späteren Restaurators oft dadurch kenntlich, dass er eine deutlich dunklere Tinte verwendete; zum Unglück hat dieser auch besonders häufig verschmierte und undeutliche Zeichen produziert.

Auch das ist eigentlich eher auf anderen Seiten auffällig, aber schon auf der an sich gut erhaltenen und klaren Seite f2v finden sich einige lehrreiche und typische Beispiele für Artefakte der Restauration.

Was wurde hier wirklich geschrieben? Jetzt liest man chokoishe...In der letzten Zeile der Seite findet sich das sehr untypisch geformte Wort chokoishe. Das Werk des Restaurators zeigt sich in der deutlich dunkleren Tinte beim Bestandteil ish, wobei die sh-Glyphe so stark verschmiert wurde, dass man nicht mehr entscheiden kann, ob der erste Bestandteil nicht vielleicht eine o-Glyphe oder – etwas unwahrscheinlicher – eine i-Glyphe gewesen sein könnte. Da o‹h und i‹h sehr selten sind, liest hier natürlich jeder sh, aber das ist eine dieser unbewussten Annahmen.

Die i-Glyphe zwischen o und sh ist in jedem Fall ungewöhnlich und löst bei meiner unbewussten Mustererkennung sofort den Verdacht aus, dass bei der Restauration eine beschädigte oder verblichene e-Glyphe falsch nachgezeichnet wurde. Auch das ist natürlich nur eine Annahme.

Was ist das für ein Text über kchor?Manchmal scheint der Restaurator recht willkürlich Dinge nachgezogen und damit sichtbar gemacht zu haben, die mit Sicherheit nicht zum ursprünglichen Manuskript gehören – das erweckt kein besonderes Vertrauen in seine Arbeit am eigentlichen Text. Beim Anblick dieser Hinzufügungen wird am ehesten klar, dass hier jemand an der Erhaltung der Glyphenfolge gearbeitet hat, der noch weniger Verständnis als ich vom Aufbau des Schriftsystems hatte und der deshalb gewiss nichts lesen konnte.

Das erste Wort des zweiten Absatzes ist klar als kchor lesbar, was auch kein besonders verdächtiges Wort ist. Aber die Tinte des Restaurators hat hier nicht nur ganz offenbar die Endung -or nachgezogen, sondern auch ein seltsames Artefakt über diesem Wort hinterlassen, dass ungefähr wie ein »fa« in lateinischen Buchstaben aussieht und keinen Bezug zum Schriftsystem des Voynich-Manuskriptes hat. Dieses Detail geht in allen Transkriptionen unter, es wird mit gutem Grund als Fremdkörper erkannt.

Aber wie viele Hinzufügungen des gleichen Restaurators haben schon Transkriptoren vor schwierige Entscheidungen gestellt? Auf den folgenden Seiten, vor allem später im astrologischen Teil, werden wir etliche Beispiele finden, in denen der ursprüngliche Text geradezu verstümmelt wurde.

Fürs erste verlassen wir den schlüpfrigen Glyphensumpf wieder. In der Hand halten wir eine Seerose, die vielleicht auf Voynichianisch kooiin heißt – mir wären ein paar Alltagsgegenstände lieber gewesen. Die gewonnene Erkenntnis ist, dass jede Transkription des Voynich-Manuskriptes ein Abbild ist, das unter großen Schwierigkeiten entstand.

Ich habe, als ich mit dem »verdammten Manuskript« anfing, zunächst Transkriptionen verwendet, um mir einen ersten Eindruck vom Text zu verschaffen. Das liegt daran, dass ich der Auffassung anhing, es handele sich um ein verschlüsseltes Manuskript, dessen Code durch Datenverarbeitung zu brechen wäre. Als Basis für eine Arbeit am Manuskript, die dem Glyphensumpf angemessen ist, erwiesen sich die Transkriptionen dabei in keiner Weise. Eine solche Arbeit muss auf wesentlich breiterer Wurzel fußen, wenn sie Halt finden soll…

Die breite Wurzel der Seerose aus dem Voynich-Manuskript

Thema: Seiten | Kommentare (0) | Autor:

Das Ziel der Seitenbeschreibungen

Freitag, 9. November 2007 4:12

In unregelmäßigen Abständen schreibe ich hier längere Texte zu einer einzelnen Seite des Vonyich-Manuskriptes.

