Das McCrone-Gutachten ist online

Die chemische Analyse der im Voynich-Manuskripte verwendeten Tinte(n) durch das McCrone-Institut (im Auftrag des ORF für die Dokumentation, die 2009 gesendet wurde) ist jetzt veröffentlicht – und wenn nicht Nick Pelling in seinem Blog darauf hingewiesen hätte, denn hätte ich es gar nicht mitbekommen. Das achtseitige Dokument steht auf der Voynich-Seite der Beinecke-Bibliothek als PDF für interessierte Leser zur Verfügung. Leider hat die Beinecke-Bibliothek eine reine Textversion veröffentlicht, und die im Text erwähnten Abbildungen – unter anderem eine aus meiner Sicht hochinteressante Ultraviolett-Aufnahme der Seite f1r, die auch einige bislang ungesehene Features offenbart hat – sind nicht Bestandteil der Veröffentlichung. Das ist schade und ich hoffe sehr, dass diese Bestandteile der Analyse demnächst nachgereicht werden.

Zum Glück ist Englisch viel leichter zu lesen als der Text des »verdammten Manuskriptes«, aber für jene, die nur eine kurze Zusammenfassung ohne die »blutigen Details« haben möchten, seien hier sehr kurz einige Punkte aufgeführt:

Tinte – Für den Text und den Umriss der Illustrationen wurde mit allergrößter Wahrscheinlichkeit die gleiche Tinte verwendet.

Seitennummerierung – Wer sich schon etwas eingehender mit den hochauflösenden Bildern des Manuskriptes beschäftigt hat, wird nicht überrascht sein, dass bei der Nummerierung der Seiten eine andere Tinte verwendet wurde.

Die Nummerierung der Buchbündel, die schließlich zum Codex gebunden wurden, ist in einer dritten Tinte ausgeführt.

Das lateinische Alphabet auf Seite f1r wurde mit einer vierten Tinte geschrieben.

Darüber hinaus wurde auch die Zusammensetzung der Farben untersucht.

Kurze Interpretation

Ich bin nicht besonders überrascht. Dass die Nummerierung der Seiten mit einer anderen Tinte als der »Text« des Manuskriptes geschrieben wurde, zeigte sich bereits in der deutlich anderen Farbe – für mich sah die Seitennummerierung immer nach einer späteren Hinzufügung aus. Für diese Annahme gibt es jetzt auch ein hartes Indiz. Das bedeutet unter anderem, dass die heute vorliegende Reihenfolge der Seiten nicht unbedingt den Absichten des Autors oder der Autoren entsprechen muss. Schlussfolgerungen aus der Reihenfolge der Seite stehen also auf schwachen Füßen.

Die Beobachtung von J. B. Hurych, dass die Form der Ziffern Ähnlichkeiten zur Handschrift der Glyphen im »Text« des Manuskriptes aufweist, scheint auf diesem Hintergrund nicht mehr ein so sicheres Indiz dafür zu sein, dass diese Nummerierung vom Autor vorgenommen wurde. Allerdings spricht nichts dagegen, dass sie dennoch viele Jahre später vom Autor hinzugefügt wurde, vielleicht auch, weil das Buch gebunden oder neu gebunden werden sollte.

Dass die einzelnen Buchbündel von den Buchbindern nummeriert wurden, überrascht nicht. Es handelt sich um eine eher »technische« Angabe. Und das stark verblichene, ausradierte lateinische Alphabet auf der ersten Seite machte schon immer den starken Eindruck, ein Überbleibsel eines früheren Entzifferungsversuchs zu sein und nicht vom Autor zu stammen. Dies deckt sich auch mit den Schlüssen Jorge Stolfis aus dem Jahr 1999 (hui, 5 Uhr morgens, das klingt nach einer langen Nacht).

Also alles in allem nichts Neues…

Gestützt wird von dieser Analyse, dass das Voynich-Manuskript eine »Geschichte« hat, was der Annahme einer modernen Fälschung (etwa durch Wilfrid Voynich auf der Grundlage alten Pergamentes) widerspricht. Dies war jedoch auch vorher (den meisten Untersuchern) klar.

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Datum: Donnerstag, 2. Juni 2011 2:47
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4 Kommentare

  1. a script enthusiast and casual reader of Voynich research
    Freitag, 3. Juni 2011 7:34
    1

    Hm, man beachte, dass der Report mit dem 1. April datiert ist. Das wär zwar schon recht heftig, aber gerade im Angelsächsischen Raum wird mit dem 1. April anders umgegangen, und auch im wissenschaftlichen Bereich z.T. heftige Sachen verpflanzt (mit dem Wissen, dass die Leser eh wüssten, was der Publikationsdatum bedeutet). Das ist natürlich für den Mitteleuropäischen Leser fatal, der sieht eine ansonsten seriöse Quelle, und glaubt’s…

    – Wie gesagt, es muss nicht ein hoax sein, könnte es aber schon, das Datum mahnt zur Vorsicht!

  2. 2

    Das Datum habe ich auch gesehen und noch vor dem Lesen einen ganz ähnlichen Gedanken gehabt. Aber da hier »nur« bestätigt wurde, was vorher schon aufgrund anderer Indizien nahe lag, Obwohl… sie hätten es doch lieber einen Tag später datieren sollen. 😉

  3. 3

    Hallo liebe Kryptologen:

    gibt es schon eine Wörterliste vom Voynich, das die Wörter geordnet aufführt?

  4. 4

    Hier gibt es eine komplette Datenbank aller (älteren) Transskriptionen, die alle »Wörter« zusammen mit ihren Häufigkeiten in einer eigenen Tabelle aufführt. Wenn die Verwendung einer relationalen Datenbank »oversized« erscheint, gibt es hier nicht nur eine Wörterliste, sondern sogar für jede (ältere) Transkription eine vollständige Konkordanz, also eine Auflistung aller Fundstellen jedes »Wortes« im Manuskript, die im HTML-Format aufbereitet ist.

    Meiner Meinung nach war das vergebene Mühe, da im VMs die Zeile eine Informationseinheit zu sein scheint. Welche Funktion die »Wörter« darin haben, verstehe ich nicht. Wieso ich auf die Idee komme, weshalb die Zeile eine Informationseinheit ist, kann man etwa hier nachlesen. 😉

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