Die eigentümliche Einfachheit

Eine der vielen Eigentümlichkeiten, die am Voynich-Manuskript so sehr verblüffen, ist die Einfachheit des verwendeten Schriftsystemes.

Wenn jemand ein Schriftsystem für eine Verschlüsselung ersinnt, wird er nicht gerade nach einem einfachen System streben, sondern dafür Sorge tragen, dass allein das gewählte Schriftsystem dem Angreifer auf den Code Probleme bereitet. Er wird es mit Nullzeichen ausstatten, sich unterschiedliche Schreibungen für gleiche Zeichen ausdenken, versuchen, so viel wie möglich von der sprachlichen Struktur des Klartextes im Kryptogramm zu verbergen. Dabei erwartet man eigentlich eher ein komplexes Schriftsystem mit einem relativ großen Zeichenvorrat, der vielleicht noch um spezielle Zeichen für häufig gebrauchte Wörter ergänzt wird. Das für den Zweck der Kryptographie entstehende Schriftsystem braucht ja nicht gut für das »alltägliche Schreiben« geeignet zu sein; es dient einem besonderen Zweck.

Dieser Erwartung gegenüber steht das Schriftsystem im Voynich-Manuskript. Es sieht aus, als wäre es auch für »gewöhnliches Schreiben« geeignet, und der Schriftfluss im Manuskripte erweckt an vielen Stellen den Eindruck, als sei der Schreiber auch im schnellen Schreiben in diesem Schriftsystem geübt gewesen. Das passt gar nicht zu den anderen Eigenschaften des Manuskriptes, die darauf hindeuten, dass es sich um keine direkt notierte Sprache handelt.

Ich glaube immer mehr, dass diese scheinbare Einfachheit des Schriftsystemes trügerisch ist, vielleicht sogar absichtlich trügerisch, um einen Angreifer auf den Code in die Irre zu leiten. Die vier Handvoll Grundglyphen im Transkriptionssystem EVA oder die gerade doppelt so viele Zeichen in Curriers Transkription täuschen uns alle über etwas hinweg, was wir trotz aller Bemühungen der vergangenen Jahrzehnte noch nicht einmal im Ansatz verstehen. Und daran krankt wohl jede bisherige Analyse.

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Datum: Dienstag, 6. Oktober 2009 22:22
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