Ich beschreibe die Seiten hier nicht, um eine Konkurrenz zu anderen Websites aufzubauen. Meine Beschreibungen versuchen auch nicht, alle Eigenheiten einer bestimmten Seite des Voynich-Manuskriptes vollständig und systematisch zu erfassen, was nach meinem Erachten für eine Einzelperson ohne spezielle Ausbildung auch gar nicht möglich ist.

Es geht mir in jeder meiner Beschreibungen um jeweils eine wichtige Anmerkung zu einer speziellen Eigenschaft des Manuskriptes. Diese Anmerkungen richten sich eher an Neulinge, und weniger an »alte Hasen«. Ein Neuling, der sich bereits aus anderer Quelle eine erste Übersicht über das Manuskript verschafft hat, soll in diesen Texten einen Eindruck von der Besonderheit des Voynich-Manuskriptes bekommen und erkennen, warum jede Arbeit an dieser Materie – auch jede über die rein kryptographische Herausforderung hinaus gehende Arbeit – von so einzigartiger Schwierigkeit und Faszination ist. Was ich dabei voraussetze, ist eine oberflächliche Vertrautheit mit dem Aufbau des Manuskriptes und mit dem Transkriptionsalphabet EVA.

Viele schwierige Themen werden in diesen Texten nur gestreift, aber doch schon so, dass die Schwierigkeiten für einen Leser auch fühlbar werden. Ich scheue dabei auch nicht die Auseinandersetzung mit esoterischen, psychologischen oder künstlerischen Themen, ohne mich auf diesen Themenkreis zu beschränken. (Ich glaube übrigens, dass das Manuskript einen esoterisch orientierten Inhalt hat.) Da sich die Präsentation aller Themen dabei zunächst an so etwas Fassbarem wie einer einzelnen Seite des Manuskriptes festmacht, wird auch abstraktem Stoff seine zunächst abschreckende Schwierigkeit genommen und ein bequemer Einstieg für eine tiefer gehende Beschäftigung gefunden.

Das gilt natürlich auch für mich. 😉 Es ist nicht immer leicht, über etwas zu schreiben, das sich seit langer Zeit jedem Verständnis entzieht.

Wenn diese Texte einen Beitrag dazu leisten, dass Spekulationen und vorschnell veröffentlichte »Ergebnisse« oder gar »Übersetzungen« krtisch bewertet werden können, freut mich das. Wenn einigen windigen Geschäftemachern das Geschäft mit der Unwissenheit gründlich versalzen wird, ist meine Freude sogar noch ein bisschen größer. Aber am meisten freut es mich immer noch, wenn sich Menschen für dieses große, ungelöste Rätsel zu interessieren beginnen und ebenfalls mit ihren verfügbaren Mitteln nach einer Lösung suchen – auch wenn ich als »ausgelernter Optimist« davon ausgehe, dass ein lesbarer Text des Manuskriptes wesentlich uninteressanter als der Weg zur Lesbarkeit sein wird.

Ich habe keine Angst, dass mir der Stoff zum Schreiben ausgeht. Wenn jede Seite einen Text hat, der auf eine einzige einmalige Eigenschaft des Voynich-Manuskriptes eingeht, werden immer noch genügend wichtige Themen übrig sein, die keine Erwähnung gefunden haben. Das »Schlimmste«, was mir passieren kann, ist, dass jemand das Buch einfach liest, bevor ich mit allen Seiten durch bin. Und das fände ich wirklich wünschenswert.

Und ansonsten gilt natürlich: kooiin cheo pchor otaiin o dain chor dair shty (f2v.P.1) 😉

Thema: Kommunikation, Seiten | Kommentare (3) | Autor:

f2r: Eine Pflanze namens kydainy

Donnerstag, 8. November 2007 0:19

Miniaturdarstellung der Seite f2rZugegeben, dieser »Pflanzenname« auf der Seite f2r ist in gewisser Weise ein Witz, aber keiner der billigen und schlechten Sorte. Es weiß zwar niemand, wie die »Pflanzen« des Voynich-Manuskriptes heißen, aber Jorge Stolfi hat vor ungefähr zehn Jahren eine ausgesprochen interessante Entdeckung an den »Texten« des »pflanzenkundlichen Teils« gemacht.

Bei seiner Entdeckung aus dem Jahr 1998 ging Jorge Stolfi von der offenbaren Tatsache aus, dass jede dieser Seiten genau eine »Pflanze« darstellt. Wenn es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem »Text« und den Darstellungen einer solchen Seite gibt, denn könnte es ja durchaus möglich sein, dass der Name dieser »Pflanze« im Text auftaucht. Diese Annahme setzt allerdings voraus, dass es sich nicht um einen stark verschlüsselten Text, sondern um eine mehr oder minder direkte Notation natürlicher Sprache handelt. Aber die Annahme lässt sich leicht mit Hilfe eines Computers überprüfen, wenn man eine Transkription vorliegen hat – es reicht aus, nach »Wörtern« zu suchen, die einmalig nur auf diesen Seiten erscheinen.

Ganz so einfach ist es allerdings doch nicht. Viele Voynich-Glyphen sehen sich sehr ähnlich, das Transkribieren ist eine fehlerträchtige Tätigkeit und alle Transkriptionen sind umstritten. Deshalb wurde die Untersuchung nicht an einer rohen EVA-Transkription vorgenommen, vielmehr wurde der Text der Transkription so bearbeitet, dass ähnliche Glyphen so in identischen lateinischen Buchstaben zusammengefasst werden, dass häufige Transkriptionsfehler keine Rolle für das Ergebnis spielen. Darüber hinaus sind die Leerzeichen unsicher in der Deutung und die q-Glyphe wird wegen ihres regelmäßigen Auftretens am Wortanfang für eine »grammatikalische« Erscheinung gehalten. Die vorgenommene Transformation sieht im Einzelnen so aus:

  1. Lösche jedes q am Beginn eines Wortes
  2. Ersetze jedes t durch ein k
  3. Ersetze jedes f durch ein p
  4. Ersetze jedes y am Wortanfang durch ein o
  5. Ersetze jedes a oder o am Wortende durch ein y
  6. Ersetze jedes ee durch ein ch
  7. Ignoriere alle Leerzeichen für die Analyse

Es ist klar, dass durch diese Transformation Information aus dem »Text« zerstört wurde. Da im Manuskript viele ähnliche Wörter auftreten, wäre ein eindeutiges Ergebnis trotz dieser Transformation schon ein recht sicheres Indiz.

Jorge Stolfi kam zu einem recht eindeutigen Ergebnis (die Übel-Setzung ins Deutsche ist von mir):

Es hat sich herausgestellt, dass das erste Wort jeder Seite beinahe immer seiten-spezifisch ist. Ich betrachte diese Tatsache als ein Zeichen dafür, dass wir es als Regel betrachten können, dass das erste Wort der Seite der Name der Pflanze ist. Darüber hinaus scheinen die meisten Abweichungen von dieser Regel darin bedingt zu sein, dass ein Wort durch ein fragliches Leerzeichen umbrochen wurde. In diesen Fällen können wir gewöhnlich ein seiten-spezifisches Wort erhalten, wenn wir die ersten zwei oder drei Wörter der Seite zusammenfügen.

Kydainy - der Name der Pflanze?So auch das Wort kydainy, dieses völlig »unverdächtig« aussehende erste Wort der Seite f2r. Die beschriebene Transformation verwandelt dieses »Wort« in »kydaino«, und dieses Muster kommt im gesamten pflanzenkundlichen Teil des Voynich-Manuskriptes nicht noch einmal vor – trotz einer Transformation, die ähnlich gebaute »Wörter« aufgefunden hätte. Das ist – alles in allem – ein eher unerwartetes und verwirrendes Ergebnis einer recht einfachen Untersuchung, das die These stützt, dass es sich beim »Text« des Manuskriptes um eine direkt notierte Sprache handeln könnte.

Kydain, das erste Wort des zweiten Absatzes dieser Seite. Ist das nur eine grammatikalische Erscheinung?Interessanterweise enthält die Seite f2r zwei Absätze, und der zweite Absatz beginnt mit der sehr ähnlichen Glyphenfolge kydain – da fehlt nur die y-Endung. Auch dieses »Wort« ist im gesamten Manuskript eindeutig, so dass der Verdacht sehr nahe liegt, dass gewisse Endungen eine »grammatikalische« Erscheinung sind. Aber das ist ein völlig anderes Thema, das hier einmal ausführlich gewürdigt werden wird.

Die Blüte der Pflanze erinnert entfernt an eine KornblumeDass man einen mutmaßlichen Namen der Pflanze angeben kann, hilft leider nicht beim Lesen des Manuskriptes. Denn diese »Pflanze« ist nicht identifizierbar. Dies gilt für alle Pflanzen der Manuskriptes, so dass die von Jorge Stolfi gefundene Eigenschaft nicht beim Lesen des Textes hilfreich ist.

Die Blüte dieser Pflanze erinnert recht deutlich an eine Kornblume (centaurea cyanus), wenn auch die typische blaue Farbe fehlt. Dies führte Petersen dazu, diese Seite informell als »Cornflower« zu bezeichnen. Leider ist die Blattform völlig falsch, und die rötlichen Strukturen auf dem Stängel widersetzen sich ebenfalls der Deutung der Pflanze als Kornblume.

Die Wurzel dieser PflanzeSehr eigentümlich ist die gezeichnete Form der Wurzel.

Sie sieht – wenn man sie isoliert betrachtet – gar nicht wie eine Wurzel aus, sondern macht den Eindruck, als wenn sie ebenfalls aus Schriftzeichen bestände. Diese »Wurzelschrift« ist allerdings ebenfalls unlesbar, so dass hier unklar bleibt, ob man einem Wahrnehmungsfehler aufgesessen ist oder ob man eine wirkliche Eigenschaft der Illustration sieht. Vielleicht sollte ich es einmal mit einer Zubereitung wirklicher Kornblumen probieren, diese dient unter anderem zur Behandlung der Augen durch Waschungen…

Da viele Pflanzen nichts mit Produkten der irdischen Evolution zu tun haben, lohnt es sich, immer einen offenen Geist für andere Deutungen gewisser enigmatische Elemente in diesen Pflanzen zu haben. Wenn man dabei nur nicht so leicht in haltlose Spekulationen käme… 😉

Thema: Ergebnisse, Seiten | Kommentare (2) | Autor:

Es sind noch Karten auf der Hand…

Dienstag, 6. November 2007 3:06

…und es sind gute Karten. Hohe Karten, die stechen können. 😉

Ich muss einräumen, dass Claude Martin mich mit seiner Website »Die Karten auf den Tisch« zunächst gut geblendet hat – zum Überzeugen reicht es allerdings nicht so schnell hin, wenn mir jemand nachweisen will, dass das Voynich-Manuskript keinen Inhalt hat. Dafür ist der »Nachweis einer Inhaltslosigkeit« in meinen Augen etwas zu absurd.

Dennoch: Beim ersten Querlesen habe ich meine Augen nicht so sehr auf die Einzelheiten der dargelegten Methode geworfen, erhielt durch die bloße Fülle des Materiales und seine gute Aufbereitung den Eindruck einer sorgsamen Arbeit und fand einen Teil der Ergebnisse recht interessant. Nach einigem Nachdenken und mit zeitlichem Abstand sieht das schon wieder völlig anders aus, sowohl in Bezug auf das Verfahren, als auch in Bezug auf die Schlüsse und weiteren Annahmen.

Die beiden folgenden Notizen geben meine Gedanken zu Claude Martins Veröffentlichung wieder, sie sind noch nicht einmal vollständig.

Das Voynich-Manuskript als moderne Fälschung

Claude Martin muss es selbst eingestehen: Das von ihm beschriebene Verfahren passt gar nicht ins späte Mittelalter. Die Methodik ist sehr aufwändig und benötigt Hilfsmittel modernen Charakters, insbesondere auch billiges Schreibmaterial für schnelle, temporäre Notizen. (Die Verwendung von Ritzungen in Wachstafeln wäre zwar denkbar, aber doch auch zeitraubend und umständlich.)

Daraus zieht er allerdings nicht den Schluss, dass er selbst einem methodischen Fehler aufgesessen sein könnte, sondern er leitet aus dieser »Erkenntnis« ab, dass es sich beim Voynich-Manuskript um eine verhältnismäßig moderne Fälschung handeln muss. Als möglichen Fälscher hat er Wilfrid Voynich in Verdacht.

Dabei bleiben allerdings einige Fragen völlig offen.

Wenn Wilfrid Voynich eine solche Fälschung angefertigt hätte, dann könnte dies ja nur in betrügerischer Absicht geschehen sein. Ein mögliches Motiv könnte der Versuch gewesen sein, ein Manuskript als »wertvoll« auszugeben und teuer zu verkaufen.

Hätte Wilfrid Voynich die Fälschung eines »wertvollen Manuskriptes« beabsichtigt, denn hätte er gewiss auch dafür gesorgt, dass es einen alarmierenden Hinweis auf einen »interessanten Autor« gegeben hätte, um den Preis für sein Werk nach oben zu treiben. Als Händler mittelalterlicher Werke hätte Voynich gewiss gewusst, wie entsprechende, »interessante« Signaturen in den damaligen Codizes ausgesehen haben.

Der mutmaßliche Fälscher hat ja sonst keinen Aufwand gescheut. Er hat sich eine beachtliche Menge altes, völlig unbenutztes Pergament zu beschaffen gewusst, er hat dieses nach einem komplexen Verfahren in einem schwer beherrschbaren System beschriftet und anschließend mit noch unbekannten Mitteln dafür gesorgt, dass die aufgetragene Tinte deutliche Spuren des Verbleichens, Brechens und Alterns aufweist, und zwar am stärksten an jenen Stellen, an denen solche Abnutzung am ehesten zu erwarten gewesen wäre. Er hat sich die Mühe gemacht, zwei zeitlich weit zurückliegende Versuche der Restauration mit großem Aufwand zu simulieren, er hat dabei auch an die diversen Fehler der Restauratoren gedacht, er hat flüchtige Kritzeleien gescheiterter Entzifferer gefälscht und wieder vom Pergament gekratzt, er hat eine zweite, dunklere Tinte für die Seitennummerierung angemischt, die sehr viel weniger beschädigt wurde. Selbst, wenn er als gerissener Buchhändler etliche Tricks kannte, wird er mit dieser Fälschung sehr lange beschäftigt gewesen sein – und so etwas macht niemand, nur um ein Buch zu fälschen, das am Ende der Mühen keinen Menschen interessiert.

So etwas macht man aus Habgier oder Ruhmsucht.

Etliche Autoren wären als »Urheber« einer solchen Fälschung interessant gewesen, Roger Bacon vielleicht von allen am naheliegendsten. Es hätte eine kleine, gefälschte, durch Altersspuren fast völlig verblichene Signatur gereicht, und das gefälschte Buch hätte gewiss seinen zahlungskräftigen Käufer gefunden. Ein Kaufmann weiß doch, wie eine Ware auszusehen hat, die weggehen soll.

Natürlich gelten alle diese Anmerkungen auch für einen anderen Fälscher. Der Aufwand für diese Fälschung ist hoch, wenn es sich um eine Fälschung handelt; übrigens viel höher, als es für ein quickes Geschäft mit einem »wertvollen« Buch nötig gewesen wäre. Denn die geistigen Mittel der heutigen Kryptanalyse standen zur Zeit Voynichs noch gar nicht zur Verfügung, und erst recht keine Möglichkeiten der Datenverarbeitung. Sicherlich, das Pergament, die Tinte und der Stil der Zeichnungen werden gut und von Experten überprüft werden, und dies alles ist ja auch gut getroffen, wenn es sich um eine Fälschung handelt. Aber ein völlig unverständlicher Inhalt hätte mit geringerem Aufwand erstellt werden können. Vermutlich hätte sogar ein optisch überzeugendes, aber eher unsystematisches Gekritzel im richtigen Kontext genügend Eindruck gemacht.

Die Hypothese der modernen Fälschung steht also auf sehr wackeligen Beinen. Viel Aufwand wurde an der falschen Stelle für die auch im Computerzeitalter überzeugende Erfindung eines Schriftsystemes getrieben, während gar kein Aufwand getrieben wurde, um interessierten Käufern mit einem gut platzierten Hinweis auf einen »interessanten Autor« und damit auch auf einen »interessanten Inhalt nach der Entschlüsselung« das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das will nicht passen, zumal die gesamte Machart dieser angeblichen »Fälschung« zeigt, dass bei ihrer »Anfertigung« mit viel Intelligenz und hoher krimineller Energie vorgegangen wurde.

Kurz: Das Voynich-Manuskript ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine »moderne« Fälschung. Mit dem Zusammenbruch dieser Möglichkeit bricht aber auch die gesamte Argumentation Claude Martins in sich zusammen – denn das von ihm beschriebene Verfahren will nicht in das Mittelalter oder die beginnende Neuzeit passen, da hat Claude Martin selbst völlig recht. So dass sich weiter ausführen lässt: Das Voynich-Manuskript wurde nicht so angefertigt, wie es Claude Martin auf seiner Website beschrieben hat.

Nur bedeutungslose Zahlenfolgen

Die Frage ist nun, ob Claude Martin dennoch mit seinem Verfahren Aufschluss über die Beschaffenheit des Manuskriptes geben kann. Sein Schluss ist ja klar genug formuliert: Es gibt dort nur Zeichenfolgen, die mit einem nummerischen Verfahren aus bedeutungslosen Folgen von Zahlen erstellt wurden.

Selbst, wenn er damit eine wirkliche, weitere, zunächst verwirrende Eigenschaft der Glyphenfolgen im Manuskript enthüllt hat, sagt dies nichts über den Inhalt des Manuskriptesaus.

Ich habe vor einiger Zeit einem gebildeten Freund mosaischen Glaubens die Frage gestellt, wie zuverlässig wohl die Textüberlieferung der hebräischen Bibel sein würde. Mein Freund meinte, dass die Überlieferung des Textes sehr gut sein müsse. Und dies meinte er nicht nur aus eigener religiöser Überzeugung, sondern unter Bezugnahme auf die Technik, die seit Urzeiten von den Schreibern verwendet wird.

Das alte hebräische Schriftsystem kennt keine Trennung zwischen Zahlzeichen und Lautzeichen; jeder Buchstabe kann auch als Zahl interpretiert werden. Es gibt darin kein System von Stellenwerten wie in den uns vertrauten arabischen Ziffern, sondern eine Gruppe von Zeichen für die Hunderter, eine andere für die Zehner und eine weitere für die Einer. Größere Zahlen müssen als Wort geschrieben werden, sind aber im bäuerlich-nomadischen Kontext der alten Schriften sehr selten. Diese Doppeldeutigkeit des Schriftsystemes ist uralt und überdem fester Bestandteil der jüdischen Mystik.

Bis heute werden biblische Texte von Hand abgeschrieben, für die kultische Verwendung im G‹ttesdienst taugen nur händische Kopien. Die Schreiber nutzen dabei die Doppeldeutigkeit des Schriftsystemes, um eventuelle Fehler erkennen zu können. Es gibt Listen von Summen für jeden wichtigen Abschnitt der hebräischen Bibel, und es gibt auch gewisse Rechentricks, mit denen Buchstabendreher erkannt werden. Die Überprüfung erfolgt durch Nachrechnen, und wenn dabei ein Fehler entdeckt wird, ist die Abschrift kultisch wertlos geworden und kann nur noch zum Zweck der Schulung oder eines persönlichen Studiums verwendet werden. Eine Abschrift jedoch, welche die sehr aufwändigen Prüfungen »übersteht«, wird genau so hoch geachtet wie das Original – diese pragmatische Haltung ist übrigens auch der Grund dafür, warum der mosaische Glaube so selten alte Dokumente bewahrt hat. Dennoch haben die Funde von Qumran belegt, dass die alten Texte hervorragend durch die Jahrhunderte transportiert wurden.

Die Schreiber entwickeln darüber hinaus noch eigene, persönliche Systeme. Sie ordnen sich den Text so an, dass in aufeinander folgenden Zeilen nummerische Muster erscheinen, in denen ein Fehler sofort auffällt. Dabei hilft es ihnen, dass es weder Trennungen zwischen den einzelnen Wörtern noch eine Interpunktion gibt, so dass in der Anordnung der Zeichen eine gewisse Wahlfreiheit besteht.

Die Doppeldeutigkeit des Schriftsystemes wurde aber auch schon von den biblischen Autoren benutzt. In vielen lyrischen Texten, aber auch in so mancher Prosa gibt es große Passagen, in denen die Sätze gleiche Quersummen haben oder allesamt durch Sieben teilbar sind. Vielleicht war das den antiken Menschen eine Gedächtnisstütze beim Auswendiglernen in einer Zeit, in der Schreibmaterial teuer und Buchbesitz den Reichen vorbehalten war – dass solche Strukturen nur dem Spieltrieb alter Dichter und Autoren enthüpft sein sollen, erscheint zumindest mir kaum glaubhaft.

Der biblische Text hat also eine bedeutsame nummerische Struktur.

Das sei die Grundlage des folgenden Gedankenexperimentes.

Stellen wir uns einmal vor, dass wir diese Texte ohne weiteren Kontext vorliegen hätten, dass weder die Religion noch die Ursprungssprache noch eine verwandte Sprache erhalten worden wäre und dass niemand mehr wüsste, dass die zu etwa 30 verschiedenen Glyphen geformten Buchstaben gewisse Lautwerte repräsentieren. Und doch hätten wir durch einen glücklichen Zufall eine größere hebräische Abschrift des biblischen Textes vorliegen, die vor einigen Jahrhunderten mitten im europäischen Kulturraum entstanden ist und alle Kennzeichen eines europäischen Ursprunges trägt.

In diesem Text hätten wir Muster, die uns nahe legten, dass sich in der Zeichenfolge eine Bedeutung finden muss. Vielleicht würden wir es sogar für ein verschlüsseltes Dokument halten, aber bei dieser Annahme würden wir uns darüber wundern, dass die Glyphenfolge viele Eigenschaften einer Sprache zeigt, wenn auch nicht einer Sprache, die im europäischen Kulturraum Spuren hinterlassen hat. Wir würden uns die Köpfe darüber heißreden, welche kryptographische Methode eine Zeichenfolge mit solchen Eigenschaften hervorbringen kann, vielleicht würden viele das ganze Dokument auch für einen »Fake« halten, mit dem ein unbekannter Quacksalber Geld machen wollte. Andere würden freilich bemerken, dass der Fälscher einen viel zu hohen und ökonomisch höchst unvernünftigen Aufwand für diese Fälschung hatte – denn er hätte fast eine eigene Sprache mit einem komplexten Regelwerk, aber auch verwirrenden Ausnahmen ersonnen.

Einige »Verrückte« würden den rätselhaften, wie einen Fremdkörper wirkenden Text zu lesen versuchen. Einfach nur, weil er da ist und die Wissbegierde reizt; aber auch deshalb, weil eine Faszination von dem ausgeht, was nach etablierter Lehrmeinung gar nicht existieren dürfte. Das wären so »Verrückte« wie wir, die glyphenblinden Leser des Voynich-Manuskriptes.

Wir würden in diesem hebräisch geschriebenen Bibeltext einer hypothetischen Welt immer mehr verwirrende Eigenschaften finden, aber mit zunehmenden Wissen bekämen wir keine Klarheit über den Inhalt. Eine interessante Entdeckung wäre beispielsweise, dass zwei verschiedene Sprachen vorliegen – einige modernere Anteile der Bibel sind in Aramäisch geschrieben, während der alte Textbestand hebräisch ist. Diese Sprachen sind sich sehr ähnlich, sie verwenden auch das gleiche Schriftsystem, sie lassen sich aber sicher an Hand statistischer Untersuchungen auseinander halten. Eine andere, eher semantische Entdeckung wäre, dass die vorliegende Sprache offenbar ohne Hilfsverben auskommt, während die in Westeuropa gesprochenen indoeuropäischen Sprachen ausgiebigen Gebrauch von Hilfsverben machen. Es gibt sogar keltische Dialekte, bei denen die Hilfsverben praktisch alle anderen Verben verdrängt haben. (Man sagt darin nicht »ich fühle«, sondern »es ist ein Gefühl in mir«.) Für die slawischen Sprachen, die sehr sparsam mit Hilfsverben sind, wäre allerdings die Grammatik des hebräischen Textes zu einfach.

Wir hätten Konfusion für Jahrzehnte. Und das alles für einen an sich recht unerheblichen Text, für das Dokument einer verschwundenen exoterischen Religionsgemeinschaft. Ein Text, der gelesen nur eine Handvoll Experten wirklich interessierte.

Wir würden in dieser hypothetischen Welt unseres Gedankenexperimentes alles mögliche ausprobieren. Wir würden Glyphen zählen, Ähnlichkeiten zur Struktur bekannter Sprachen suchen, nach kryptographischen Verfahren suchen, die ähnliche Strukturen hervorbringen oder wenigstens nach Autoren Ausschau halten, die ein ähnliches Schriftbild zu Pergament gebracht hätten. Vielleicht würden wir den Text auch für eine untergegangene Sprache halten, aber wir könnten das so lange nicht überprüfen, wie wir kein zweites Dokument in dieser Sprache hätten.

Und dann käme ein – sagen wir mal: – Maude Clartin, der sich mit seiner Idee daran versucht. Mit seiner Idee, dass es sich um notierte Zahlen handelt. Und er würde fündig. Er machte eine Zuordnung von Zeichen zu Zahlen und fände eine deutliche Struktur – deutlicher noch als alles, was Claude Martin am Voynich-Manuskript gefunden hat. Nummerische Muster in der Abschrift. Passagen mit gleicher Quersumme, mit gleichen Divisionsresten.

Und dieser imaginäre Maude Clartin baute sich eine Website und schriebe darin, dass er das leidige Rätsel geknackt hat. Er entwickelt ein umständliches Verfahren, wie man nichts sagendes Zahlenreihen unter Zuhilfenahme gewisser syntaktischer Regeln in hebräische Zeichenfolgen mit ähnlichem Erscheinungsbild wie im vorliegenden Dokument verwandeln kann, und er behauptete, dass das alles wäre. Dass es sich einfach nur um sinnlose Zahlenfolgen nach aufwändiger Transformation handele. Und um das zu belegen, nimmt er größere Textabschnitte und zeigt die nummerischen Muster darin auf. Er ist völlig von der Bedeutung seines Fundes überzeugt, je länger er sich damit beschäftigt, Maude Clartin hat die Entdeckung des Jahrhunderts gemacht…

Leider sind ihm bei seiner Entdeckung die Geschichten von Adam, Eva, Kain, Abel, Isaak, Abraham, Sara, Bileam, Mose, Josua, Gideon, Simson, Saul, David, Jonatan und vielen anderen entgangen. Die stehen da einfach als übergeordnete Struktur neben dem recht einfachen nummerischen Muster, auf das sich Maude Clartin bei seiner rein nummerischen Analyse konzentriert hat.

Beim Voynich-Manuskript wissen wir nicht, ob es einen solchen Text gibt.

Wir wissen es auch nicht, nachdem Claude Martin ein nummerisches Muster gefunden haben will.

Und damit wissen wir genau so viel wie vorher. Auch, wenn eine etwas reißerische Website die Karten auf den Tisch legen wollte.

Anmerkungen und Randnotizen

  1. Für die Fälschung eines »interessant und wertvoll aussehenden« Manuskriptes wäre es noch nicht einmal nötig gewesen, ein eigenes Schriftsystem zu erfinden, wenn es »verschlüsselt« ist.
  2. Gegen jede »moderne« Fälschungshypothese spricht der eigentümliche Charakter der Illustrationen. Ein »moderner« Fälscher hätte sich bestimmt Mühe gegeben, hier grafische Andeutungen zu machen, die den Appetit des Kaufinteressierten wecken – ein Bezug zu modernen Erkenntnissen in alchimistischer Darstellung wäre gewiss erschütternd, bis die Fälschung entlarvt wurde. Stattdessen gibt es viele Pflanzen, die vor allem selbst wie eine Kryptographie wirken.
  3. Ich muss den Namen meines Freundes mosaischen Glaubens hier verschweigen, weil er mich darum gebeten hat. Er befürchtet antisemitische Übergriffe und hat offenbar auch entsprechende Erfahrungen. Es ist traurig, wie viel Raum die Barbarei unter den Menschen gefunden hat.
  4. Die Schreibweise G‹ttesdienst entspricht einer jüdischen Konvention, die das Heilige vom Profanen zu trennen trachtet. Es ist nicht meine Erfindung. Ich habe die Schreibweise hier nur übernommen.
  5. Die Bedeutung der nummerischen Struktur der hebräischen Bibel für die jüdische Mystik kann man gar nicht überschätzen. Sie hat einen großen Beitrag zur esoterischen Tradition des Judentums geleistet, aber auch manchen volkstümlichen Aberglauben beflügelt. Nichts spricht dagegen, dass auch andere Sprachen mit einer solchen Doppeldeutigkeit des Schriftsystemes ähnliche formale Wege gehen können. In diesem Zusammenhang ist es beachtenswert, dass der eigentliche Text des Voynich-Manuskriptes keinerlei Ziffernfolgen zu enthalten scheint, dass also eventuell enthaltene Zahlen im normalen Glypensystem notiert wurden. Von daher ist eine nummerische Struktur im Text nicht so überraschend, wie es zunächst scheint.
  6. Es gibt keine besondere Ähnlichkeit zwischen der Struktur der hebräischen Sprache und der Glyphenfolge des Voynich-Manuskriptes. Der hebräische Vergleich dient hier nur als sehr anschauliches Beispiel für die Gefahr zu schnell gezogener Schlüsse und als Mahnung, was einem entgehen kann, wenn man zu früh aufgibt.
  7. Ich will Claude Martin mit dem Kunstnahmen Maude Clartin nicht beleidigen. Ich will vielmehr mit diesem Namen klarstellen, dass ich eine hypothetische Person in einer hypothetischen Welt betrachte, die sich aber durchaus ähnlich wie Claude Martin verhält.

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